Die reformierte Kirche Sils-Baselgia in Sils im Engadin ist ein evangelisch-reformiertes Gotteshaus unter dem Denkmalschutz des Kantons Graubünden. Sie liegt direkt am Inn im gleichnamigen Dorfquartier (Baselgia heisst im Oberengadiner rätoromanischen Idiom Puter «Kirche»).
Geschichte und Baugeschichte
Urkundlich erstmals kommt der Ort Sils im Engadin/Segl als Sust an der Julierroute im karolingischen Urbar (um 831) vor. Ein Kirche in Sils (es muss sich um jene im Ortsteil Baslegia handeln) wird erstmals 1356 genannt, das Patrozinium St. Laurentius im Jahre 1598 (also erst nach der Reformation in Sils/Segl). Baugeschichtliche Dokumente zum Bau der heutigen Kirche existieren nicht. Das bei geringer Höhe (4,10 Meter) verhältnissässig breite Schiff wie die Form des Chorbogens erlauben es, die Umfassungsmauern in spätromanischer Zeit anzunehmen. Der Turm ist möglicherweise nachmittelalterlich. Der Chor wird Ende 17. Jahrhundert eingewölbt. Renovationen in den Jahren 1750, 1834 und 1980.
Äusseres
Die Kirche, umgeben vom Friedhof, ist ein schlichter Bau am still fliessenden Inn. Das Schiff, der eingezogene quadratische Chor mit Sakristei und der Turm sind wohlproportioniert. Das Schiff hat je zwei, der Chor ein Fenster mit Stichbogenleibungen, der Eingang führt durch ein Rundbogenportal. Der Turm besitzt Rundbogenöffnungen auf zwei Geschossen und ist mit einem kegelförmigen Helm bekrönt. Turm- und Kirchendach sind mit Steinplatten bedeckt.
Inneres
Der quadratische Chor ist vom Schiff um 6o abgedreht und mit einem grätigen Kreuzgewölbe überdeckt, das auf profilierten Gesimsen emporsteigt und am Scheitel mit Stuckmedaillon geziert ist. Der halbrunde, ungefasste Chorbogen ohne Kapitelle. Im Schiff eine neuere Flachdecke aus Holz. Die Fensterdisposition aus dem 18. Jahrhundert: viereckig mit Stichbogenleibungen, im Chorschluss achteckig. Der Eingang ungefasst rundbogig. Am rechten Rand des ungefassten Chorbogens steht eine Kanzel (ohne Schalldeckel) aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts mit architektonischer Gliederung. Links befindet sich in der Ecke Chorbogenwand/Schiff die Orgel. An der Westwand ist eine Empore eingebaut. Das Fenster in der Mitte der Apsis zeigt eine Glasmalerei von Ernst Rinderspacher (1879–1949): Abnahme des Leichnams Jesu. Weitere Glasmalereien befinden sich auf den annähernd quadratischen Seitenfenstern. Im Inneren läuft alles auf den Taufstein, der zugleich als Abendmahlstisch dient, zu. Er trennt das Kirchenschiff mit Holzleistendecke und Natursteinboden vom quadratischen Chor, dem eine Kanzel auf rechter Seite (während ansonsten die Mehrzahl der reformierten Bündner Kirchen die Kanzel auf linker Seite kennt) vorangestellt ist.
Orgel
1968 ersetzte eine Orgel von Orgelbau Maag AG, Zürich ein Harmonium. Diese Maag-Orgel (Werk 34) war ein Multiplexsystem, das heisst aus einer Pfeifenreihe werden mehrere Register in verschiedenen Tonhöhen herangezogen. Diese Orgel stand zunächst vorne gegenüber der Kanzel, später wurde das Instrument in die Ecke neben der Kirchentüre versetzt. Die Orgel hatte zwei Manuale, Pedal, drei Stammreihen aus der 14 Register gezogen wurden. 2015 wurde diese Orgel durch ein Instrument von Orgelbau Kuhn aus dem Jahr 1970 ersetzt und fand wieder – wie früher – seinen Platz gegenüber der Kanzel an der Nordwestseite des Schiffs. Dieses Instrument mit mechanischer Traktur verfügt über ein Manual, Pedal und sieben Register mit geteilter Schleiflade.
