Die Paulinerkirche in der Altstadt von Göttingen in Niedersachsen wurde 1304 als Klosterkirche vollendet und dient heute als Teil des Historischen Gebäudes der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen u. a. als Veranstaltungs- und Ausstellungssaal.

Geschichte

Klosterkirche

Ab 1294 durfte sich der Dominikanerorden in Göttingen ansiedeln und begann mit dem Bau eines Klosters im westlichen Teil der Altstadt. Die errichtete gotische Klosterkirche wurde als dreischiffige, kreuzgewölbte Hallenkirche errichtet. Mit ihrer Fertigstellung 1304 ist die Paulinerkirche unter den gotischen Hallenkirchen in der Göttinger Altstadt die älteste. Im Jahre 1331 wurde die Kirche den Aposteln Petrus und Paulus geweiht. Seit 1341 machten Reliquien des heiligen Thomas von Aquin und dessen versilbertes Bildnis sie für kurze Zeit zu einem Wallfahrtsziel.

Über die mittelalterlich Kirchenausstattung ist nur wenig bekannt. Der lange verschollen geglaubte Hauptaltar wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in der Prager Nationalgalerie wiederentdeckt. Eine datierte Inschrift von 1499 benennt als Stifter den Prior des Göttinger Klosters Johann Piper und als Maler Hans Raphon. Der 7,20 Meter breite Altar mit 41 Tafeln von Passionsszenen kam mit der Auflösung des Göttinger Klosters zunächst in das Kloster Walkenried.

Bestattungen fanden nicht nur ursprünglich in der Klosterkirche statt, sondern später auch vor der Südfassade auf dem Paulinerkirchhof, der im 17. Jahrhundert geschlossen und 2019 archäologisch untersucht wurde. Auf der Friedhofsfläche entstand anschließend 2020 ein neuer Parkplatz und Kinderspielplatz.

Reformation

Zwölf Jahre nach Luthers Thesenanschlag setzte sich 1529 auch in Göttingen die Reformation durch. Für den Dominikanerkonvent brachen damit schwere Zeiten an. Der Rat der Stadt Göttingen hatte anfangs noch keine Verfügungsgewalt über die Pfarrkirchen. Diese unterstanden dem Herzog Erich I. zu Braunschweig-Lüneburg, Fürst von Calenberg-Göttingen. Dieser hing noch dem alten Glauben an und wollte evangelische Predigten in den ihm unterstellten Pfarrkirchen nicht zulassen. Der Rat der Stadt beschloss daher, die evangelischen Gottesdienste in den Bettelordenskirchen abzuhalten. Da die Paulinerkirche die größte dieser Kirchen in der Stadt war, wurden die Gottesdienste in erster Linie hier abgehalten. Am 24. Oktober 1529 konnte der Pfarrer Friedrich Hüventhal in der Paulinerkirche gegen den Willen der Mönche den ersten regulären evangelischen Gottesdienst abhalten. Auch wurden hier die ersten Kinder in Göttingen protestantisch getauft.

Vom Gymnasium zur Universität

Kurz darauf wurde das Kloster aufgelöst und dann ab 1586 als Pädagogium für Schulzwecke gebraucht. Diese Einrichtung wurde schließlich zur Keimzelle der 1737 eröffneten Georg-August-Universität. Dazu wurde ein Kollegiengebäude errichtet auf dem Gelände des Klosters, wobei ein erster Plan, den Kreuzgang zu erhalten, aus Gründen der Baustatik verworfen wurde. Bereits kurz vorher, 1734, wurde die Bibliothek der Universität gegründet.

Die Paulinerkirche ist der Ort, an dem die Georg-August-Universität feierlich inauguriert wurde. 1748 fanden hier die Feierlichkeiten anlässlich des Besuches von Georg II. an der von ihm gegründeten Universität statt. Bis 1803 wurde die Kirche für akademische Gottesdienste genutzt. Erst als der Platz für die schnell anwachsende Bibliothek nicht mehr ausreichte, mussten die Gottesdienste nach außen verlegt werden, und die von Johann Wilhelm Gloger erstellte Orgel sowie weiteres Inventar wurden ausgebaut, auch der Dachreiter. Die Bibliothek übernahm alle Gebäudeteile.

