Das Risikomanagement übernimmt in Unternehmen das Management von Unternehmensrisiken durch deren Risikoidentifikation, Risikoanalyse, Risikoquantifizierung, Risikoaggregation, Risikobeurteilung, Risikobewertung, Risikokommunikation und abschließende Risikobewältigung.

Allgemeines

Das Risikomanagement umfasst Risikobeurteilung, Risikobewältigung und Risikokommunikation, wobei die Risikobeurteilung in die Teilbereiche Risikoidentifikation, Risikoanalyse und Risikobewertung untergliedert ist. Ein Risikomanagement kann erst mit der Risikowahrnehmung beginnen, sie ist die Voraussetzung dafür, dass Risiken überhaupt erkannt und entdeckt werden können. Hierbei ergibt sich bereits das Problem, dass verschiedene Risikoträger dasselbe Risiko unterschiedlich oder gar nicht wahrnehmen. Erfolgt die Risikowahrnehmung fehlerhaft als selektive Wahrnehmung, so werden nur bestimmte Risiken wahrgenommen, andere vorhandene jedoch ausgeblendet. Eine mangelhafte Risikowahrnehmung wirkt sich negativ auf die nachfolgenden Phasen des Risikomanagements aus.

Aufgaben des Risikomanagements

Das Risikomanagement ist eine Aufgabe, die einer Funktion in einer Organisationseinheit in Unternehmen oder Behörden zugeordnet ist. Risikomanagement ist nach der Norm ISO 31000: 2009 eine Führungsaufgabe, im Rahmen derer die Risiken einer Organisation identifiziert, analysiert und später bewertet werden. Hierzu sind übergeordnete Ziele, Strategien und Politik der Organisation für das Risikomanagement festzulegen. Im Einzelnen betrifft dies die Festlegung von Kriterien, nach denen die Risiken eingestuft und bewertet werden, die Methoden der Risikoermittlung, die Verantwortlichkeiten bei Risikoentscheidungen, die Bereitstellung von Ressourcen zur Risikoabwehr, die interne und externe Kommunikation über die identifizierten Risiken (Berichterstattung) sowie die Qualifikation des Personals für das Risikomanagement. 2018 ist eine aktualisierte Version der Norm ISO 31000 erschienen.

Eine formale Ausbildung und Zertifizierung zum Risikomanager kann in Deutschland dem Stand der Technik entsprechend gemäß DIN VDE V 0827 „Notfall- und Gefahren-Systeme – Teil 1: Notfall- und Gefahren-Reaktions-Systeme (NGRS) – Grundlegende Anforderungen, Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Aktivitäten“ und in Österreich nach ONR 49003 „Risikomanagement für Organisationen und Systeme – Anforderungen an die Qualifikation des Risikomanagers – Anwendung von ISO/DIN 31000 in der Praxis“ erfolgen.

Risikomanagement wird als ein fortlaufender Prozess verstanden, in dem Planung, Umsetzung, Überwachung und Verbesserung kontinuierlich stattfinden (Demingkreis: „Plan-Do-Check-Act“). Risikomanagement soll über die gesamte Lebensdauer einer Organisation zur Anwendung kommen und eine Kultur der Risikolenkung in der Organisation entstehen lassen.

Die in der Norm ISO 31000 beschriebenen Grundsätze und Verfahren zum Risikomanagement gelten allgemein. Sie können in allen Bereichen, in denen Risiken existieren, angewendet werden und sind nicht auf eine spezifische Branche zugeschnitten.

Das Risikomanagement (Risikofrüherkennungssystem) insbesondere der Aktiengesellschaften orientiert sich an den Anforderungen des Kontroll- und Transparenzgesetzes (KonTraG) und dem darauf basierenden IdW-Prüfungsstandard PS 340 und dem jüngeren DIIR Revisionsstandard Nr. 2 des Deutschen Instituts für Interne Revision (von 2018). Ziel ist es, bestandsbedrohende Risiken frühzeitig zu erkennen und nachvollziehbar zu überwachen. Da oft gerade Kombinationseffekte mehrerer Einzelrisiken bestandsbedrohend werden, wird eine Aggregation der Einzelrisiken zur Bestimmung des Gesamtrisikoumfangs gefordert (Risikoaggregation). Der ökonomische Mehrwert des Risikomanagements ist die Reduzierung der Wahrscheinlichkeit bestandsbedrohender Krisen durch mehr Risikotransparenz. Die Beurteilung des Grades der finanzwirtschaftlichen Bestandsbedrohung erfolgt durch die Berechnung der Auswirkungen von Risiken auf das zukünftige Rating mittels einer sogenannten Ratingprognose.

Als weitere Vorteile eines leistungsfähigen Risikomanagements sind eine Verbesserung der Planungssicherheit und eine Reduzierung der Risikokosten zu nennen.

Der Risikomanagement-Prozess umfasst im Einzelnen:

  • Identifikation der Risiken, Beschreibung ihrer Art, der Ursachen und Auswirkungen
  • Analyse der identifizierten Risiken hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten und möglichen Auswirkungen
  • Risikobewertung durch Vergleich mit zuvor festzulegenden Kriterien der Risiko-Akzeptanz (z. B. aus Standards und Normen)
  • Risikobewältigung/Risikobeherrschung durch Maßnahmen, die Gefahren und/oder Eintrittswahrscheinlichkeiten reduzieren oder die Folgen beherrschbar machen
  • Risikoüberwachung mit Hilfe von Parametern, die Aufschluss über die aktuellen Risiken geben (Risikoindikatoren)
  • Risikoaufzeichnungen zur Dokumentation aller Vorgänge, die im Zusammenhang der Risikoanalyse und -beurteilung stattfinden

Um die Komplexität des Risikomanagement-Prozesses zu bewältigen, große Datenmengen zu analysieren und ein strategisches Risikomanagement zu implementieren, bedienen sich viele Unternehmen einer Risikomanagement-Software. Diese ist in der Lage, die Risiken eines Unternehmens abzubilden oder zukünftige Risiken zu simulieren.

