Rolf Heinrich Mützenich (* 25. Juni 1959 in Köln) ist ein deutscher Politiker (SPD). Er ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 2019 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.

Herkunft, Studium und Privates

Rolf Mützenich, Sohn einer Arbeiterfamilie, begann nach dem Abitur 1978 im Jahr 1979 ein Studium der Politikwissenschaft, der Geschichte und der Wirtschaftswissenschaft, das er 1990 als Diplom-Politikwissenschaftler beendete. Neben dem Studium organisierte er für Kölner Landtags- und Bundestagsabgeordnete Wahlkämpfe und ihre Büroarbeit, zum Beispiel für Konrad Gilges, seinen unmittelbaren Vorgänger im Wahlkreis. 1991 erfolgte seine Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Bremen mit der Arbeit Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik – historische Erfahrungen, Rahmenbedingungen, Perspektiven.

Mützenich ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Politische Laufbahn

Landespolitik (1991 bis 2002)

Nach seiner Promotion 1991 trat Mützenich als Referent in den Dienst des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen ein. Ab 1993 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen tätig, bis er 1998 als Leiter des Referats Grundsatzfragen der Landessozialpolitik in das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen zurückkehrte. Von 2001 bis 2002 war er schließlich Leiter des Büros des nordrhein-westfälischen Landtagspräsidenten Ulrich Schmidt.

Bundespolitik (seit 2002)

Seit 2002 ist Mützenich Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier war er von Januar bis November 2005 Sprecher der Arbeitsgruppe „Abrüstung und Rüstungskontrolle“ der SPD-Bundestagsfraktion. In der SPD-Bundestagsfraktion gehört er der Parlamentarischen Linken an. Nachdem er von 2009 bis 2013 außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion war, wurde er 2013 stellvertretender Fraktionsvorsitzender für den Bereich Außen-, Verteidigungs- und Menschenrechtspolitik. Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles übernahm er am 4. Juni 2019 als dienstältester Stellvertreter kommissarisch den Fraktionsvorsitz und wurde am 24. September 2019 mit 97,7 Prozent der Stimmen zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Nach der Bundestagswahl 2021 wurde Mützenich am 29. September 2021 erneut mit 97 Prozent zum Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gewählt.

Von November 2005 bis November 2009 war Mützenich Vorsitzender der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe und Sprecher des SPD-Fraktionsgesprächskreises „Naher und Mittlerer Osten“. Von 2009 bis 2013 war er Vorsitzender der Deutsch-Japanischen Parlamentariergruppe. Außerdem ist er ehrenamtliches Mitglied im Vorstand der Friedrich-Ebert-Stiftung, im Stiftungsrat der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin und Vorsitzender des Kuratoriums des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln.

Mützenich ist stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Köln III in den Bundestag eingezogen. Bei der Bundestagswahl 2002 erhielt er 50,3 % und 2005 50,5 %. Bei der Bundestagswahl 2009 erhielt er dort 35,9 % der Erststimmen, bei der Bundestagswahl 2013 39,32 %, bei der Bundestagswahl 2017 32,3 %, und bei der Bundestagswahl 2021 29,9 %. Nach der Wahl 2021 war Mützenich für das Amt des Bundestagspräsidenten im Gespräch, dessen Besetzung der SPD als stärkster Kraft im Parlament zustand; die Entscheidung fiel aber letztlich auf Bärbel Bas.

Im 19. Deutschen Bundestag war Mützenich ordentliches Mitglied im Gemeinsamen Ausschuss und gehörte als stellvertretendes Mitglied dem Vermittlungsausschuss an.

Mützenich geriet im Mai 2020 in die Kritik, nachdem er die Bundestagsabgeordnete Eva Högl (SPD) als Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages vorgeschlagen hatte. Kritisiert wurde, dass diese den bisherigen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD) ersetzte, der parteiübergreifend Respekt in diesem Amt hatte. Högls Nominierung wurde kritisiert, weil sie damals keine Erfahrung in den Bereichen Bundeswehr und Verteidigungspolitik hatte.

Partei

Als Kind war er bei der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken (SJD – Die Falken) und schon als Schüler wurde Mützenich mit dem 16. Lebensjahr 1975 Mitglied der SPD. Er engagierte sich zunächst bei den Jusos und war zuletzt stellvertretender Vorsitzender im Unterbezirk Köln. Von 1989 bis 1993 gehörte Mützenich der sicherheitspolitischen Kommission des SPD-Bundesvorstandes und von 2001 bis 2005 der Bundeskontrollkommission der SJD – Die Falken an.