1812 erfolgte unter Jérôme Bonaparte ein Umbau nach Entwürfen von Friedrich Weinbrenner und Justus Heinrich Müller. Dabei wurden die unteren Fenster eingebrochen und eine Zwischendecke eingezogen. Der obere Teil der Kirche wurde zum Bibliothekssaal umgestaltet. 1820 trat die Nikolaikirche an ihre Stelle als Universitätskirche.

Bei einem Luftangriff auf Göttingen im Zweiten Weltkrieg am 24. November 1944 wurde die Kirche schwer beschädigt und nach dem Zweiten Weltkrieg etwas vereinfacht wieder aufgebaut. Der Büchersaal wurde zunächst als großer Vorlesungsraum eingerichtet und anschließend für den Niedersächsischen Zentralkatalog genutzt.

Historisches Gebäudes der SUB und heutige Nutzung

Die Paulinerkirche gehört heute zu dem auf dem ehemaligen Klosterareal errichteten Gebäudekomplex des Historischen Gebäudes der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB). Zwischen der Paulinerkirche und dem 1878–1882 errichteten Prinzenstraßengebäude befindet sich das in Resten erhaltene, barocke Kollegiengebäude, das 1734 bis 1737 auf den Grundmauern des ehemaligen Klosters um einen Innenhof herum als verputzter Vierflügelbau mit Werksteingliederung entstand und anfangs auch Verwaltung und Hörsäle der jungen Universität beherbergte. Über die zwei Eingänge des Kollegiengebäudes (Papendiek 14) und den Eingang des Prinzenstraßengebäude (Prinzenstraße 1) gelangt man heute sowohl in den Gebäudekomplex des Historischen Gebäudes als auch in die gründerzeitliche Bibliotheksgebäude und in den Vortrags- und Ausstellungssaal der Paulinerkirche.

Seit dem Umzug der Zentralbibliothek der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek 1992 an den neuen Campus am Platz der Göttinger Sieben und der 2000–2006 erfolgten Sanierung des Historischen Gebäudes nimmt ein Vortrags- und Ausstellungssaal die obere Raumhälfte der ehemaligen Kirche ein. Der monumentale gotische Innenraum wirkt mit einer Länge von 52 Metern durch die eingezogene Decke viel gedrungener als ursprünglich und versucht heute den historischen Raumeindruck mit modernen Anforderungen zu vereinen. Im Saal befinden sich auf langen Regalen einige der Bücher, die im 18. Jahrhundert den Grundstock der Universitätsbibliothek bildeten.

Die Mehrzahl der Buchbestände befindet sich seit 1992 in der neuen Zentralbibliothek, die historischen Bestände (mit Erscheinungsjahr bis 1900) aber sind im Historischen Gebäude untergebracht. Im zum Historischen Gebäude gehörigen Prinzenstraßengebäude befinden sich die Lesesäle für Handschriften und Seltene sowie Alte Drucke, der Heyne-Saal, der Alfred Hessel-Saal, einige Magazine und die Kartensammlung im Erdgeschoss, außerdem im zweiten Obergeschoss der Bandkatalog sowie einige Carrels.

Als Wechselausstellungen fanden im Ausstellungssaal der Paulinerkirche beispielsweise 2002 die Ausstellung Göttinger Nobelpreiswunder oder 2017 DingeDenkenLichtenberg statt. Zur Dauerausstellung in dem Saal gehören Statuen der Abgußsammlung des Archäologischen Instituts der Universität Göttingen, darunter Apoll und die nach Demeter oder einer Matrona aus Herculaneum geformte, dem Original der Skulpturensammlung (Dresden) abgeformte, Skulptur Große Herkulanerin sowie einige Büsten Göttinger Professoren.