Begriffe des Risikomanagements

  • Risikoanalyse: wird zur Identifikation und Bewertung von Risiken eingesetzt. Im technischen Bereich kommt die probabilistische Sicherheitsanalyse zur Anwendung.
  • Risikoidentifikation: erstellt eine Liste der verschiedenen Risiken, im Fall von technischen Systemen anhand der Funktionsanforderungen (unabhängig von einer technischen Ausführung). Hilfsmittel sind: Szenario-Technik, Post-Mortem-Analyse, Expertenbefragungen, Delphi-Methode, Kreativitätstechniken, Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse, Risikoworkshops, Checklisten (Gefährdung: Liste der Gefährdungen im Arbeitsschutz), Analyse möglicher Gefährdungen (Hazard and Operability Study), Auswertung der Erfahrungen (industrielle Unfälle, Insolvenzen) aus vergleichbaren Unternehmensbereichen.
  • Risikomatrix: wird zur detaillierten Erfassung und Bewertung des Gesamtrisikos eines Unternehmens, einer technischen Anlage oder eines Unternehmens- oder technischen Prozesses verwendet, indem die ermittelten Risikofaktoren in eine Matrix (Risikoportfolio, Risikomatrix) mit den Dimensionen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß eingetragen werden.
  • Risikovermeidung: durch Unterlassung einer risikobehafteten Aktivität.
  • Risikominderung: reduziert das Risikopotenzial auf ein akzeptables Maß bzw. versucht, die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Risiken zu reduzieren.
  • Risikokommunikation: die Risikoergebnisse werden – in transparenter und nachvollziehbarer Weise – für die Entscheidungsfindung über die Vertretbarkeit des Risikos durch den Risikoträger unter Einbeziehung von Sachverständigen sowie für die durch das Risiko betroffenen Personen in der Anlage und in der Anlagenumgebung veröffentlicht.
  • Risikoakzeptanz: sie wird erreicht, wenn das Risiko unter den gegebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und unter Beachtung eventueller Restrisiken als vertretbar bewertet wird.
  • Restrisiko: ist das Risiko, welches nach der Anwendung von Schutzmaßnahmen verbleibt. (Siehe auch die Aussage des Bundesverfassungsgerichts von 1978 im Kalkar-Urteil zum Restrisiko.)
  • Grenzrisiko: ist das größte noch vertretbare Risiko bei Einhaltung vorgegebener Standards (Stand der Technik / Sicherheitstechnik) (Siehe auch Minimale endogene Mortalität und ist ein Maß für das akzeptierte – unvermeidliche – Risiko.)
  • Risikowahrnehmung: wird entsprechend der Einflussgrößen von Freiwilligkeit, Kontrolle, Vertrauen und Katastrophenpotential (nach den Grundannahmen der Psychologie) als inhärent subjektiv empfunden.
  • Risikodiversifikation: durch die Aufteilung des Vermögens auf verschiedene Vermögensmassen oder technische Redundanzen.
  • Risikotransfer: durch Übertragung des Risikos auf Dritte, indem der Risikoträger wechselt (z. B. auf ein Versicherungsunternehmen).
  • Risikokontrolle: durch Überwachung der identifizierten, aktuellen Risiken (Risiko-Indikatoren) und Einhaltung vorgegebener Grenzwerte.
  • Risikoindikatoren: Messung von Systemgrößen, die Aufschluss über die Risiken (Risikokennzahlen) geben (Empfindlichkeit / Sensitivität eines Systems gegenüber äußeren Einflüssen). In der Sicherheitstechnik wird der Begriff Sicherheitsindikator verwendet. In der Finanzwirtschaft werden die Indikatoren unterschieden:
    • Lagging indicators: die sich verändern, nachdem sich die Finanzwirtschaft als Ganzes verändert hat.
    • Leading indicators: die sich verändern, bevor sich die Finanzwirtschaft als Ganzes verändert.
  • Risikoaggregation: ist eine Zusammenfassung aller Einzelrisiken, wobei die Einzelrisiken entsprechend ihrer relativen Bedeutung auf die Unternehmensentwicklung gewichtet werden, und nicht durch deren einfache Addition der Einzelrisiken. Dieses kann durch Simulation der Faktoren zur Ermittlung des Gesamtrisikos des Systems erfolgen (Verwendung z. B. zur Bestimmung des „Marktpreisrisikos“).
  • Risikoreporting: Erzeugung und Übermittlung von Informationen über Chancen und Risiken als Risikobericht. Wesentliche Ziele des Risikoreportings sind: Schaffung von Transparenz über Risikosituation, die Entscheidungsvorbereitung über Risikosteuerungsmaßnahmen und die Unterstützung der Risikoüberwachung.
  • Risikointerdependenz: Abhängigkeiten von Risiken: Unabhängige Risiken beeinflussen einander nicht, positiv korrelierte Risiken verstärken einander, negativ korrelierte Risiken schwächen einander ab. Üblicherweise wird die statistische Abhängigkeit von Risiken zunächst auf Plausibilität geprüft und mittels eines Korrelationskoeffizienten quantifiziert.
  • Risikotragfähigkeit: Fähigkeit, die Folgen schlagend gewordener Risiken auffangen zu können.
  • Risikovorsorge: Zur Tragfähigkeit des Restrisikos muss durch Risikovorsorge Vorkehrung getroffen werden, wobei z. B. finanzielle Reserven (Rücklagen), Rückstellungen aber auch Überbestände an Material, Personal, u. ä. gebildet werden können.
  • ALARP-Prinzip (ALARP: As Low As Reasonably Practicable) bedeutet, die Risiken sollen auf ein vernünftiges und durchführbares Maß minimiert werden. In einer Risiko-Nutzen-Analyse kann abgeschätzt werden, ob der Nutzen des Produkts das Restrisiko überwiegt.
  • RAMS-Management: stellt sicher, dass Systeme definiert, Risikoanalysen durchgeführt, Gefährdungsraten ermittelt, detaillierte Prüfungen gemacht und Sicherheitsnachweise erstellt werden (im englischen RAMS: Reliability, Availability, Maintainability, Safety / Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Instandhaltbarkeit, Sicherheit).

Anwendungsbereiche

Unternehmensrisiken

Das Unternehmensrisiko findet zunächst in der Volatilität des Ergebnisses (Gewinn oder Verlust) seinen Niederschlag, die durch statistische Analysen oder zukunftsorientiert mittels Risikoaggregation bestimmbar ist. Gemeint ist die durch Unvorhersehbarkeit der Zukunft bestehende Möglichkeit von betrieblichen Zielen abzuweichen. Die extreme Ausprägung des Unternehmensrisikos wird Insolvenzrisiko genannt und drückt die Wahrscheinlichkeit aus, dass das Unternehmen wegen Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung seinen Verpflichtungen nicht oder nicht in voller Höhe nachkommen kann. Die vom aggregierten Risikoumfang, aber auch der Risikotragfähigkeit (Eigenkapital) und der Ertragskraft, abhängige Insolvenzwahrscheinlichkeit wird durch das Rating ausgedrückt (siehe auch Ratingprognose und Insolvenzprognoseverfahren).

