Roscoe Mitchell (* 3. August 1940 in Chicago, Illinois) ist ein US-amerikanischer Jazz-Musiker (Alt-, Tenor-, Sopran-, Bariton- und Basssaxophon, Klarinette, Flöte, Oboe, Perkussion, Gesang), Musikpädagoge und Komponist. Er steht mit seinem früher rauen und ironischen, später immer lyrischeren Ton und seinem Ideenreichtum für den Neuen Jazz.

Leben und Wirken

Geprägt von Kirchenmusik und Blues gleichermaßen, begann Mitchell mit elf Jahren an der Highschool Klarinette und Baritonsaxophon zu lernen. Seinen Militärdienst leistete er unter anderem in Heidelberg ab, wo er in einer Militärkapelle spielte; auch spielte er in dieser Zeit bei Sessions mit Albert Ayler. Anschließend arbeitete er mit Henry Threadgill und leitete seit 1961 in Chicago ein Hard-Bop-Sextett, das sich allmählich den neuen musikalischen Strömungen öffnete. Er wurde dann Mitglied von Muhal Richard AbramsExperimental Band und gehörte 1965 zu den Gründungsmitgliedern der Association for the Advancement of Creative Musicians (AACM), was ihm neue Wege freier Improvisation eröffnete. Mitchell war auch zehn Jahre an der AACM-Musikschule tätig. 1966 erschien sein Album Sounds (mit Lester Bowie und Malachi Favors). Als Joseph Jarman und Phillip Wilson (später Famoudou Don Moye) hinzukamen, entstand aus Mitchells Sextett die bis heute bestehende Band Art Ensemble of Chicago, eine der populärsten Gruppen der Jazz-Avantgarde. Darin setzte Mitchell, auf dessen Konzept die Gruppe beruhte, Stilmittel wie die Stille neben dem hochenergetischen Spiel ein und benutzte Kinderinstrumente wie auch Hörner, Klarinette, Flöte, Piccoloflöte, Oboe, sowie Bariton- und Basssaxophon.

Seitdem arbeitet er an einer grundlegenden Neuorientierung von Musik, wobei Technik, Struktur, Komposition und Improvisation vor allem auf Erforschung und Formung des Sounds zielen und letztlich auf Entfaltung und Platzierung von Klang im Raum vor dem Hintergrund der Stille sowie auf Zerlegung gegebener Materialien in ihre Elemente und deren Transformation gerichtet sind.

Mitchell spielte mit dem Art Ensemble, als Bandleader anderer Formationen sowie als Sideman über einhundert Alben ein. Unter eigenem Namen entstanden Alben für die Label Delmark, Nessa, Sackville, Moers Music, 1750 Arch, Black Saint, Cecma und Silkheart Records. Dabei arbeitete Mitchell in einem Spektrum von großen Ensembles bis hin zu unbegleiteten Solo-Konzerten, wie 1973/74 in den USA, Kanada und Finnland, außerdem 1977 im Duo mit Richard Teitelbaum und im Trio mit Joseph Jarman und Anthony Braxton auf dem Jazzfestival Moers. Mitchell betont das Nebeneinander von Improvisation und Komposition und greift auf „notierte Improvisationen“ zurück, um das Spiel aus den Routineabläufen zu befreien. Die Beschäftigung mit der Improvisation war für ihn auch aus einem anderen Grund wichtig: „Wenn man nicht wie ein Komponist denken kann, wird man nie lange Stücke konstruieren können.“ Bereits 1980 wurde an der San Francisco State University ein Cello-Quartett Mitchells uraufgeführt. Weitere Stücke für Kammerorchester sind in den nächsten Jahren entstanden, aber auch Bells of 59th Street für Altsaxophon und Gamelanorchester oder 9-9-99 für Violine und Klavier.

Nach seinen Tätigkeiten im Rahmen des AACM war Mitchell lange Zeit als Musikpädagoge aktiv; so arbeitete er von 1974 bis 1977 im Creative Arts Collective in East Lansing, in den 1970er- und 1980er-Jahren hielt er zahlreiche Workshops, u. a. an der University of Wisconsin und dem Banff Center in Alberta.

Preise und Auszeichnungen

Für seine Verdienste in der Musikpädagogik wurde Mitchell 1988 von der National Association of Jazz Education ausgezeichnet, 1991 wurde er mit dem Jazz Masters Award geehrt. 2014 erhielt er den mit $ 275.000 dotierten Doris Duke Artist Award. 2020 erhielt er den Titel des Jazz Master der National Endowment for the Arts und damit die höchste Auszeichnung des Jazz in den USA.

Diskographie (Auswahl)

Literatur

  • Christian Broecking, Jeder Ton eine Rettungsstation. Verbrecher Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-935843-85-0
  • Ian Carr, Digby Fairweather, Brian Priestley: Rough Guide Jazz. Der ultimative Führer zum Jazz. 1800 Bands und Künstler von den Anfängen bis heute. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2004, ISBN 3-476-01892-X.
  • Leonard Feather, Ira Gitler: The Biographical Encyclopedia of Jazz. Oxford University Press, New York 1999, ISBN 0-19-532000-X.
  • Martin Kunzler: Jazz-Lexikon. Band 2: M–Z (= rororo-Sachbuch. Bd. 16513). 2. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2004, ISBN 3-499-16513-9.
Commons: Roscoe Mitchell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Doris Duke Artist Award 2014 (Memento vom 24. April 2014 im Internet Archive) in JazzTimes
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.