Literatur

  • Konrad Hammann: Universitätsgottesdienst und Aufklärungspredigt. Die Göttinger Universitätskirche im 18. Jahrhundert und ihr Ort in der Geschichte des Universitätsgottesdienstes im deutschen Protestantismus. Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-16-147240-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Lena Hoppe: Die Paulinerkirche, in: Jens Reiche, Christian Scholl (Hrsg.): Göttinger Kirchen des Mittelalters. Universitätsverlag, Göttingen 2015, ISBN 978-3-86395-192-4 (Digitalisat auf univerlag.uni-goettingen.de; PDF; 21,1 MB, abgerufen am 17. Juni 2022), S. 302–335.
  • Elmar Mittler (Hrsg.): 700 Jahre Pauliner Kirche – vom Kloster zur Bibliothek, Wallstein, Göttingen 1994, ISBN 3-89244-188-X.
  • Wulf Schadendorf: Göttinger Kirchen (Kleine Kunstführer für Niedersachsen, Heft 2), Göttingen 1953.
  • Werner Seidel: Baugeschichte der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek in Göttingen 1734–1953. Göttingen 1953. (Digitalisat auf gdz.sub.uni-goettingen.de, abgerufen am 11. September 2023) – Enthält zahlreiche Abbildungen von Bau- und Projektplänen des 18. Jahrhunderts.
Commons: Paulinerkirche (Göttingen) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Mithoff: Kunstdenkmale und Alterthümer im Hannoverschen, Bd. 2, 1873, S. 79
  2. Lena Hoppe: Die Paulinerkirche, in: Jens Reiche, Christian Scholl (Hrsg.): Göttinger Kirchen des Mittelalters. Universitätsverlag, Göttingen 2015, S. 302–335, hier S. 323.
  3. Lena Hoppe: Die Paulinerkirche, in: Jens Reiche, Christian Scholl (Hrsg.): Göttinger Kirchen des Mittelalters. Universitätsverlag, Göttingen 2015, S. 302–335, hier S. 322 f.
  4. Der Gruftfund aus der Paulinerkirche. In: goest.de. Goettinger Stadtinfo, 22. April 2009, abgerufen am 4. Februar 2023.
  5. Tobias Christ: Ausgrabungen am Paulinerkirchhof. In: goettinger-tageblatt.de. 2. Oktober 2019, abgerufen am 4. Februar 2023.
  6. Christine Mühleberg: Schmierereien und Müll auf Innenstadt-Spielplatz. Fläche an der Paulinerkirche in Göttingen ist oftmals verdreckt. Eltern sorgen sich um ihre Kinder. In: Göttinger Tageblatt, 4. Februar 2023, S. 11.
  7. Alfred Oberdiek: Göttinger Universitätsbauten, 2002, S. 11.
  8. Konrad Hammann: Universitätsgottesdienst und Aufklärungspredigt, 2000, S. 109.
  9. Paulinerkirche. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, abgerufen am 16. Februar 2023.
  10. Heinz Fuchs: Die Paulinerkirche als Teil der Universitätsbibliothek (19. und 20. Jahrhundert). In: Elmar Mittler (Hrsg.): 700 Jahre Pauliner Kirche vom Kloster zur Bibliothek. Wallstein Verlag, Göttingen 1994, ISBN 3-89244-188-X, S. 164–169 (mit Abbildungen zu den Katalognummern 253 und 254 zu Kriegszerstörung und Wiederaufbau).
  11. Burkard Ihlenfeldt: Sanierung des Historischen Gebäudes, in: Margo Bargheer, Klaus Ceynowa (Hg.): Tradition und Zukunft - die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, 2005, S. 182–183.
  12. Gerd-Josef Bötte et al.: Der Historische Bibliothekssaal in der Paulinerkirche, in: Dietrich Hoffmann, Kathrin Maack-Rheinländer (Hg.): Die Museen, Sammlungen und Gärten der Universität Göttingen, 2001, S. 32.

Koordinaten: 51° 32′ 1,6″ N,  55′ 55,3″ O

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.