Augsburger Rathaus

Daten
Ort Augsburg
Baumeister Elias Holl
Baustil Renaissance
Baujahr 1615 bis 1624
Baukosten 100.000 Gulden
Höhe 57 m
Koordinaten 48° 22′ 7,3″ N, 10° 53′ 55,3″ O
Besonderheiten
Denkmalnummer D-7-61-000-824

Das Augsburger Rathaus wurde von 1615 bis 1624 an der Ostseite des Rathausplatzes von Augsburg errichtet. Der 57 Meter hohe Profanbau gilt als einer der bedeutendsten der Renaissancearchitektur nördlich der Alpen und stellt zusammen mit dem Perlachturm das Wahrzeichen der Stadt dar.

Aufgrund seiner historischen Bedeutung untersteht es der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten.

Geschichte

Vorgängerbauten

Im Jahre 1260 erwähnen Urkunden erstmals ein Rathaus in Augsburg, welches in Holzbauweise errichtet war. Nach einem Brand 30 Jahre später und dem anschließenden Neubau errichteten die Stadtväter 1385 ein Gebäude aus Stein. In den Jahren 1449 und 1515/16 wurde das Rathaus mehrmals erweitert. Die Fassadengestaltung erfolgte damals u. a. durch Jörg Brau den Älteren.

Zunächst sollte das alte Augsburger Rathaus Anfang des 17. Jahrhunderts lediglich umgebaut werden, um den Ansprüchen für die Abhaltung der Reichstage zu genügen, die zu dieser Zeit in der Reichsstadt stattfanden. Die Stadtregierung beauftragte deshalb 1609 den bekannten Baumeister Elias Holl, einen Umbauplan für das gotische Gebäude zu entwerfen, womit sich der Architekt jedoch schwer tat. Erst nach sechsjähriger Planungsphase konnte Holl dem Magistrat einen angemessenen Umbauplan vorstellen, den die Stadträte schließlich auch noch ablehnten. Überraschenderweise erhielt Elias Holl stattdessen 1614 einen völlig anderen Auftrag: er sollte das alte gotische Rathaus, welches drei Giebel und einen Glockenturm besaß, abreißen und an seiner Stelle einen prächtigen Neubau errichten.

17. Jahrhundert: ein neues Rathaus entsteht

Elias Holl erarbeitete unter Mitsprache des Stadtrates und vermutlich auch des Stadtmalers Johann Matthias Kager ein Neubauprojekt, dessen Entwicklung in mehreren Architekturmodellen dokumentiert ist. Am 25. August 1615 erfolgte die Grundsteinlegung. Nach dem Willen der Stadtväter sollte das Rathaus keine Türme bekommen, Elias Holl jedoch bestand auf den bekannten Zwiebeltürmen neben dem Giebel und konnte sich erst im Jahre 1618 – also bereits weit nach Baubeginn – damit durchsetzen. 1620 waren die Außenarbeiten, 1624 der Innenausbau nach insgesamt fünfzehnjähriger Planungs- und neunjähriger Bauzeit abgeschlossen. Vom alten, gotischen Rathaus blieb nur ein Wappenstein, der auf der Rückfront des neuen Rathauses eingemauert wurde.

Das Rathaus gilt als Holls Meisterwerk. Technisch ist das Augsburger Rathaus eine Pionierleistung: bei seiner Fertigstellung galt es als weltweit einziges bestehendes Gebäude mit mehr als sechs Stockwerken. Das Selbstverständnis der reichsstädtischen Augsburger drückt sich in zwei unübersehbaren Ornamenten am gewaltigen Giebel auf der Frontseite des Rathauses aus: der gemalte Reichsadler symbolisierte die Reichsunmittelbarkeit der Stadt, die große kupferne Zirbelnuss darüber das Bewusstsein über die antike Gründung der Stadt.