Glocken
In der nur schwer zugänglichen Glockenstube hängen an Holzbalken zwei elektrisch angetriebene Glocken:
- Durchmesser 72 cm. Gewicht ca. 220 kg. Inschrift: *SI DEUS PRO NOBIS QUIS CONTRA NOS. SOLI DEO GLORIA - GOSS MICH JOHANN SCHMID A GRUEN(ECK) BURGER IN CHUR 1763. NICOLAUS ZAFFIUS CIVIS ET TRIBUNUS CURIAE ET MUNICEPS IN SILS FUSUAE HUYUS CAMPANAE DIRECTOR *. Ferner die Namen von sechs Gemeinde- und Kirchenvorstehern.
- Durchmesser 63 cm. Gewicht ca. 150 kg. Inschrift: + LUCAS . MARCUS . MATHEUS . JOHANNES . ANNO . DOMINI MCCCCXLVI (1446) +.
Bei der Glocke von 1446 handelt es sich um die älteste datierte Kirchenglocke im Oberengadin.
Kirchliche Organisation
Kirchlich gehörte Sils/Segl im Mittelalter zu Sankt Mauritius St. Moritz. Wann sich Sils/Segl von St. Moritz trennte, ist nicht mit Bestimmtheit zu ermitteln, jedenfalls erschien Sils schon 1550 als eigene Pfarrei. Sils trat 1552 unter Pietro Paolo Vergerio zum evangelischen Glauben über. Sils/Segl war kirchgemeindlich fusioniert mit Silvaplana und Champfèr und gehörte in der evangelisch-reformierten Landeskirche Graubünden zum Kolloquium VII Engiadin'Ota-Bregaglia-Poschiavo-Sursès. Seit 2017 gehört Sils/Segl zur Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Oberengadin (romanisch: Baselgia evangelica-refurmeda Engiadin'Ota), umgangssprachlich Refurmo genannt.
Galerie
- Glasfenster von Ernst Rinderspacher, Kreuzesabnahme des Leichnams Jesu
- Frontseite und Portal
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 405–406.
- ↑ Ernst Bolli: Kirche Sils/Segl Baselgia, San Lurench. In: www.refurmo.ch. Refurmo, 2017, abgerufen am 10. Oktober 2022.
- ↑ Ernst Bolli: Kirche Sils/Segl Baselgia, San Lurench. In: www.refurmo.ch. Refurmo, 2017, abgerufen am 10. Oktober 2022.
- ↑ Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 406.
- ↑ Ernst Bolli: Kirche Sils/Segl Baselgia, San Lurench. In: www.refurmo.ch. Refurmo, 2017, abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ Jutta Kneule: Orgeln im Engadin - Geschichte und Gegenwart (überarbeitete Fassung 2020). In: Baselgias Engiadinaisas. Walter Isler, 2021, abgerufen am 9. Oktober 2022.
- ↑ Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Hrsg.: Hans Batz. Band 1. Casanova Druck und Verlag AG, Chur 2003, ISBN 3-85637-287-3, S. 11–12.
- ↑ Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäsuer AG, Basel 1940, S. 406.
- ↑ Annemarie Schwarzenbach: Beiträge zur Geschichte des Oberengadins im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit. Hrsg.: Universität Zürich - Dissertation. Diss.-Druckerei A.-G. Gebr. Leemann & Co., Zürich 1931, S. 85.
- ↑ Arnold Nüscheler: Die Gotteshäuser der Schweiz. Hrsg.: Zürcherische antiquarische und schweizerische geschichtsforschende Gesellschaft. Erstes Heft - Bisthum Chur. Druck und Verlag von Orell, Füssli und Comp., Zürich 1864, S. 123.
- ↑ Hans Berger: Bündner Kirchengeschichte. Hrsg.: Evangelischer Kirchenrat Graubünden. 2. Teil - Die Reformation. Verlag Bischofberger A, Chur, ISBN 3-905174-02-2, S. 103.
Koordinaten: 46° 26′ 4,6″ N, 9° 45′ 18,2″ O; CH1903: 778010 / 145213