Portugal | Tibet |
Die portugiesisch-tibetischen Beziehungen beschreiben das Verhältnis zwischen Portugal und Tibet. Ihre Beziehungen gehen auf das 17. Jahrhundert zurück, als portugiesische Entdecker und insbesondere Missionare als erste Europäer nach Tibet kamen.
Seit dem Ende des unabhängigen Tibets 1951 bestimmen die chinesisch-portugiesischen Beziehungen die offiziellen Beziehungen.
Die portugiesische Ortschaft Sistelo ist in Portugal auch als „kleines portugiesisches Tibet“ bekannt, auf Grund seiner geografischen Lage, umgeben von Terrassenfeldern am Rande des gebirgigen Nationalparks Peneda-Gerês.
Heutige Beziehungen
Das Verhältnis wird, neben den lang zurückliegenden historischen Bezugspunkten, vom heutigen portugiesischen zivilgesellschaftlichen Engagement für Tibet und die Internationale Tibet-Unabhängigkeitsbewegung bestimmt.
Mangels tibetischer Eigenstaatlichkeit bestehen keine diplomatischen Beziehungen, auch Angaben zu bilateralem Handel oder gegenseitiger Migration existieren daher nicht.
Die Tibetische Exilregierung wird von Portugal nicht anerkannt, im Einklang mit der internationalen Staatengemeinschaft, jedoch kam Staatsoberhaupt Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama, mehrmals zu Besuch nach Portugal, zuletzt 2007.
Vor allem seit 2008 flüchten Tibeter auch nach Portugal, wo ihnen zwar keine tibetische Staatsangehörigkeit anerkannt wird, sie jedoch Aufenthaltspapiere mit wahlweise indischer oder chinesischer Staatsangehörigkeit erhalten.
Geschichte
Vom indischen Goa aus, ab 1510 Zentrum des fernöstlichen Teils des Portugiesischen Weltreichs, weitete Portugal seine wirtschaftlichen und diplomatischen Kontakte aus und betätigte sich in der Missionierung. Die Jesuiten waren hier besonders aktiv: ihr Netz umfasste 1623 vier sogenannte Missionsprovinzen, eine von ihnen war „Indien nördlich von Goa und Tibet“.
Die Jesuiten Antonio Freire de Andrade und Manuel Marques kamen 1624 als erste Europäer nach Tibet. Sie gründeten eine jesuitische Mission, sammelten Wissen über das Land, und waren die ersten Europäer, der den Himalaya überquerten, 1625 über den Manapass. Zwei Jahre später kamen mit Estêvão Cacella und João Cabral zwei weitere portugiesische Priester nach Tibet. Sie forschten und sammelten Wissen über das Land und sandten ihre Erkenntnisse nach Goa. Sie vermuteten in Tibet das im Buch Jesaja in der Bibel prophezeite Reich am Ende der Zeiten, das auf hohen Bergen liege, von wo mächtige Ströme entsprängen.
Mit dem Verfall des portugiesischen Kolonialreichs endete die portugiesische Präsenz in Tibet. Ende des 19. Jahrhunderts kam Tibet zunächst langsam unter britischen Einfluss, bis ab 1912 der unabhängige Staat Tibet entstand. Zwischenstaatliche Beziehungen zu Portugal entstanden dabei nicht, Tibet eröffnete keine eigenen Vertretungen im Ausland und ging nur zu seinen Nachbarländern diplomatische Beziehungen ein.
Der Tibetaufstand vom 10. März 1959 erhielt in Portugal kaum Aufmerksamkeit, auch auf Grund der herrschenden Pressezensur des Salazar-Regimes. Der 10. März wird jedoch heute von Tibet-interessierten Menschen in Portugal als „Tag des Tibetaufstands“ begangen.
Am 3. und 4. Oktober 2007 fand in Lissabon ein internationaler Kongress zur Präsenz des Buddhismus in Portugal statt. In dem Rahmen fanden auch einige Veranstaltungen zur portugiesisch-tibetischen Geschichte statt und es erschienen zwei Bücher u. a. mit historischen Dokumenten.
Nach den Unruhen in Tibet 2008 formierte sich auch in Portugal Protest gegen das chinesische Vorgehen in Tibet. So fanden Demonstrationen und Gedenkfeiern vor der chinesischen Botschaft in Lissabon statt und es gründeten sich Unterstützergruppen, insbesondere die bis heute aktive Grupo de Apoio ao Tibete (portugiesisch für: „Unterstützungsgruppe für Tibet“, GAT). Die Demonstranten nahmen Anteil an Tibet und stellten die zu erreichende Freiheit Tibets in Bezug zur bereits wiedererlangten Freiheit Osttimors.