Positionen zum Krieg in der Ukraine

Im Mai 2021 kritisierte Mützenich den Grünen-Politiker Robert Habeck scharf. Dessen Forderung nach Defensivwaffen für die Ukraine sei ein Zeichen dafür, dass Habeck blauäugig sei oder sich im Wahlkampf um ein neues Image bemühe. Die Grünen seien nicht regierungsfähig und unaufrichtig. Habeck gieße mit seiner Forderung Öl ins Feuer; als ehemaliger Landesumweltminister verkenne er die innere Situation in der Ukraine und das in der Region nötige komplexe Krisenmanagement.

Kurz vor dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine äußerte er, dass er die „russische Bedrohungsanalyse“ nicht teile, aber verstehe. Man brauche eine Sicherheitsarchitektur in Europa, die Militärbündnisse überwinde und Russland einschließe, auch wenn das momentan „illusorisch“ erscheine. Die NATO sei keine Garantie für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, wie die Beispiele Ungarn, Polen oder auch Trump gezeigt hätten. Russland habe „berechtigte Sicherheitsinteressen“, das müsse öffentlich anerkannt werden. Dies habe nichts mit der Ukraine zu tun, sondern „mit den USA, dem Wegfall von Rüstungsabkommen“. Es gehe um „Deeskalation“, man hätte „Angebote im Bereich der Abrüstung und Rüstungskontrolle“ und in Stationierungsfragen und Vertrauensbildung. Das Zentrum gegen Desinformation des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine führt Mützenich auf einer Liste von Personen, deren „Narrative … mit der russischen Propaganda übereinstimmen“.

Nach Beginn der russischen Invasion äußerte er Zweifel am Verstand des russischen Präsidenten Putin. Dessen Verhalten sei „komplett irrational“. Er wies Vorwürfe, die SPD sei zu naiv gewesen zurück, man sei ganz sicher nicht „gutgläubig“ gewesen. Aber es sei zu „konstatieren, dass wir uns in Putin getäuscht und ihn für einen rationalen Akteur gehalten haben“.

Er bekräftigte „grundsätzliche Zweifel“ am Konzept atomarer Abschreckung, in den Jahren zuvor hatte er ein Sicherheitssystem ohne solche Abschreckung und ohne NATO gefordert. Er kritisierte die von den Abgeordneten Michael Roth, Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Anton Hofreiter bei einer Reise in die Ukraine erhobene Forderung nach Lieferungen schwerer Waffen. Es könne richtig sein, sich in der Ukraine selbst ein Bild über die Lage zu machen, es sei jedoch falsch, dann „beispiellose Entscheidungen zu fordern“, die man nicht selbst verantworten müsse. Er warf Kritikern aus den Reihen der Koalition vor, dass es ihnen nur „am Rande“ um die Ukraine gehe, Deutschland handele im Einklang mit Partnerländern und verantwortungsvoll, man müsse aber den Eindruck vermeiden, selber Kriegspartei zu sein und dürfe auch nicht die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gefährden. Er fordere von der SPD-Fraktion Geschlossenheit.

Anfang 2023 kritisierte er im Zusammenhang der Debatte um die Freigabe bzw. Lieferung von Leopard 2 an die Ukraine die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Strack-Zimmermann scharf, diese und andere „reden uns in eine militärische Auseinandersetzung hinein. Dieselben, die heute Alleingänge mit schweren Kampfpanzern fordern, werden morgen nach Flugzeugen oder Truppen schreien“. Sicherheitspolitik sei nicht auf Waffenlieferungen reduzierbar, Deutschlands Führungsrolle zeige sich auf unterschiedlichen Feldern der Hilfs- und Unterstützungsleistungen für die Ukraine. „Gleichzeitig tragen wir mit einer verantwortungsvollen Politik mit dazu bei, einen neuen Kalten Krieg zu verhindern. Eine solche Epoche darf nicht wieder die internationale Ordnung prägen.“ Strack-Zimmermann warf ihm daraufhin im Bundestag vor, das „Sinnbild aller zentralen Verfehlungen deutscher Außenpolitik“ zu sein. Er sei „nicht mehr in der Lage, sein Weltbild der Realität anzupassen.“