Eine Insolvenz kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden, wobei allgemein zwischen internen und externen Insolvenzursachen differenziert wird. Interne Ursachen betreffen die Aktivitäten, die unmittelbar vom Unternehmen selbst ausgehen und schließlich zur Insolvenz führen. Hierbei kann es sich beispielsweise um Fehlplanungen oder Fehleinschätzungen des Managements handeln. Externe Insolvenzursachen betreffen Faktoren, die von außen auf das Unternehmen einwirken, beispielsweise strukturelle und konjunkturelle Veränderungen des Unternehmensumfelds sowie Markteintritte von neuen Wettbewerbern.

Aktiengesellschaften müssen nach dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (§ 91 Abs. 2 AktG) zur frühzeitigen Erkennung von Risiken ein Überwachungssystem einrichten, um den Fortbestand der Gesellschaft gegen gefährliche Entwicklungen zu sichern. Der Vorstand der AG steht dabei in der obersten Verantwortung. Eine Verpflichtung des Vorstandes zur Einrichtung eines Überwachungssystems bestand nach dem § 76 AktG bereits vor Inkrafttreten des KonTraG.

Risikomanagement in der Finanzdienstleistung

Kreditinstitute

Für Kreditinstitute unterteilt man das betriebswirtschaftliche Gesamtrisiko in ein operationelles Risiko (z. B. durch Ausfälle in der IT), das Kreditrisiko (d. h. den Ausfall von Kreditnehmern), das Kontrahentenrisiko (d. h. den Ausfall von Kontrahenten bei Handelsgeschäften) als besonderen Teil des Kreditrisikos, das Liquiditätsrisiko (fällige Gelder können nicht aus den flüssigen Mitteln bedient werden), Marktliquiditätsrisiko (Geschäfte können auf Grund mangelnder Marktliquidität nicht zu den erwarteten Bedingungen abgeschlossen werden) und das Marktrisiko (z. B. Wechselkursrisiko, Zinsänderungsrisiko). In der Praxis wird oftmals das Reputationsrisiko (Risiko des Ansehensverlustes durch geschäftspolitische Entscheidungen o. Ä.) separat vom operationellen Risiko betrachtet. Die Häufung von risikobehafteten Engagements, die (z. B. aufgrund von Branchenrisiken oder Länderrisiken) in engem Zusammenhang stehen, bezeichnet man in der Kreditwirtschaft auch als Klumpenrisiko.

Dabei tragen die Kreditinstitute Liquiditätsrisiken, als Finanzintermediäre übernehmen sie außerdem die Fristen-, Losgrößen- und Transformationsrisiken.

Die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (BA) für die Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute in Deutschland geben einen Rahmen für ein angemessenes und wirksames Risikomanagement vor. Er soll dazu dienen, Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken. Die Prozesse des Risikomanagements betreffen:

  • Identifizierung,
  • Beurteilung,
  • Steuerung sowie
  • Überwachung und Kommunikation der wesentlichen Risiken.

Das Institut hat geeignete Indikatoren für die frühzeitige Identifizierung von Risiken abzuleiten, die die Einrichtung und Weiterentwicklung eines Systems von Risikokennzahlen und eines Risikofrüherkennungs- und Risikoklassifizierungsverfahrens ermöglichen.

Zur Anwendung der Risikoquantifizierung wird festgestellt: Da jegliche Methoden und Verfahren zur Risikoquantifizierung die Realität nicht vollständig abzubilden vermögen, ist dem Umstand, dass die Risikowerte Ungenauigkeiten aufweisen oder das Risiko unterschätzen könnten, bei der Beurteilung der Risikotragfähigkeit hinreichend Rechnung zu tragen.

In diesem Zusammenhang steht auch die Forderung: Bedeutende Schadensfälle sind unverzüglich hinsichtlich ihrer Ursachen zu analysieren. Es dient dazu, Systemschwachstellen und Unzulänglichkeiten in den Risikomodellen zu erkennen sowie der statistischen Ermittlung von Schadenshäufigkeiten (Erfahrungsrückfluss).

Die Mindestanforderungen an das Risikomanagement für die Kreditinstitute geben einen Rahmen für die Einhaltung der Treuepflicht bei der Verfügung fremden Vermögens vor. Im Fall der Verletzung der Treuepflicht (Missbrauch) kommt die Strafbarkeit der Untreue gemäß § 266 StGB zur Anwendung.

Versicherungswirtschaft

Für Versicherungsunternehmen zählt die Übernahme von Risiken zum eigentlichen Geschäftsmodell. Versicherungen begrenzen die Wahrscheinlichkeit einer überdurchschnittlichen Belastung durch Schadensfälle durch die Größe des Versicherungskollektivs, darüber hinaus in erster Linie durch Rückversicherung, mit deren Hilfe sie Großschäden und Kumulrisiken begrenzen.

Versicherungstechnische Risiken spielen im Versicherungsmarkt als Vorstufe zur Versicherung eine zentrale Rolle. Bevor ein Risiko richtig versichert werden kann, muss es erkannt, bewertet und der Umgang mit dem Risiko festgelegt werden.

Die europäische Richtlinie Solvabilität II stellt umfangreiche Anforderungen an das Risikomanagement in Versicherungsunternehmen.

Risikoarten

Politische Risiken

Zu den politischen Risiken zählen z. B. kriegerische Ereignisse, Umstürze, Embargos und Handelssanktionen, Terroranschläge, Korruption, Staatsbankrotte, durch politische Ereignisse bedingte Wechselkursschwankungen.

Risiken des nationalen und internationalen Finanzsystems

Finanzkrisen sind größere Verwerfungen im Finanzsystem, die durch einen Rückgang der Vermögenswerte und die Zahlungsunfähigkeit zahlreicher Unternehmen der Finanzwirtschaft und anderer Branchen gekennzeichnet sind und die die ökonomische Aktivität in einem oder mehreren Ländern beeinträchtigen. Sie manifestieren damit das Risikopotential des Finanzsystems, wie auch das Versagen des nationalen bzw. internationalen Risikomanagements und seiner Kontrollorgane. Nationale und internationale Regelwerke, wie Mindestanforderungen an das Risikomanagement (BA), Basel II und Basel III werden zur Risikokontrolle erstellt und – wie die Erfahrung zeigt – mit jeder neuen Krise fortgeschrieben.

Nach Kondratjew durchläuft die Weltwirtschaft immer wiederkehrende Zyklen, die jeweils durch schwere wirtschaftliche Turbulenzen beendet werden. Die Mechanismen für diese Konjunkturzyklen sind immer gleich.