Im Inneren des Rathauses befinden sich drei übereinander liegende Säle: Im Erdgeschoss, hinter dem Hauptportal, der so genannte „Untere Fletz“, im Stockwerk darüber der „Obere Fletz“ („Fletz“ bedeutet „Hausflur“). Der weitaus eindrucksvollste Raum im Gebäude ist jedoch der über zwei Geschosse reichende „Goldene Saal“ mit seinen Prunkportalen, Wandmalereien sowie der prachtvollen Kassettendecke. Angrenzend finden sich hier zudem die Fürstenzimmer, die als Versammlungsorte anlässlich der Reichstage und Rückzugsräume für hohe Gäste entworfen wurden. Die Baukosten für das neue Augsburger Rathaus betrugen etwa 100.000 Gulden.

Der Dreißigjährige Krieg, der wenige Jahre vor Fertigstellung des Rathauses begann, zog auch Augsburg stark in Mitleidenschaft. Vor dem Krieg eines der bedeutenden Wirtschaftszentren auf dem Kontinent, befand sich die alte Reichsstadt Mitte des 17. Jahrhunderts im Niedergang. Der Krieg hatte Augsburg nicht nur seiner jahrhundertelangen wirtschaftlichen Vormachtstellung in Europa beraubt, sondern die Stadt auch mehr als die Hälfte ihrer Bevölkerung gekostet. Die Reichstage, für die das prächtige Rathaus ursprünglich erbaut worden war, fanden nun in anderen deutschen Städten statt. Nur einmal noch – im späten 17. Jahrhundert – war das Augsburger Rathaus Schauplatz eines Festes von reichsweiter Bedeutung, als im Jahre 1690 Joseph I. im Goldenen Saal ein Festbankett anlässlich seiner Krönung zum römisch-deutschen König abhielt.

Bei der bayerischen Besetzung Augsburgs im Jahre 1806 (eine Folge der Napoleonischen Kriege) wurden die ursprünglich aus Bronze gefertigten Reichsadler, die reichsstädtischen Insignien schlechthin, auf bayerischen Befehl von beiden Giebelseiten entfernt und sind seitdem verschollen. 1884 wurde die Ostfront freigelegt, um die Arbeit von Elias Holl zu würdigen.

Erst anlässlich der Rekonstruktionsarbeiten am Rathaus zur 2000-Jahr-Feier der Stadt im Jahre 1985 wurden die Adler in Anlehnung an das historische Vorbild aufgemalt.

Bei dem britischen Bombenangriff auf Augsburg in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 wurde das Rathaus von mehreren Spreng- und Brandbomben getroffen und brannte bis auf die Außenmauern vollständig aus. Nach dem Krieg wurde das Gebäude – äußerlich in historischer, im Inneren in vereinfachter Form – wiederaufgebaut und ab 1955 wieder als Rathaus genutzt. Der vereinfachte Wiederaufbau konnte 1962 abgeschlossen werden.

Der Blick auf die Fassade des Augsburger Rathauses war bis zu den beiden alliierten Luftangriffen auf Augsburg nur eingeschränkt möglich. Erst die Zerstörung und die bis Anfang der 1960er Jahre abgeschlossene Abtragung des gegenüberliegenden Häuserblocks mit dem Börsengebäude ermöglichten die heutige (unhistorische) freie Sicht auf die Gebäudefront über den Rathausplatz hinweg. Die Augsburger Bürger wehrten sich anschließend 1961/62 im Rahmen einer großen Bürgeraktion erfolgreich gegen eine Neubebauung des Platzes und sicherten so dauerhaft die freie Sicht auf das Rathaus und den Perlachturm.

In den Jahren 1980 bis 1984 erhielt die Fassade des Rathauses im Zuge umfassender Sanierungsarbeiten ihre (nach historischen Unterlagen rekonstruierte) ursprüngliche Farbgebung wieder. Im Inneren des Renaissancebaus wurde der im Krieg vernichtete Goldene Saal originalgetreu wiederhergestellt. Am 9. Januar 1985 konnte das Augsburger Rathaus im Rahmen des 2000-jährigen Stadtjubiläums zunächst äußerlich in neuer alter Pracht wiedereröffnet werden.