Publikationen

  • Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik. Historische Erfahrungen, Rahmenbedingungen, Perspektiven. Frankfurt am Main [u. a.] (Lang), 1991. ISBN 3-631-43815-X
  • Die atomare Gefahr wächst, in: Detlev Albers, Andrea Nahles (Hrsg.): Linke Programmbausteine. Denkanstöße zum Hamburger Programm der SPD. Berlin (Vorwärts-Buch-Verl.), 2007. S. 40–44 ISBN 3-86602-020-1
  • Ist die Zeit reif für eine »linke« Außenpolitik? Gemeinsamkeiten, Hindernisse und Unterschiede, in: Paul Schäfer (Hrsg.): In einer aus den Fugen geratenden Welt. Linke Außenpolitik? Eröffnung einer überfälligen Debatte. Hamburg (VSA Verlag), 2014. S. 228–238 ISBN 978-3-89965-606-0
  • Die Rückkehr der „Geopolitik“. Zur Neuvermessung der Macht im internationalen Staatensystem. in: Hendrik W. Ohnesorge (Hrsg.), Macht und Machtverschiebung. Schlüsselphänomene internationaler Politik. Festschrift für Xuewu Gu zum 65. Geburtstag. Berlin, Boston (De Gruyter Oldenbourg), 2022. ISBN 978-3-11-079502-8
Commons: Rolf Mützenich – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Gewählte 'M' - Der Bundeswahlleiter. Abgerufen am 25. September 2022.
  2. Wolfgang Michal: Stur für die Entspannung, der Freitag, Nr. 20, 14. Mai 2020, S. 2.
  3. Mitglieder der Parlamentarischen Linken. Abgerufen am 9. Juni 2018.
  4. Mützenich übernimmt Fraktionsvorsitz kommissarisch. In: sueddeutsche.de. 4. Juni 2019, abgerufen am 4. Juni 2019.
  5. Mützenich mit 97,7 Prozent der Stimmen zum SPD-Fraktionsvorsitzenden gewählt. In: welt.de. 24. September 2019, abgerufen am 24. September 2019.
  6. Mit 97 Prozent gewählt: Mützenich bleibt SPD-Fraktionsvorsitzender. In: vorwaerts.de. 29. September 2019, abgerufen am 16. Oktober 2021.
  7. Deutscher Bundestag: Web-Archiv. Abgerufen am 10. Februar 2020.
  8. Mützenich, Dr. Rolf. In: Deutscher Bundestag. (bundestag.de [abgerufen am 14. November 2016]).
  9. Deutsch-Japanische Parlamentariergruppe (Memento vom 2. November 2013 im Internet Archive)
  10. Rolf Mützenich: https://www.rolfmuetzenich.de/
  11. Stadt Köln: Bundestagswahl 2013 (Memento vom 5. Januar 2014 im Internet Archive)
  12. Internetauftritt des Bundeswahlleiters (Memento vom 26. September 2017 im Internet Archive)
  13. Bundeswahlleiter: Ergebnisse der Bundestagswahl 2021 Wahlkreis 095. Abgerufen am 14. Oktober 2021.
  14. Einer bringt sich in Stellung für das zweithöchste Amt im Staat. In: welt.de. 7. Oktober 2021, abgerufen am 16. Oktober 2021.
  15. https://www.sueddeutsche.de/meinung/spd-bundestagspraesident-rolf-muetzenich-1.5442640 (Kommentar von SZ-Korrespondent Stefan Braun)
  16. Deutscher Bundestag - Abgeordnete. Abgerufen am 15. Oktober 2020.
  17. 'Um die Truppe geht es der SPD nicht'
  18. werk21: Beruflicher und politischer Werdegang. 22. September 2016, abgerufen am 9. August 2019.
  19. Habeck für Waffenlieferungen an die Ukraine – Mützenich widerspricht. In: Spiegel Online. 25. Mai 2021, abgerufen am 4. April 2023.
  20. Die SPD quält sich zur richtigen Haltung gegenüber Putin. In: Der Standard, 31. Januar 2022. Abgerufen am 21. April 2022 (österreichisches Deutsch).
  21. Stefan Reinecke: SPD-Fraktionschef über russische Ängste: „Die Nato bietet keine Garantie“. In: Die Tageszeitung: taz. 12. Januar 2022, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 24. April 2022]).
  22. Mützenich: Russische Sicherheitsinteressen öffentlich anerkennen. In: BR24. Bayerischer Rundfunk, 14. Februar 2022, abgerufen am 24. April 2022.
  23. Niklas Zimmermann: Kiew wirft Mützenich russische „Narrative“ vor. In: faz.net. Frankfurter Allgemeine, 28. Juli 2022, abgerufen am 6. November 2022.
  24. Mützenich: „Putin handelt komplett irrational“. Abgerufen am 24. April 2022.
  25. Mike Szymanski: Krieg in der Ukraine: Kritik an Mützenich aus den eigenen Reihen. In: Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 21. April 2022.
  26. David Schmitz: Kölner Rolf Mützenich: SPD-Fraktionschef stemmt sich gegen Waffenlieferungen. In: Kölnische Rundschau. 14. April 2022, abgerufen am 21. April 2022 (deutsch).
  27. Waffenlieferungen: Mützenich kontert Kritik mit deutlichen Worten. In: Vorwärts. 20. April 2022, abgerufen am 21. April 2022.
  28. RedaktionsNetzwerk Deutschland: Panzer-Debatte: Mützenich weist Kritik von Strack-Zimmermann zurück. Abgerufen am 23. Januar 2023.
  29. Strack-Zimmermann ätzt gegen Mützenich: „Ansichten von gestern“. 21. Januar 2023, abgerufen am 23. Januar 2023.
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