Sägerochen

Der Sägerochen Pristis pristis im Georgia Aquarium in Atlanta.

Systematik
Klasse: Knorpelfische (Chondrichthyes)
Unterklasse: Euselachii
Teilklasse: Plattenkiemer (Elasmobranchii)
ohne Rang: Rochen (Batoidea)
Ordnung: Rhinopristiformes
Familie: Sägerochen
Wissenschaftlicher Name
Pristidae
Bonaparte, 1838

Sägerochen (Pristidae (Gr.: „pristis“ = Säge)), oft auch Sägefische genannt und von den Sägehaien zu unterscheiden, sind Rochen, die einen eher gestreckten, haiähnlichen Körper haben. Ihr auffallendstes Merkmal ist die „Säge“, ein knorpeliger, seitlich mit Zähnen besetzter Auswuchs des Kopfes, der mehr als 25 % der Gesamtlänge der Fische ausmachen kann. Die Säge dient dem Beutefang. Dazu schwimmen die Tiere in Fischschwärme und schlagen dann mit der Säge hin und her, um anschließend die verletzten Opfer zu fressen. Weiterhin wird sie benutzt, um in schlammigem Boden nach Weich- und Krebstieren zu wühlen. Die Säge dient auch als Sinnesorgan für elektromagnetische Signale, um Beutetiere aufzuspüren.

Merkmale

Sägerochen sind große Rochen und erreichen ausgewachsen eine Länge von 2,4 bis 5, nach einigen Berichten sogar 6 bis 8 Metern. Nur Pristis clavata bleibt mit 1,40 Meter eher klein. Der Körper ist leicht abgeflacht und haiartig. Der Schwanzstiel ist sehr kräftig, seitlich abgeflacht und verfügt über seitliche Kiele. Der Übergang vom Körper zum Schwanzstiel verläuft allmählich. Der Körper ist mit kleinen Placoidschuppen bedeckt. Größere Stacheln sind weder auf der Körperoberseite noch auf dem Schwanzstiel vorhanden. Der Kopf ist abgeflacht und trägt die namensgebende "Säge", ein stark verlängertes, flaches Rostrum, das zu beiden Seiten mit je einer Reihe von sägezahnartigen gleichförmigen Zähnen besetzt ist. Die Zähne sitzen in tiefen Sockeln, wachsen ständig weiter und werden bei Verlust durch nachwachsende ersetzt. Die Säge ist vor allem ein Sinnesorgan, um Beutetiere aufzuspüren, und dient daneben dazu, durch Stochern im Boden Nahrung aufzuscheuchen oder Schwarmfische durch wildes Hin- und Herschlagen bewegungsunfähig zu machen oder zu töten. Die Augen auf der Kopfoberseite befinden sich weit vor den Spritzlöchern. Auf der Kopfunterseite befinden sich auf jeder Seite fünf Kiemenspalten etwa auf Höhe der Mitte der Brustflossenbasis. Kiemenreusenstrahlen fehlen. Das Maul an der Kopfunterseite steht quer, ist gerade und ohne Gruben, Falten oder ähnliche Merkmale. Die Nasenöffnungen liegen vor dem Maul, stehen weit auseinander und sind deutlich vom Maul getrennt. Die vorderen Nasenklappen sind kurz, nicht miteinander verbunden und erreichen auch nicht das Maul. Die Kieferzähne sind sehr klein, von runder oder ovaler Form und ohne irgendwelche Spitzen. Sie sitzen in 60 oder mehr Reihen in jedem Kiefer, sind uniform und nicht plattenartig.

Die Brustflossen sind im Vergleich zu denen anderer Rochen relativ klein und nicht mit dem Rumpf zu einer Körperscheibe verwachsen. Sie setzen an den hinteren Kopfseiten hinter dem Maul an und enden deutlich vor dem Beginn der Bauchflossenbasis. Die Bauchflossen sind dreieckig und nicht in zwei Loben geteilt. Auf der Oberseite befinden sich zwei große und gleich große Rückenflossen, die sichelförmig oder dreieckig sein können. Sie stehen weit auseinander: die erste vor oder über der Bauchflossenbasis, die zweite auf dem Schwanzstiel. Die Schwanzflosse ist groß und ähnelt der der Haie. Sie ist asymmetrisch (heterocerk), die Wirbelsäule verläuft in der Schwanzflosse nach oben und stützt den oberen Lobus. Der untere Lobus kann mehr oder weniger gut entwickelt sein oder auch ganz fehlen. Sägerochen sind oberseits von gelblicher, brauner, grünlicher oder graubrauner Farbe, der Bauch ist weißlich. Weder auf dem Körper noch auf den Flossen finden sich Zeichnungen oder Markierungen irgendwelcher Art.