Baubeschreibung

Unterer Fletz

Der Besucher betritt das Augsburger Rathaus durch eine unscheinbare Seitenpforte an der Frontseite des Gebäudes und gelangt durch einen Vorraum zunächst in den Unteren Fletz. Dieser monumentale Saal im Erdgeschoss mit seinen Marmorsäulen und der schweren Gewölbedecke bildet das Entree zu einem der beiden Treppenhäuser, die in die oberen Stockwerke des Rathauses führen.

Oberer Fletz

Der Obere Fletz im ersten Obergeschoss des Rathauses beherbergte einst die Amtszimmer der Augsburger Ratsherren. Seit dem Krieg wird das Stockwerk als Sitzungssaal des Augsburger Stadtparlamentes genutzt, daneben finden sich hier die Fraktionsbüros der im Stadtrat vertretenen Parteien. Außer zu besonderen Anlässen ist dieser Teil des Rathauses Besuchern nicht zugänglich.

Goldener Saal

Im zweiten Obergeschoss des Augsburger Rathauses gelegen, umfasst der Goldene Saal eine Fläche von 552 m² bei einer Deckenhöhe von 14 Metern. Mit seinen beeindruckenden Portalen, den üppigen Wandmalereien, ausgeführt von Matthias Kager und nicht zuletzt der prachtvollen Kassettendecke galt er schon zu Zeiten seiner Entstehung als Höhepunkt künstlerischer Innenraumgestaltung. Seinen Namen bezieht der Saal von dem reichhaltigen Goldschmuck, der seine Einrichtung ziert.

Fürstenzimmer

An den Goldenen Saal angrenzend befinden sich die Fürstenzimmer. Ursprünglich vier an der Zahl, dienten diese einst wichtigen Gästen des Augsburger Stadtrates als Aufenthalts- und Rückzugsmöglichkeit. Verglichen mit der Pracht des Goldenen Saals waren die Räume eher gediegen ausgestattet: Kassettendecken, holzgetäfelte Wände, Parkettböden und Kachelöfen sorgten für eine beinahe gemütliche Atmosphäre. Auf jeweils ca. 150 m² Fläche befanden sich in den Fürstenzimmern kunstvoll gearbeitete Schreibpulte, Tische, Sessel und Stühle sowie mehrere Lampen. Nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg werden die Fürstenzimmer seit Mitte der 1980er Jahre rekonstruiert. Einer der Räume kann bereits wieder besichtigt werden.

Südliches Treppenhaus

Im südlichen Treppenhaus befindet sich im Mittelabsatz die aus Rotmarmor bestehende Grabplatte von Elias Holl und seiner Ehefrauen.

Wache

In den Räumen im Erdgeschoss links neben dem Hauptportal an der Maximilianstraße war lange Zeit eine Wache untergebracht. Sie wurde eingerichtet, als Augsburg zum Königreich Bayern kam und dort bis zum 1. Mai 1907 blieb. Ein solcher militärischer Posten war in vielen Städten vorhanden und sollte den bayerischen Staat vor Ort repräsentieren. Später zog dort ein Polizeirevier ein, das dort bis 2003 bestand.

Das Rathaus seit den 1980er Jahren

Nach Abschluss der Sanierung im Jahr 1985 beherbergt das Augsburger Rathaus Dauerausstellungen zur Geschichte der ehemaligen Reichsstadt sowie ihrer Partnerstädte. Häufig wechselnde Ausstellungen zu unterschiedlichen geschichtlichen und tagespolitischen Themen im Unteren Fletz stehen für jeden Besucher offen. Der Goldene Saal ist Veranstaltungsort für städtische Empfänge, Konzerte und Festakte.