Die grundlegenden Mechanismen für das Kollabieren komplexer Systeme, sei es nun in der Finanzwirtschaft oder einer komplexen Industrieanlage wie einem Chemiewerk oder Kernkraftwerk, sind immer dieselben. Charakteristisch für diese Systeme ist, dass sie aus einer praktisch nicht mehr überschaubaren Anzahl von Komponenten bzw. Funktionseinheiten bestehen und über vielschichtige Wirkungsstrukturen das gemeinsame Systemergebnis erzielen. Aus der Anwendererfahrung wird das System ständig verbessert, so dass es nach einer Erprobungszeit als stabil und ausgereift gilt. Wegen der großen Risiken, die mit einem Scheitern der System verbunden sind, unterliegen diese Systeme vielfältigen Kontrollmechanismen. Je länger ein System ohne großen Schaden betrieben wird, desto mehr wird es von seinen Betreibern und Kontrolleuren als sicher empfunden. In diesem Zustand beginnt das Sicherheitsnetz des Systems an Wirksamkeit zu verlieren. Kompromisse zu Gunsten des Unternehmenserfolges gegenüber der Sicherheitsvorsorge sind leichter durchsetzbar, mit der Folge, dass sich im System zunehmend unerkannte Fehler festsetzen (vgl. Charles Perrow, Normal Accidents, 1984). In der Finanzwirtschaft erklärt es – je nach Stand im laufenden Zyklus – den Ruf nach mehr bzw. weniger Regeln auf dem Finanzmarkt.

Umweltrisiken

Umweltrisiken sind aus Unternehmenssicht wirtschaftliche Risiken, die dadurch entstehen, dass durch Umweltschäden (Bodenkontamination, Schadstoffemission, Verseuchung von Gebäuden, Gesundheitsschäden des Personals, Produktmängel) Wirtschaftsgüter ganz oder teilweise der Wertminderung unterliegen, kostenintensiv entsorgt werden müssen oder nur mit hohen Kosten wiederhergestellt werden können. Arbeitnehmer können durch mangelnden Arbeitsschutz und mangelnde Arbeitssicherheit erkranken und dadurch das Risiko von Fehlzeiten erhöhen.

Das Umweltrisikomanagement befasst sich mit der Handhabung dieses Umweltrisikos und stellt in Unternehmen einen Teilbereich des betrieblichen Umweltmanagements und des Risikomanagements dar. Es werden interne und externe Umweltrisiken unterschieden, wobei externe Umweltrisiken wie Sturm oder Hochwasser auftreten können. Die internen Umweltrisiken liegen im Unternehmen begründet und können technische, technologische oder organisatorische Schäden sein wie etwa die Betriebsstörung.

Es werden drei Arten von Umweltrisiken unterschieden:

  • finanzielle Risiken für ein Unternehmen, die durch Veränderungen des Umweltzustandes oder des Umweltbewusstseins der Gesellschaft entstehen
  • Risiken der Umwelthaftung des Unternehmens für umweltrelevante Aktivitäten und
  • Risiken für die menschliche Gesundheit und für das Ökosystem.

Im Bereich des Hochwasserschutzes wurde von staatlicher Seite die Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie 2007/60/EG eingeführt. Im Bereich des Brandschutzes werden Brandschutzbedarfspläne für Feuerwehren mit standardisierten Schutzzielen sowie lokalen Besonderheiten erstellt. Weiträumige Risiken werden in einem Gefahrenzonenplan dargestellt.

Technische Risiken

Sicherheitsmanagement (SM) ist synonym zu Risikomanagement und wird definiert: „SM: Führt, lenkt und koordiniert eine Organisation in Bezug auf alle Sicherheitsaktivitäten.“ Die Verwendung des Begriffs „Sicherheitsmanagement“ in der Technik (im deutschen Sprachraum) erklärt sich aus der allgemeinen Verwendung des Begriffs „Sicherheit“ in der Technik.

Sicherheitsmanagementsysteme (SMS) kommen heute in allen Industriebereichen mit Gefährdungspotentialen zur Anwendung. Die Notwendigkeit der Einführung und Anwendung der SMS ergaben sich praktisch in allen Industriebereichen aus der Unfallerfahrung, wonach über die Fehlermöglichkeiten der Technik und des Personals hinaus sich gravierende Mängel in der Organisation als wesentliche Unfallursachen herausstellten.

In der Luftfahrt wird die Notwendigkeit der Einführung von Sicherheitsmanagementsystemen (SMS) wie folgt begründet:

„Sicherheits-Management (safety management) basiert auf der Prämisse, dass es immer Sicherheitsrisiken und menschliche Fehler (safety hazards and human errors) gibt. Das SMS lässt Prozesse entstehen, die die Kommunikation über diese Risiken und die Maßnahmen zu deren Verringerung verbessern. Das Sicherheitsniveau und die Sicherheitskultur einer Organisation werden damit nachhaltig verbessert.“

Risiken des Projektmanagements

Risikomanagement in Projekten beschäftigt sich mit allen Tätigkeiten, welche zur Verhinderung von oder zum Umgang mit ungeplanten Ereignissen beitragen, welche den Projektverlauf gefährden.

Im Projektmanagement sind fehlerhafte Zeitpläne, Inflation von Anforderungen, Mitarbeiterfluktuation, Spezifikationskollaps, geringe Produktivität und Gruppendruck/„group think“ typische Projektrisiken.

Produkt- und Medizinrisiken

Unter Produktrisiken versteht man Gefährdungen, die zu Lasten des Kunden (Ausfall, Versagen, Tod, Zerstörung) und damit auch zu Lasten des Herstellers (Haftung, Imageverlust, Wartungsaufwand) fallen können. Mithilfe eines systematischen Risikomanagementprozesses soll sichergestellt werden, dass Produktrisiken bereits bei der Entwicklung identifiziert, bewertet, kontrolliert und überwacht werden [siehe auch Produktsicherheitsgesetz (Deutschland)].

Bei der Entwicklung und Herstellung von Medizinprodukten müssen unter anderem die Methoden des Risikomanagements gemäß den Vorgaben der Norm EN ISO 14971 eingesetzt werden, um der zunehmenden Komplexität und der damit verbundenen Fehleranfälligkeit effektiv und sicher zu begegnen. Aspekte des Risikomanagements sollten über den gesamten System-Lebenszyklus, also beginnend mit dem Konzept, über die Entwicklung, Fertigung, Nutzung und in Verwendung mit anderen Medizinprodukten und während des Betriebes bis hin zur Entsorgung eines Medizinproduktes berücksichtigt werden.