Sägerochen können nur mit Sägehaien (Pristiophoridae) verwechselt werden, die ebenfalls ein sägeartiges Rostrum haben. Diese leben jedoch eher in tieferen Meeresregionen und gemäßigten Breiten. Ihre Kiemenöffnungen befinden sich an den Kopfseiten und vor den Brustflossenbasen. Ihr Körper ist weniger abgeflacht, die Sägezähne am Rostrum sind kleiner und auch dessen Unterseite ist mit einer Reihe kleiner Zähne besetzt. In der Mitte des Sägehairostrums findet sich an den Seiten ein Paar langer Barteln.

Vergleich von Sägerochen und Sägehaien
Merkmale Sägerochen (Pristidae) Sägehaie (Pristiophoridae)
Kiemen: ventral (Kopfunterseite) lateral (Kopfseiten)
Barteln: keine Barteln ein Bartelpaar in der Mitte der Säge
Zähne an der Seite der Säge: gleich groß abwechselnd klein und groß
Habitat: küstennahes Flachwasser in größeren Tiefen der Schelfmeere
Größe: mittelgroß bis groß: 1,4 bis 7,50 m relativ klein bis mittelgroß: 60 cm bis 1,70 m

Vorkommen

Sägerochen leben in tropischen Bereichen des Atlantiks und des Indopazifiks in Küstennähe. Fünf Arten leben an der nördlichen Küste Australiens. Manche Arten gehen auch in die Brackwasserzonen und schwimmen mehrere hundert Kilometer in die Unterläufe großer Flüsse Südostasiens, Neuguineas, Australiens und des Amazonas. Pristis microdon ist in Australien als Süßwassersägerochen bekannt. Große Populationen von Pristis perotteti waren aus dem Nicaraguasee bekannt, wo sie in den 70er Jahren durch kommerziellen Fang wahrscheinlich ausgerottet wurden. Erst 2006 wurden Sägerochen und der Bullenhai (Carcharhinus leucas) in Nicaragua unter Schutz gestellt.

Der Gewöhnliche Sägefisch (Pristis pristis) kommt auch in subtropischen Gewässern vor, z. B. im westlichen Mittelmeer oder im kühleren Ostpazifik vom Golf von Kalifornien bis nach Ecuador.

Ernährung

Sägerochen sind langsam schwimmende Fische, die ihre aus Wirbellosen und kleinen Fischen bestehende Nahrung vor allem in Bodennähe aufnehmen. Schwarmfische werden durch schnelle seitliche Schläge mit der Säge getötet oder verletzt und dann gefressen.

Fortpflanzung

Sägerochen sind eilebendgebärend (ovovivipar). Sie können mehr als 20 Junge bekommen. Die Säge ist bei der Geburt noch weich und wird erst hart, wenn der bei der Geburt sehr große Dottersack aufgebraucht ist.

Systematik

Schon 1758 wurde der erste Sägefisch durch den Begründer der binären Nomenklatur Carl von Linné in seiner Systema Naturae als Squalus pristis (heute Pristis pristis) beschrieben. Die Familie der Sägerochen (Pristidae) wurde 1838 durch den Biologen Charles Lucien Bonaparte aufgestellt. Meist werden die Pristidae heute einer eigenständigen Ordnung (Pristiformes) innerhalb der Rochen zugeordnet. Phylogenetisch stehen die Sägerochen jedoch tief innerhalb einer Klade von verschiedenen Geigenrochengattungen. Die Geigenrochen werden dadurch zu einem paraphyletischen Taxon. Einer neuen, Säge- und Geigenrochen umfassende Ordnung, wurde der Name Rhinopristiformes gegeben.