Das Augsburger Rathaus zählt zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Fuggerstadt. Unterer Fletz sowie Goldener Saal sind – ausgenommen bei geschlossenen Veranstaltungen – täglich geöffnet; für den Besuch des Goldenen Saals muss eine geringe Gebühr entrichtet werden. In den historischen Gewölbekellern des Rathauses befindet sich die Traditionsgaststätte „Ratskeller“.

Seit Mai 2007 befindet sich im Rathaus das von der Stadt Augsburg eingerichtete Europe-Direct-Informationszentrum. Es steht für Auskünfte, Fragen und Informationen zur Europäischen Union allen Bürgern offen. Unmittelbar hinter dem Rathaus findet alljährlich am 8. August auf dem Elias-Holl-Platz aus Anlass des Friedensfestes die Friedenstafel statt.

Literatur

  • Martin Kluger: Das Renaissancerathaus und der Goldene Saal in Augsburg. 1620–2020, context, Augsburg 2020, ISBN 978-3-946917-21-2.
  • Julian Jachmann: Die Kunst des Augsburger Rates 1588–1631. Kommunale Räume als Medium von Herrschaft und Erinnerung, München, Berlin 2008. Jachmann stellt den Rathausbau in den größeren Zusammenhang der reichsstädtischen Selbstdarstellung.
  • Augsburg und sein Rathaus 1985 – die Sanierung des Rathauses und des Perlachturmes; die Rekonstruktion des Goldenen Saales und eines Fürstenzimmers; eine Dokumentation. Augsburg, 1985.
  • Jürgen Zimmer: Das Augsburger Rathaus und die Tradition. Zu Konzeption und Ikonologie des Bauwerks, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge 28 (1977), S. 191–218.
  • Elias Holl und das Augsburger Rathaus – eine Ausstellung der Stadt Augsburg. Stadtarchiv, 22. Juni – 1. September 1985. Regensburg, 1985. ISBN 3-7917-0962-3.
  • Dorothea Diemer; Peter Diemer: Elias Holl und das Augsburger Rathaus. Kolloquium im Augsburger Rathaus, 5. und 6. Juli 1985. In: Kunstchronik, 38 (1985), S. 502–519.
  • Johannes Erichsen: Überlegungen zum Augsburger Rathaus anläßlich der Ausstellung Elias Holl und das Augsburger Rathaus. In: Kunstchronik, 38 (1985), S. 486–502.
  • Hermann Kießling: Der Goldene Saal und die Fürstenzimmer im Augsburger Rathaus. München, 1997. ISBN 3-422-06198-3.
  • Ludwig Leybold (Hrsg.): Das Rathhaus der Stadt Augsburg. Ch. Claesen & Cie., Berlin 1888 (Digitalisat).
  • Rathaus, Augsburg (Schnell & Steiner, Kleine Kunstführer). Regensburg, 2006. ISBN 3-7954-6199-5.
  • Renate von Walter: Das Augsburger Rathaus – Architektur und Bildgehalt. Augsburg, 1972.
Commons: Rathaus (Augsburg) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 Gertrud Seyboth: Augsburg – früher und heute. Presse-Druck- und Verlags-GmbH, Augsburg 1976, S. 8–9.
  2. Günther Grünsteudel, Günter Hägele, Rudolf Frankenberger (Hrsg.): Augsburger Stadtlexikon. 2. Auflage. Perlach, Augsburg 1998, ISBN 3-922769-28-4.
  3. Die deutsche Stadt. Band 13. Reinhard Welz Vermittler Verlag e.K., 2005, ISBN 978-3-86656-539-5, S. 343 (books.google.com).
  4. Ostfront freigelegt., Im Centralblatt der Bauverwaltung, Nr. 35, 30. August 1884, S. 354, abgerufen am 31. Dezember 2012.
  5. Historisches Bild vom Goldenen Saal des Augsburger Rathauses, 1902 mit Angabe des Malers in: Deutsche Bauzeitung, 1902, Heft 9.
  6. Gertrud Seyboth: Augsburg – früher und heute. Presse-Druck- und Verlags-GmbH, Augsburg 1976, S. 16–17.
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