Software-Risiken

Bei der Entwicklung und Implementierung von Informationssystemen werden zunehmend Methoden des Risikomanagements eingesetzt, um der Komplexität und der damit verbundenen Fehleranfälligkeit von Software-Produkten zu begegnen (siehe Softwaretechnik). Aspekte des Risikomanagements sollten über den gesamten System-Lebenszyklus, also beginnend mit dem Konzept, über die Entwicklung oder Programmierung, Implementierung und Konfiguration und während des Betriebes bis hin zur Stilllegung des Systems berücksichtigt werden.

Supply-Chain-Risikomanagement

Das Supply-Risk-Management ist ein Teilbereich des Risikomanagements, das sich mit der Identifikation, Analyse und Kontrolle von auftretenden Gefahren im Beschaffungsumfeld eines Unternehmens beschäftigt.

Die Risiken bestehen in Störungen und Verzögerungen der Flüsse innerhalb des Güter-, Informations- und Finanznetzes sowie des sozialen und institutionellen Netzes (Absatzketten, Lieferketten).

Beschaffungs- und Logistikrisiken

Aufgrund von Abhängigkeiten von Zulieferern können sich unvorteilhafte Zielabweichungen ergeben. Geeignete Gegenmaßnahmen können sein: Vertragliche Bindung von Lieferanten, Lieferantenrating, Rückwärtsintegration oder Just-in-time-Vertrag. Daneben existiert ein Beschaffungspreisrisiko, das durch vertragliche Preisfixierung, Preisgleitklauseln in Verträgen mit Kunden oder Termingeschäfte auf Rohstoffmärkten gesteuert werden kann. Während der Lagerdauer besteht ein Lagerrisiko.

Reifegradmodelle des Risikomanagements

Definition

„Ein Reifegradmodell beschreibt die Reife eines Betrachtungsfeldes hinsichtlich einer bestimmten Methode oder eines Handlungs- bzw. Führungsmodells.“ Für die Erreichung eines Reifegrades müssen gewisse Anforderungen erfüllt werden sowie alle vorhergehenden Stufen erreicht sein. Reife wird nach Rosemann und De Bruin definiert als „a measure to evaluate the capabilities of an organisation“ – ein Maß, um die Fähigkeiten einer Organisation zu bewerten.

Reifegradmodelle des Risikomanagements dienen der Bewertung des Risikomanagementsystems im Unternehmen und ermöglichen einen Vergleich mit anderen Unternehmen (Benchmarking). Sie bestehen aus Reifegradstufen, Dimensionen und Bewertungsinstrumenten. Eine Entwicklung kann top-down oder bottom-up erfolgen. Bei top-down gibt es feste Reifegradstufen, die mit weiteren Eigenschaften präzisiert werden. Beim bottom-up werden zuerst Eigenschaften und Bewertungselemente definiert und später in Reifegrade gruppiert. Dafür werden zum Beispiel Kreativitätstechniken, Delphi-Methode oder Fokusgruppenbefragung verwendet.

6 Stufen des Risikomanagements nach Gleißner und Mott

In diesem Modell gibt es 6 Entwicklungsstufen:

Stufe 1 – kein Risikomanagement

Die Unternehmensführung hat ein unzureichendes Risikobewusstsein und somit kein systematisches Vorgehen im Umgang mit Risiken. Unternehmerische Entscheidungen, als Reaktion auf Gefahren, finden nur sporadisch statt.

Stufe 2 – Schadensmanagement

Die Existenz bestimmter Risiken ist bekannt. Es werden bewusst Maßnahmen eingeleitet, die Gefahren verhindern sollen. Regelungen, wie Umweltschutz und Arbeitsschutz, finden dabei auch Berücksichtigung. Bei selteneren und größeren Risiken werden Versicherungen abgeschlossen, um Schäden zu minimieren. Zur Gefahrenbeurteilung wird kein spezifisches Instrument eingesetzt und Risikomaßnahmenpläne werden in „Silos“ (abgeschotteten Teams) bearbeitet.

Stufe 3 – Regulatorisches Risikomanagement („KonTraG-Risikomanagement“)

Das Unternehmen besitzt ein kontinuierliches Risikomanagementsystem. Risiken werden ständig überwacht und bewertet. Die Gesamtheit der Risiken bilden das sog. Risikoinventar. Informationen wie Umfang, Verantwortlichkeit und Turnus werden gemäß dem KonTraG schriftlich fixiert. Für die wichtigen Risiken werden Risikobewältigungsstrategien entwickelt, dafür werden die Risiken hinsichtlich der Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit quantifiziert und bewertet. Am Ende erfolgt eine einfache Risikoaggregation.

Stufe 4 – Ökonomisches, entscheidungsorientiertes Risikomanagement

Als Risiken werden sowohl Gefahren (negative Abweichungen) als auch Chancen (positive Abw.) betrachtet. Es existiert ein umfassendes, Software gestütztes Risikomanagementsystem im Unternehmen, basierend auf einem starken Risikobewusstsein der Unternehmensführung. Durch Aggregation der Einzelrisiken wird ein Gesamtrisikoumfang berechnet. Mittels der Monte-Carlo-Simulation können „bestandsbedrohende Entwicklungen“ nach Kombination von Einzelrisiken deutlich gemacht werden. Ziel ist es ein flexibles und bewegliches Risikomanagement zu schaffen, welches mit der Strategieentwicklung eng verknüpft ist. Im Idealfall soll es sich an unvorhergesehene Entwicklungen anpassen. Risiken sollten so eingeschätzt werden, dass ein Unternehmen auch bei Marktschwankungen liquide bleibt und sein Rating beibehalten kann. Dies kann durch Abwägen von möglichen Risiken und Erträgen mittels Kapitalmarktmodellen (z. B. CAPM) erfolgen. Nicht nur in Hinsicht auf die Kostenreduzierung sollte das Unternehmen überlegen, ob es Unternehmensaktivitäten auslagert, sondern auch in Bezug auf die damit verbundene Risikosenkung. Diese Risikosenkung erfolgt auch bei einer breiten Diversifikation des Portfolios und einer Verlust- und Haftungsbeschränkung.

Stufe 5 – Integriertes wertorientiertes Risikomanagement

Der Risikomanagement-Prozess ist mit der operativen Ebene des Unternehmens eng verknüpft. Alle Planungen können Risiken zugeordnet werden (stochastische Planung), sodass sich daraus eine Planungssicherheit ermitteln lässt. Daraus kann das Unternehmen den Wertbeitrag berechnen, „was eine am Unternehmenswert orientierte Optimierung der Risikobewältigung“ ermöglicht und womit strategische Züge in Bezug auf Risiken bewertet werden können. Die Hypothese eines vollkommenen Kapitalmarktes wird verworfen und durch die realitätsnahe Betrachtung eines unvollkommenen Kapitalmarktes ersetzt. Alle Risiken, die bewertungsrelevant sind, werden berücksichtigt („Risikodeckungssatz“). Zum Bewerten und zur Portfoliooptimierung werden Risikomaße, wie Eigenkapitalbedarf, Ausfallwahrscheinlichkeit und Value-at-Risk verwendet.