Die systematische Stellung der Sägerochen innerhalb einer großen Geigenrochenklade nach Aschliman u. a. (2012) Die innere Systematik der Sägerochen nach Faria u. a. (2012)
  Rochen (Batoidea)  

 Rajiformes


   

 Zitterrochenartige (Torpediniformes)


   

 Trygonorrhinidae


   
  Rhinopristiformes 

 Rhinobatos


   


 Sägerochen (Pristidae)


   

 Glaucostegidae



   

 Rhinidae




   

 Stechrochenartige (Myliobatiformes)






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  Sägerochen (Pristidae)  
  Anoxypristis 

 Spitzkopf-Sägerochen (Anoxypristis cuspidata)


  Pristis 


 Zwergsägerochen (Pristis clavata)


   

 Schmalzahn-Sägerochen (Pristis pectinata)


   

 Langkamm-Sägerochen (Pristis zijsron)




   

 Gewöhnlicher Sägefisch (Pristis pristis)




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Es gibt zwei Gattungen, davon ist eine monotypisch, und fünf Arten:

Gattung Wissenschaftlicher Name Trivialname IUCN status Verbreitung
Anoxypristis Anoxypristis cuspidata
(Latham, 1794)
Spitzkopf-Sägerochen Stark gefährdet Rotes Meer, Persischer Golf und Indopazifik nördlich bis zum südlichen Japan, südlich bis zum nördlichen Australien und östlich bis in den westlichen Zentralpazifik.
Pristis Pristis clavata
Garman, 1906
Zwergsägerochen Stark gefährdet Westlicher Indopazifik vom Golf von Bengalen über Indonesien bis zum östlichen, tropischen Australien.
Pristis pectinata
Latham, 1794
Schmalzahn-Sägerochen Vom Aussterben bedroht Tropischer und subtropischer Atlantik, möglicherweise auch im Mittelmeer.
Pristis pristis
(Linnaeus, 1758)
Gewöhnlicher Sägefisch Vom Aussterben bedroht Weltweit in den Tropen und Subtropen, auch im westlichen Mittelmeer. Im Nicaraguasee, in westafrikanischen Flüssen, im Kongo und im Sambesi auch im Süßwasser.
Pristis zijsron
Bleeker, 1851
Langkamm-Sägerochen Vom Aussterben bedroht Rotes Meer, Persischer Golf und Indopazifik bis zum östlichen, tropischen Australien.

Stammesgeschichte und Fossilbericht

Fossil treten Sägerochen gesichert ab dem Eozän auf, darunter bereits die beiden rezenten Gattungen Anoxypristis und Pristis. Nur fossil bekannt ist die Gattung Propristis, die in eozänen Ablagerungen West-Afrikas und Nordamerikas gefunden wurde. Ein sehr früher Sägerochen ist möglicherweise Peyeria aus dem Cenoman des östlichen Nordafrika, aber seine Zuordnung zu den Pristiden ist umstritten.

Rein fossile Vertreter und äußerlich den Sägerochen stark ähnelnd sind die sogenannten Pseudosägerochen (Sclerorhynchidae). Diese Gruppe gilt als die Schwestergruppe einer Klade aus Sägerochen und anderen Rochenfamilien, das heißt, die Sägerochen sind wahrscheinlich mit anderen Rochenfamilien enger verwandt als mit den Pseudosägerochen und der „Sägerochen-Habitus“ hat sich in beiden Familien unabhängig voneinander entwickelt (konvergente Evolution). Die Pseudosägerochen lebten von der Oberkreide bis ins Paläozän und wurden vor allem in den USA gefunden. Exemplare von Libanopristis, Micropristis und Sclerorhynchus stammen aus dem Libanon.

Es wird vermutet, dass die Sägerochen erst deshalb im Paläogen eine höhere Diversität entwickeln konnten, weil die heute von ihnen besetzte ökologische Nische bis dahin durch die Pseudosägerochen besetzt war.

Gefährdung

Alle Sägerochenarten sind weltweit vom Aussterben bedroht und stehen auf der Roten Liste (IUCN). Sie werden vor allem als Beifang gefischt, verheddern sich schnell mit ihrer Säge in Netzen und haben nicht die Möglichkeit, sich alleine zu befreien. Außerdem werden Sägen noch immer als Trophäen gesammelt und für die traditionelle chinesische Medizin verwendet, weil ihnen heilende Wirkung zugesprochen wird. Um ein erhöhtes Bewusstsein für die weltweite Gefährdung der Sägerochenarten zu schaffen, wurde 2017 von der American Associations of Zoos and Aquariums und der Sawfish Conservation Society der 17. Oktober zum Tag des Sägefischs („Sawfish Day“) ernannt.

