Die Progestine (auch Progestagene und Progestogene genannt) sind synthetische Analoga der Gestagene. Sie werden als Wirkstoffe beispielsweise in der hormonellen Empfängnisverhütung und in der Hormonersatztherapie eingesetzt.

Progestine leiten sich von den natürlich vorkommenden Sexualhormonen Nortestosteron bzw. Testosteron oder Progesteron ab.

Partialwirkungen

Die Abkömmlinge des Nortestosterons wie Norethisteronacetat, Levonorgestrel und Gestoden weisen neben ihrer gestagenen Wirkung auch eine androgene Partialwirkung auf, was die Neigung zu fettiger Haut und Körperbehaarung verstärken kann. Nur minimal ausgeprägt ist die androgene Wirkung bei Norgestimat und Etonogestrel; Dienogest weist keine Aktivität an Androgenrezeptoren auf. Drospirenon hat neben einer antiandrogenen auch eine antimineralcorticoide Aktivität, die einer vermehrten Wassereinlagerung entgegenwirkt, die durch die Östrogenkomponente der „Pille“ verursacht wird. Weitere Arzneistoffe aus der Nortestosterongruppe sind Desogestrel, eine Vorstufe des Etonogestrels, sowie Norelgestromin, der aktive Metabolit von Norgestimat.

Die Abkömmlinge des Progesterons, Chlormadinonacetat und Cyproteronacetat, haben eine deutlich antiandrogene Wirkung. Nomegestrol wirkt nur mild antiandrogen; zu Medroxyprogesteron gibt es uneinheitliche Angaben.

StammverbindungVerbindungAntiestrogene WirkungAndrogene WirkungAntiandrogene WirkungGlucokortikoide WirkungAntimineralkortikoide Wirkung
Progesteron ist eine Stammverbindung der ProgestageneProgesteron+(+) ±±+
Medroxyprogesteron+(+)– ++
Cyproteronacetat+++
Chlormadinonacetat+++
Medrogeston+
Megestrol++
Vom 19-Nortestosteron leiten sich weitere Progestagene abNorethisteronacetat++
Levonorgestrel++
Gestoden++±
Norgestimat++
Etonogestrel++
Dienogest++
Drospirenon+++
+ vorhanden     ±  teilweise vorhanden      (+) schwach/eingeschränkt vorhanden     nicht vorhanden

Generationen

Je nach ihrer Einführung in die Therapie werden die synthetischen Gestagene auch in Generationen eingeteilt:

  • 1. Generation: Norethisteron
  • 2. Generation: Levonorgestrel
  • 3. Generation: Gestoden, Desogestrel, Norgestimat

Manche Autoren rechnen Drospirenon, das Strukturelemente des Spironolactons enthält, einer 4. Generation zu.

Risiko Venenthrombose

Eine bekannte, seltene Nebenwirkung der Anwendung kombinierter oraler Kontrazeptiva ist das Auftreten venöser thromboembolischer Ereignisse (VTE), auf die in den Produktinformationen hingewiesen wird. Das Risiko ist erhöht bei Antibabypillen mit bestimmten Progestagenen der 3. und 4. Generation gegenüber solchen, die Norethisteron oder Levonorgestrel enthalten. Im Januar 2014 veröffentlichte die europäische Arzneimittelagentur das Ergebnis eines Risikobewertungsverfahrens für kombinierte orale Kontrazeptiva, die Desogestrel, Gestoden, Norgestimat, Etonogestrel, Drospirenon, Dienogest, Chlormadinon, Nomegestrol oder Norelgestromin enthalten. Demzufolge betrage das geschätzte Risiko für ein Auftreten venöser thromboembolischer Ereignisse pro 10.000 Frauen pro Jahr

  • Circa 5 bis 7 Fälle bei Frauen, die eine Kombination nehmen, die Levonorgestrel, Norgestimat oder Norethisteron enthält,
  • Circa 6 bis 12 Fälle bei Frauen, die eine Kombination nehmen, die Etonogestrel oder Norelgestromin enthält,
  • Circa 9 bis 12 Fälle bei Frauen, die eine Kombination nehmen, die Gestoden, Desogestrel oder Drospirenon enthält.

Die verfügbaren Daten zu Kombinationspräparaten, die Chlormadinon, Dienogest oder Nomegestrol enthalten seien nicht hinreichend, um das Risiko einschätzen zu können. Zum Vergleich: Bei Frauen, die keine oralen Kontrazeptiva anwenden (Nichtanwenderinnen) und nicht schwanger sind, treten jährlich etwa 2 Fälle von VTE pro 10.000 Frauen auf.

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 5 6 7 8 E. Mutschler, G. Geisslinger, H. K. Kroemer, S. Menzel, P. Ruth: Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie − Klinische Pharmakologie − Toxikologie. 10. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2012, ISBN 3-80-472898-7; S. 419 ff.
  2. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 F.A. Leidenberger, T. Strowitzki, O. Ortmann: Klinische Endokrinologie für Frauenärzte. Springer, 4. Aufl. 2009, S. 227.
  3. Fachinformation Sayana Injektionssuspension, Stand April 2012.
  4. K. Münstedt, M. Kirschbaum: Checkliste Gynäkologie und Geburtshilfe; Georg Thieme Verlag 2005, S. 411. Hier online einsehbar.
  5. Combined hormonal contraceptives, Risikobewertungsverfahren EMEA/H/A-31/1356. Abgerufen am 24. Oktober 2019.
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