Stufe 6 – Embedded Risikomanagement (holistisch)

Die Bewertung des risikogerechten Ertragswertes oder des Risikonutzens spiegelt die Risikopräferenz des Eigentümers wider und bildet die Grundlage für strategische und operative Entscheidungen. Die Risikoanalyse beinhaltet die ex ante Integration unternehmerischer Reaktionsmöglichkeiten auf die Entwicklung von Zielgrößen und exogenen Risikofaktoren. Metarisiken, d. h. Unsicherheiten und Reaktionen von Wettbewerbern, sowie andere „Verhaltensrisiken“ und „Managementrisiken“ werden ebenfalls in die Bewertung mit einbezogen. Das Risikomanagement ist fest in der Unternehmenskultur und im unternehmerischen Denken integriert, sodass jede Form von Management im Unternehmen als Risikomanagement angesehen wird.

Ein gutes Risikomanagement ist ein Erfolgsfaktor für jedes Unternehmen. Es sollten möglichst viele Mitarbeiter integriert werden um der Unternehmensführung die Möglichkeit zu geben Risiken richtig zu erfassen, die Erträge und Risiken richtig bewerten und in die Praxis umzusetzen. Das wird allerdings erst in der 4. Stufe erreicht. Die Geschäftsführung muss „Oberster Risikomanager“ sein, weil sie maßgebliche Entscheidungen über den Risikoumfang trifft. Hierbei sollten Strategien und feste organisatorische Muster und Methoden angewandt werden, um sicherzustellen, dass mögliche „bestandsbedrohende Entwicklungen“ bereits früh erkannt werden.

Mathematische Größen im Risikomanagement

Psychologische Aspekte des Risikomanagements

Risikowahrnehmung

Bei der subjektiven Einschätzung, wie relevant und wahrscheinlich ein Risiko ist, spielen die psychologischen Aspekte eine bedeutende Rolle. Die Risikowahrnehmung ist u. a. abhängig von persönlichen Erfahrungen, Erziehung, Moralvorstellung oder dem Bildungshintergrund. Die intuitive Risikowahrnehmung ist gleichzusetzen mit dem wahrgenommenen Risiko.

Die Risikowahrnehmung ist beeinflusst durch qualitative Risikomerkmale. Die Eigenschaften der Risikoquelle beachten das Ausmaß der Folgen sowie die Gewöhnung an diese Quelle. Die Eigenschaften der Risikosituation behandeln die persönliche Kontrollmöglichkeit und die Eindeutigkeit der Gefahreninformation. Der Mensch strebt nach Sicherheit und vollkommener Kontrolle. Es fällt ihm schwer, eine Risikoeinschätzung rein rational und objektiv vorzunehmen. Zu unterscheiden ist in das intuitive sowie rationale Denken.

Das intuitive Denken erfolgt schnell und häufig unterbewusst, es wird nicht willentlich gesteuert. Die zu behandelnden Probleme sind bekannt und können deshalb spontan und mit dem vorhandenen Wissen gelöst werden. Entscheidungen kosten wenig Anstrengung. Aus mangelnder Erfahrung benötigt das rationale Denken mehr Zeit und erzeugt eine bewusste, kognitive Anstrengung. Um eine Fragestellung lösen zu können, ist gezielte Konzentration notwendig. Ursachen von Fehlhandlungen und subjektive Bewertungen von Risiken können mit Hilfe der Strukturlegetechnik abgebildet und kommunikativ evaluiert werden.

Entscheidungstheorie unter psychologischen Gesichtspunkten

Die Entscheidungstheorie geht davon aus, dass Entscheidungen rational getroffen und Informationen in unbegrenzter Größe aufgenommen und verarbeitet werden können. Emotionale, zufällige Entscheidungen werden außen vor gelassen. Es geht somit verstärkt darum vorzugeben, wie eine Entscheidung getroffen werden soll, nicht wie die Umsetzung in der Realität aussieht. Der Homo oeconomicus gilt im Modell als idealer Entscheider. Er entscheidet sich anhand seiner persönlichen Präferenzen und vorliegender Restriktionen.

Abweichend von der Theorie des Homo oeconomicus agiert der wirtschaftlich handelnde Mensch nicht vollständig rational und ist nicht vollständig informiert. Seine Präferenzen verändern sich mit der Zeit und damit auch seine Handlungen. Die persönlichen Ziele sind nur schwer messbar, ihre Entstehung und Veränderung wird nicht erklärt.

Problemlösungen werden durch heuristische Strategien bewältigt. Hierbei geht es um die Befriedigung der Ansprüche, nicht um die Erreichung des Optimums. Die meisten Entscheidungen werden intuitiv gefällt, um Komplexität zu reduzieren. Die Prospect Theory beschreibt das risikoscheue Verhalten bei Gewinnchancen sowie ein risikofreudiges Verhalten bei möglichen Verlusten. Bei kognitiven Heuristiken werden gut zugängliche, vorhandene Informationen genutzt, um einen Sachverhalt unter geringem Aufwand einzuschätzen. Sogenannte Biases bezeichnen Fehlurteile, die auf Basis dieser Faustregeln getroffen werden.

Die Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten und die Vorhersage von Werten unterscheiden Kahneman und Tversky drei Heuristiken:

  • Repräsentativitätsheuristik: Es wird die Übereinstimmung einer Kategorie bzw. Klasse mit einer Stichprobe überprüft. Die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit steigt mit der Anzahl der zutreffenden Eigenschaften des speziellen Sachverhaltes mit dem klassischen Fall. Basisraten werden zu Gunsten von konkreten Informationen zum Einzelfall vernachlässigt, was zu Fehlentscheidungen führen kann.
  • Verfügbarkeitsheuristik: Je einfacher Informationen zugänglich und abrufbar sind, desto wahrscheinlicher ist eine Entscheidungsfindung anhand der bekannten Beispiele. Ein Ereignis, das leicht im Kopf aufrufbar ist, scheint besonders häufig einzutreten. Die Beurteilung anhand von Erfahrungen kann durch mediale oder persönliche Einflüsse verfälscht werden.
  • Ankerheuristik/Anpassungsheuristik: Als Ausgangswert für eine Entscheidung dient ein Anker, der im weiteren Verlauf durch Umgebungseinflüsse verändert und angepasst wird. Es handelt sich um eine Urteilsheuristik, bei der das Ergebnis eine Verzerrung in Richtung des Startwertes enthält.