Portugiesisches zivilgesellschaftliches und politisches Engagement
Die wichtigste Gruppe, die sich in Portugal mit Tibet befasst, ist die Grupo de Apoio ao Tibete (GAT). Sie gründete sich 2008, nach den Tibetischen Unruhen 2008, und ist in das Netz internationaler Unterstützungsgruppen für Tibet eingebunden. Sie unterstützt den friedlichen Unabhängigkeitskampf Tibets und die Bewahrung tibetischer Kultur und Traditionen, zudem leistet sie politische und gesellschaftliche Arbeit.
Die União Budista Portuguesa (portugiesisch für: „portugiesische buddhistische Union“) engagiert sich, als Verband der Buddhisten in Portugal, auch für Tibet.
Auch Kulturschaffende aus Portugal engagieren sich für Tibet. Gelegentlich reisen sie dazu auch nach Tibet, etwa der Fotograf Carlos Brum Melo, der 2015 in Tibet sowohl der tiefen Beziehung der Tibeter zum Buddhismus als auch der beunruhigenden Beziehungen zwischen tibetischer Bevölkerung und chinesischer Regierung nachging. Zur Eröffnung seiner Ausstellung Tibete, na sombra do tecto do mundo (portugiesisch für: „Tibet: im Schatten des Dachs der Welt“) am 3. April 2017 an der Universität Lissabon kam auch Vincent Metten von der International Campaign for Tibet.
Die politischen Parteien im portugiesischen Parlament beschäftigen sich immer wieder mit Tibet und zeigen sich dabei meist besorgt über die Situation von Menschenrechten und Pressefreiheit unter der chinesischen Verwaltung. Die Partei Pessoas – Animais – Natureza (PAN) etwa erinnerte mehrmals an die Opfer der repressiven chinesischen Tibet-Politik.
Einzelnachweise
- ↑ Sistelo the little portuguese Tibet auf www.visitportugal.info, abgerufen am 10. Mai 2022.
- ↑ O Tibete de Portugal - „Das Tibet Portugals“, privates Video eines Besuchs in Sistelo, Abruf auf YouTube vom 10. Mai 2022.
- ↑ Dalai Lama em Portugal afasta polémica com um sorriso - „Dalai Lama bringt Polemik mit einem Lächeln fort“, Artikel vom 13. September 2007 der Zeitung Diário de Notícias, abgerufen am 10. Mai 2022.
- ↑ Tibetanos em Portugal - „Tibeter in Portugal“, Nachrichtenbeitrag vom 31. Mai 2008 des Fernsehsenders SIC, Videomitschnitt auf Sapo.pt, abgerufen am 10. Mai 2022.
- ↑ A. H. de Oliveira Marques: Geschichte Portugals und des portugiesischen Weltreichs. Kröner, Stuttgart 2001, S. 255.
- 1 2 Dois jesuítas foram os primeiros ocidentais a chegar ao Tibete - „Zwei Jesuiten kamen als erste Westliche in Tibet an“, Artikel vom 12. September 2007 der Zeitung Público, abgerufen am 10. Mai 2022.
- ↑ Fernando Cristóvão (Hrsg.): Dicionário Temático da Lusofonia. Texto Editores, Lissabon/Luanda/Praia/Maputo 2006 (ISBN 972-47-2935-4), S. 938.
- ↑ „Der 10. März zeigt die Nationale Revolution Tibets an“, Webseite der Grupo de Apoio ao Tibete, abgerufen am 10. Mai 2022.
- ↑ «Portugueses unidos pelo Tibete» - „Portugiesen vereint für Tibet“, Artikel vom 19. März 2008 des portugiesischen Nachrichtenportals Iol.pt, abgerufen am 10. Mai 2022.
- ↑ União Budista Portuguesa e Grupo de Apoio ao Tibete convocam para quarta-feira vigília de solidariedade - „Portugiesische buddhistische Union und Grupo de Apoio ao Tibete rufen zu solidarischem Mittwoch auf“, Artikel vom 16. März 2008 der Zeitung Público, abgerufen am 10. Mai 2022.
- ↑ International Tibet Network, Treffer nach Sucheingabe Portugal, abgerufen am 10. Mai 2022.
- ↑ Website der Grupo de Apoio ao Tibete (portugiesisch), abgerufen am 10. Mai 2022.
- ↑ Um fotógrafo português e a frágil relação entre o Tibete e a China - „Ein portugiesischer Fotograf und die fragile Beziehung zwischen Tibet und China“, Artikel vom 3. April 2017 der Zeitung Público, abgerufen am 10. Mai 2022.
- ↑ Voto (chumbado) sobre vítimas do Tibete motiva discussão entre Ferro e André Silva - „Abgelehnte Grußnote zu Opfer in Tibet verursacht Streit zwischen Ferro und André Silva“, Artikel vom 15. März 2019 der Zeitung Público, abgerufen am 10. Mai 2022.
- ↑ Parlamento português preocupado com liberdades no Tibete e pede diálogo à China - „Portugiesisches Parlament besorgt über Freiheiten in Tibet und wünscht Dialog mit China“, Artikel vom 29. März 2019 der Zeitung Diario de Notícias, abgerufen am 10. Mai 2022.