Film

  • Sägefische – Neptuns vergessene Kinder. Dokumentation, 2008, 43 Min., Regie: Florian Guthknecht, Produktion: Bayerischer Rundfunk, Inhaltsangabe von arte. Dokumentation über Sägefische an der Nordküste Australiens und ein Projekt, sie vor dem Aussterben zu bewahren.
  • Der auf den Turm von U96 gemalte lachende Sägefisch wurde durch den Film Das Boot berühmt.

Quellen

Literatur

  • L.J.V. Compagno, P.R. Last: Order Pristiformes. Pristidae. Sawfishes. S. 1410–1417 in: K.E. Carpenter, V.H. Niem (Hrsg.): FAO species identification guide for fishery purposes. The living marine resources of the Western Central Pacific. Volume 3. Batoid fishes, chimaeras and bony fishes part 1 (Elopidae to Linophrynidae). FAO, Rom 1999 (PDF 469 kB)
  • Kurt Fiedler: Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band II, Teil 2: Fische. Gustav Fischer Verlag, Jena 1991, ISBN 3-334-00339-6.
  • Joseph S. Nelson: Fishes of the World. John Wiley & Sons, 2006, ISBN 0-471-25031-7.
  • Barbara E. Wueringer, Lyle Squire Jr., Shaun P. Collin: The biology of extinct and extant sawfish (Batoidea: Sclerorhynchidae and Pristidae). Reviews in Fish Biology and Fisheries, Bd. 19, Nr. 4, 2009, S. 445–464, doi:10.1007/s11160-009-9112-7

Einzelnachweise

  1. 1 2 Neil C. Aschliman, Mutsumi Nishida, Masaki Miya, Jun G. Inoue, Kerri M. Rosana, Gavin J.P. Naylord: Body plan convergence in the evolution of skates and rays (Chondrichthyes: Batoidea). In: Molecular Phylogenetics and Evolution. Band 63, Nr. 1, April 2012, S. 28–42. doi: 10.1016/j.ympev.2011.12.012.
  2. Gavin J. P. Naylor, Janine N. Caira, Kirsten Jensen, Kerri A. M. Rosana, Nicolas Straube, Clemens Lakner: Elasmobranch Phylogeny: A Mitochondrial Estimate Based on 595 Species. Seite 43 in Jeffrey C. Carrier, John A. Musick, Michael R. Heithaus: Biology of Sharks and Their Relatives (Marine Biology). Verlag: Crc Pr Inc, 2012, ISBN 1-43983-924-7.
  3. 1 2 Vicente V. Faria, Matthew T. McDavitt, Patricia Charvet, Tonya R. Wiley, Colin A. Simpfendorfer & Gavin J. P. Naylor: Species delineation and global population structure of Critically Endangered sawfishes (Pristidae). Zoological Journal o the Linnean Society, Vol 167, Issue 1, 2012, DOI: 10.1111/j.1096-3642.2012.00872.x
  4. Anoxypristis cuspidata auf Fishbase.org (englisch)
  5. Anoxypristis cuspidata bei der IUCN (englisch)
  6. Pristis clavata auf Fishbase.org (englisch)
  7. Pristis clavata bei der IUCN (englisch)
  8. Pristis pectinata auf Fishbase.org (englisch)
  9. Pristis pectinata bei der IUCN (englisch)
  10. Pristis pristis auf Fishbase.org (englisch)
  11. Pristis pristis bei der IUCN (englisch)
  12. Pristis zijsron auf Fishbase.org (englisch)
  13. Pristis zijsron bei der IUCN (englisch)
  14. Jürgen Kriwet: The systematic position of the Cretaceous sclerorhynchid sawfishes (Elasmobranchii, Pristiorajea). S. 57–73 in: G. Arratia, A. Tintori (Hrsg.): Mesozoic Fishes 3 – Systematics, Paleoenvironments and Biodiversity. Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München 2004, ISBN 3-89937-053-8
  15. Henri Cappetta: Sclerorhynchidae nov. fam., Pristidae et Pristiophoridae : un exemple de parallélisme chez les Sélaciens. Comptes rendus hebdomadaires des séances de l'Académie des sciences. Série D, Sciences naturelles. Bd. 278, Nr. 1, 1974, S. 225–228 (gallica.bnf.fr)
  16. Karl Albert Frickhinger: Fossilien Atlas Fische, Mergus-Verlag, Melle 1999, ISBN 3-88244-018-X
  17. Tonya Wiley: International Sawfish Day is October 17. ourpositiveplanet.com, 8. Oktober 2019, abgerufen am 23. August 2020
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