Umgang mit Risiken

Die persönliche Einschätzung eines Risikos variiert stark, weshalb keine Standardisierung des Umfangs möglich ist. Um eine Einschätzung vornehmen zu können, müssen Risiken erfasst und Konsequenzen gesammelt werden, um abschließend die Eintrittswahrscheinlichkeiten abzuschätzen. Das menschliche Unterbewusstsein wird dabei durch Erfahrungen bei der Entscheidungsfindung beeinflusst. Je leichter verfügbar Informationen bezüglich eines Risikos sind, desto wahrscheinlicher erscheinen sie. Risiken, die stärker thematisiert werden, werden somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eingeschätzt, obwohl die Fakten dagegen sprechen.

Wenn ein Risiko beurteilt werden soll, erfolgt häufig ein Vergleich mit ähnlichen Risiken und ihren Wahrscheinlichkeiten. Das zu treffende Ergebnis wird durch bekannte Skalen beeinflusst.

Stereotype führen dazu, dass die Basisrate ausgeblendet wird und wahrgenommene Faktoren die Beurteilung des Risikos verzerren. Aus der risikoaversen Einstellung heraus ignorieren Menschen Risiken und wägen sich in Sicherheit. Eintretende Konsequenzen werden stärker fokussiert als Eintrittswahrscheinlichkeiten. Bei potentiell höheren Gewinnmöglichkeiten werden die Wahrscheinlichkeiten für deren Eintritt eher ausgeblendet, ebenso wie das Schadensausmaß wichtiger als die Wahrscheinlichkeit ist. Um ein Nullrisiko zu erreichen, werden durch Unternehmen große Investitionen getätigt. Um ein Risiko möglichst genau abzuschätzen, vertraut man auf Urteile durch Experten und Autoritäten. Expertenkompetenzen werden gern überschätzt. Hierbei wird oft vernachlässigt zu prüfen, ob die Informationen verlässlich, relevant für die Risikobewertung sind und auf einer stabilen Regelmäßigkeit beruhen. Eine andere Verfälschungs- und Vereinfachungstechnik beruht darauf, dass komplexe Fragestellungen zu einfach beantwortet und potentielle Risiken übersehen werden. Heuristiken werden genutzt, um die begrenzten kognitiven Ressourcen bestmöglich zu nutzen.

Generell ist im Umgang mit Risiken in folgende Strategien zu unterscheiden:

  • Vermeidung von Risiken
  • Risikoreduktion
  • Risikooptimierung
  • Risikotransfer
  • Festhalten an Risikostruktur.

Entscheidungstypen

Übertragen aus dem Bereich der Anlegertypologie gibt es bei risikobehafteten Entscheidungen drei Typen:

  • Bauchmensch: Das intuitive Handeln lässt sich auf Basis einer risikofreudigen Risikoeinstellung erklären. Innerhalb kurzer Zeit können Entscheidungen getroffen werden.
  • Herzmensch: Die menschlichen Emotionen prägen sein Handeln stark. Vor allem positive Gefühle werden verstärkt zum Ausdruck gebracht, negative hingegen versucht zu unterdrücken. Er versucht zu vermeiden Entscheidungen alleine treffen zu müssen und zu viel Verantwortung zu tragen.
  • Kopfmensch: Ein breites Wissen soll dabei helfen, Gefahren unter Kontrolle zu behalten. Ursache, Wirkung und deren Zusammenhang besitzen Vorrang bei der Entscheidungsfindung, um das Risiko bestmöglich kontrollieren zu können.

Literatur

  • Peter Albrecht, Raimond Maurer: Investment- und Risikomanagement – Modelle, Methoden, Anwendungen. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-7910-3604-5 (E-Book-ISBN 978-3-7910-3605-2).
  • Marc Diederichs: Risikomanagement und Risikocontrolling : Risikocontrolling – ein integrierter Bestandteil einer modernen Risikomanagement-Konzeption. (= Controlling Praxis). Vahlen, München 2004, ISBN 3-8006-3084-2.
  • Roland Erben, Frank Romeike: Allein auf stürmischer See. Wiley-VCH, 2004, ISBN 3-527-50073-1.
  • Christoph Gebler: Risikomanagement und Rating für Unternehmer. Beuth, 2005, ISBN 3-410-16110-4.
  • Werner Gleißner: Grundlagen des Risikomanagements. 3. Auflage. Vahlen, 2017, ISBN 978-3-8006-3767-6.
  • John C. Hull: Risikomanagement – Banken, Versicherungen und andere Finanzinstitutionen. Pearson Studium, München 2011, ISBN 978-3-86894-043-5.
  • Detlef Keitsch: Risikomanagement. Schäffer-Poeschel, 2004, ISBN 3-7910-2295-4.
  • C. Locher, J. I. Mehlau, R. Hackenberg, O. Wild: Risikomanagement in Finanzwirtschaft und Industrie. 2004.
  • Frank Romeike, Peter Hager: Erfolgsfaktor Risiko-Management 2.0. 2. Auflage. Gabler-Verlag, 2009, ISBN 978-3-8349-0895-7.
  • Thomas Wolke: Risikomanagement. 3., vollständig überarbeitete, erweiterte und aktualisierte Auflage. De Gruyter, Berlin / Boston 2016, ISBN 978-3-11-035386-0, doi:10.1515/9783110353877.
  • Worst Case. Zwischen Angst, Alarm und Gelassenheit. Themenheft der Schweizer Monatshefte. September/Oktober 2006.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Robert Schmitt/Tilo Pfeifer, Qualitätsmanagement: Strategien – Methoden – Techniken, 2015, S. 363
  2. Nikolaus Raupp, Das Entscheidungsverhalten japanischer Venture-Capital-Manager unter dem Einfluss der Risikowahrnehmung im Verbund mit anderen Faktoren, 2012, S. 27
  3. Frank Romeike (Hrsg.): Erfolgsfaktor Risiko-Management, 2004, S. 165
  4. MQ - Management und Qualität 5-2008, Bruno Brühwiler: Neue Standards im Risikomanagement: ISO/DIS 31000 und ONR 49000:2008 Neue Standards im Risikomanagement (Memento vom 3. März 2011 im Internet Archive) , archiviert vom Original (PDF; 166 kB) auf qm-aktuell.de
  5. St. Mayer, DNV Business Assurance Germany GmbH: 6 Schritte im Risikomanagement, Eine Ableitung zum Risikomanagement nach ISO 31000:2009 (Memento vom 20. September 2012 im Internet Archive) am 14. Juni 2011, archiviert vom Original (PDF 5 MB) auf vdi-saar.de
  6. ISO/IEC Guide 51:1999, Begriff 3.12.
  7. 1 2 DIN EN ISO 14971:2009-10: Medizinprodukte – Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte.
  8. 1 2 3 4 5 6 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Risikomanagement im Rahmen der Störfall-Verordnung, SFK-GS-41.
  9. Karl Hartung, Felix Walther: Realitätsgesinnung. (Memento vom 21. Juli 2015 im Internet Archive) In: Business Intelligence Magazine. Nr. 3/2014.
  10. A. Schlagbauer: Gefahrenanalyse mittels HAZOP anhand eines Beispiels. (Memento vom 13. April 2016 im Internet Archive) Universität Paderborn, Informatik AG Schäfer.
  11. H. Ketterer: Risikomanagement ISO/DIS 31000:2008-04, Herausforderung und Chance für KMU. DGQ Regionalkreis Ulm, 3. Februar 2009. cdn.b-ite.de (PDF; 620 kB)
  12. BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978, Az.: 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 - Kalkar I.
  13. Axel Roebruck: Risikomanagement. Hrsg.: Springer. Straubenhardt 21. Juni 2018, S. 210.
  14. Ute Vanini: Risikomanagement. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2012, S. 228, 229.
  15. Thomas Hutzschenreuter: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 3. Auflage. Gabler, Wiesbaden, 2009, ISBN 978-3-8349-1593-1, S. 80.
  16. bundesbank.de (Memento vom 19. Februar 2014 im Internet Archive), Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), 14. Dezember 2012.
  17. bundesbank.de (Memento vom 19. Februar 2014 im Internet Archive), Rundschreiben 10/2012 (BA) vom 14. Dezember 2012 Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk.
  18. 1 2 bundesbank.de (Memento vom 19. Februar 2014 im Internet Archive), BaFin - Anlage 1: Erläuterungen zu den MaRisk in der Fassung vom 14. Dezember 2012 - Seite 1 von 64.
  19. Charles Perrow: Normal Accidents, Living with High Risk Technologies. Basic Books, USA 1984.
  20. Springer Fachmedien Wiesbaden (Hrsg.): Kompakt-Lexikon Management, 2013, S. 383
  21. Wilfried Polin, Christian Sierpinski: Sicherheitsmanagement vs Risikomanagement. (PDF; 0,3 MB)
  22. ACRP Report 1: Safety Management Systems for Airports. Volume 1: Overview, Transportation Research Board. Washington, D.C., 2007. onlinepubs.trb.org (PDF; 1,6 MB)
  23. S. Rogler: Risikomanagement im Industriebetrieb: Analyse von Beschaffungs-, Produktions- und Absatzrisiken. Habilitationsschrift. DUV, Wiesbaden 2002, ISBN 3-8244-9084-6.
  24. Hans-Christian Pfohl/Philipp Gallus/Holger Köhler: Risikomanagement in der Supply Chain. Status Quo und Herausforderungen aus Industrie-, Handels- und Dienstleisterperspektive. In: Hans-Christian Pfohl (Hrsg.): Sicherheit und Risikomanagement in der Supply Chain. Gestaltungsansätze und praktische Umsetzung. Hamburg 2008, ISBN 978-3-87154-387-6, S. 95–147.
  25. Frederik Ahlemann/Frank Teuteberg/Christine Schroeder: Kompetenz- und Reifegradmodelle für das Projektmanagement. Grundlagen, Vergleich und Einsatz. In: ISPRI-Arbeitsbericht. Nr. 01, 2005.
  26. Michael Rosemann/Tonia De Bruin: Towards a business process management maturity model. In: 13th European conference on in- formation systems (ECIS2005),. Regensburg 2005, S. 1.
  27. Frederik Marx: Ein Reifegradmodell für Unternehmenssteuerungssysteme. In: Wirtschaftsinformatik. Nr. 04, 2012, S. 189190.
  28. 1 2 3 W. Gleißner, B. Mott: Risikomanagement auf dem Prüfstand – Nutzen Qualität und Herausforderungen in der Zukunft. In: ZRFG (Zeitschrift für Risk, Fraud & Governance). Nr. 02, 2008, S. 5563.
  29. 1 2 W. Gleißner: Serie Risikomaße und Bewertung: Teil 1: Grundlagen – Entscheidungen unter Unsicherheit und Erwartungsnutzentheorie. In: RISIKO-MANAGER. Nr. 12, 2006.
  30. 1 2 Werner Gleißner: Reifegradmodelle und Entwicklungsstufen des Risikomanagements: ein Selbsttest. In: Controller Magazin. Nr. 06, 2016, S. 31  36.
  31. Klaus-Rainer Müller: Reifegradmodell des RiSiKo-Managements. In: Handbuch Unternehmenssicherheit. Springer Vieweg, Wiesbaden 2015, S. 520522.
  32. Werner Gleißner: Der Faktor Mensch - Psychologische Aspekte des Risikomanagements. In: Zeitschrift für Versicherungswesen. Heft 10, Mai 2004, S. 285–288.
  33. Ottfried Renn, Pia-Johanna Schweizer, Marion Dreyer, Andreas Klinke: Risiko. Über den gesellschaftlichen Umgang mit Unsicherheit. Oekom, München 2007, ISBN 978-3-86581-067-0.
  34. 1 2 Eric Eller, Bernhard Streicher, Eva Lermer: Psychologie und Risikomanagement: Warum wir Risiken falsch einschätzen. In: Risiko Manager. Nr. 23, 2012.
  35. Hans-Jürgen Weißbach u. a.: Technikrisiken als Kulturdefizite. Berlin 1994, S. 91 ff. ISBN 3-89404-375-X
  36. Werner Gleißner: Faustregeln für Unternehmer. 1. Auflage. Gabler, 2000, ISBN 3-409-18688-3.
  37. Werner Gleißner, Peter Winter: Der Risikomanagementprozess als Problemlösungsprozess – eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive. In: V. Lingnau, A. Becker (Hrsg.): Die Rolle des Controllers im Mittelstand. Josef Eul Verlag, 2008, S. 221–244.
  38. Amos Tversky, Daniel Kahneman: Judgment under Uncertainty - Heuristics and Biases. In: Science, New Series. Vol. 185, No. 4157, 1974, S. 1124–1131.
  39. Sebastian Festag: Umgang mit Risiken. Qualifizierung und Quantifizierung. 1. Auflage. Beuth Verlag, 2014, S. 6.
  40. Roland Eller: Kompaktwissen Risikomanagement. Nachschlagen, verstehen und erfolgreich umsetzen. 1. Auflage. Springer Gabler, 2010, ISBN 978-3-8349-8894-2.
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