Salmlerartige

Sternflecksalmler (Pristella maxillaris)

Systematik
Teilklasse: Echte Knochenfische (Teleostei)
Überkohorte: Clupeocephala
Kohorte: Otomorpha
Unterkohorte: Ostariophysi
Otophysa
Ordnung: Salmlerartige
Wissenschaftlicher Name
Characiformes
Regan, 1911

Die Salmlerartigen (Characiformes), auch Salmler oder Salmlerfische genannt, sind eine Ordnung der Knochenfische. Sie umfasst mehr als 2200 Arten, u. a. die Piranhas und Neonsalmler. Einige Arten werden als Speisefische genutzt, viele Arten sind aufgrund ihrer Farbenpracht beliebte Süßwasserzierfische.

Verbreitung

Die Salmlerartigen kommen überwiegend in tropischen Seen und Flüssen in Südamerika, Zentralamerika und in Afrika südlich der Sahara sowie im Nil vor. Dabei lebt in Afrika mit etwas mehr als 230 Arten nur ein kleiner Teil der Gesamtartenzahl. In Amerika reicht das Areal im Norden bis Texas, im Süden westlich der Anden bis zur Isla del Chiloé (Chile) und östlich der Anden bis zum Arroyo Valcheta in der Provinz Río Negro. In den Anden werden einzelne Arten bis in über 3000 m Höhe angetroffen.

Alle Salmler sind strikte Süßwasserbewohner und meiden bereits Brackwasser. Dies in Verbindung mit ihrem Vorkommen in Amerika und Afrika legt nahe, dass sie sich bereits während der Kreidezeit in ihre wesentlichen Abstammungslinien diversifiziert haben.

Merkmale

Die Ordnung der Salmlerartigen ist vielgestaltig, die meisten Arten sind aber von barbenartiger Gestalt, aalähnlich langgestreckte Formen oder abgeflachte Bodenbewohner fehlen jedoch. Die Salmler Amerikas haben vielfältigere Körperformen hervorgebracht als die afrikanischen Salmler. Wie alle Ostariophysi sind die Salmlerartigen insbesondere durch den Weberschen Apparat, der hier einfach gebaut ist, und eine Reihe knöchriger Strukturen zwischen Schwimmblase und dem inneren Ohr gekennzeichnet. Kennzeichen der meisten Characiformes sind eine kleine Fettflosse zwischen Rückenflosse und Schwanzflosse sowie der Besitz von kräftigen Zähnen. Die Bezahnung im Oberkiefer liegt normalerweise auf dem Prämaxillare. Das Maxillare ist meist nicht oder nur schwach bezahnt. Weiterhin können das Pterygoid und Palatinum bezahnt sein. Die Kieferzähne sind mehrspitzig. Bei den Breitlingssalmlern (Curimatidae) fehlen die Zähne im Alter. Der Oberkiefer ist nicht vollständig vorstülpbar, Ausnahmen sind die Keulensalmler (Hemiodontidae) und die Barbensalmler (Prochilodontidae). Schlundzähne sind normalerweise vorhanden, aber nur bei den Engmaulsalmler (Anostomidae) ähnlich spezialisiert wie bei den Karpfenartigen (Cypriniformes). Barteln fehlen, die Anzahl der Branchiostegalstrahlen liegt bei drei bis fünf.

Der Körper ist normalerweise mit Rundschuppen bedeckt, Kammschuppen oder kammschuppenähnliche Schuppen treten nur bei den Geradsalmlern sowie einigen wenigen Arten der Characoidei auf. Der Kopf ist unbeschuppt. Auch am Körper ganz ohne Schuppen sind nur ausgewachsene Vertreter der in Patagonien lebenden Art Gymnocharacinus bergii, die zudem keine Fettflosse hat. Die Bauchflossen werden von fünf bis zwölf Flossenstrahlen gestützt, die Schwanzflosse hat normalerweise 19 Hauptflossenstrahlen. Die Afterflosse ist kurz oder gemäßigt lang, mit weniger als 45 Flossenstrahlen. Alle Flossenstrahlen sind Weichstrahlen. Bei den Männchen können die Flossenstrahlen der After- und Bauchflossen kleine Häkchen aufweisen. Die erste Hypuralia ist durch eine Lücke vom Wirbelkörper getrennt. Eine solche Lücke fehlt bei den meisten anderen niederen Teleostei. Die Seitenlinie ist manchmal unvollständig. Salmlerartige sind Physostomen, die zweigeteilte Schwimmblase steht mit dem Darm in Verbindung. Sie dient einigen Raubsalmlern (Erythrinus & Hoplerythrinus) sowie einigen Schlanksalmler der Gattung Lebiasina als zusätzliches Atmungsorgan.

Viele Salmlerartige sind sehr farbenfroh, viele auch silbrig. Die größte Art ist der 1,40 Meter lange Riesen-Tigersalmler aus dem Kongo. Einige Arten bleiben auch unter einer Länge von drei Zentimetern, die kleinste wird 13 Millimeter lang.

Lebensweise

Viele Salmlerarten werden in der Literatur als Schwarmfische bezeichnet. Die meisten als Schwarmfische bezeichneten Salmlerarten zeigen aber nur beim Auftreten einer vermeintlichen Gefahr echtes Schwarmverhalten. Ohne diesen äußeren Einfluss wird die Schwarmformation zugunsten eines lockeren Gruppenverbands mit einem bestimmten Individualabstand aufgegeben. Dabei können vorübergehend Kleinstreviere gebildet werden, die durch ein ritualisiertes Kampfverhalten ähnlich dem von Buntbarschen abgegrenzt und verteidigt werden. Dies und auch die gelegentlich zu beobachtende Rangordnung setzen voraus, dass sich Mitglieder untereinander individuell kennen, was nicht der verhaltensbiologischen Definition echter Schwarmfische entspricht. Einer der wenigen echten Schwarmfische unter den Salmlern ist der Rotkopfsalmler (Hemigrammus bleheri).

Salmler ernähren sich als Fleisch-, Alles- oder Pflanzenfresser. Zu den Fleischfressern gehören die in größeren Gruppen lebenden Piranhas, sowie langgestreckte Raubfische, wie die Spindel- und Raubsalmler, die Amerikanischen und die Afrikanischen Hechtsalmler. Der Wimpelpiranha (Catoprion mento), Gnathodolus bidens und Probolodus heterostomus sind Schuppenfresser. Die Distichodontidae-Gattungen Belonophago, Eugnathichthys, Ichthyborus & Phago ernähren sich hauptsächlich von den Flossen anderer Fische. Zu den Pflanzenfressern zählen der Schwarze Pacu, die Metynnis- und die Myleus-Arten. Nur wenige Salmler betreiben Brutpflege, der Laich wird meist in Pflanzen abgesetzt. Einige Salmlerartige können akustisch, mit Tönen, die durch die mit Hilfe von Trommelmuskeln in Vibrationen versetzte Schwimmblase erzeugt werden, miteinander kommunizieren. Die chorartigen Laute der Prochilodus können auch außerhalb des Wassers wahrgenommen werden und dienen einheimischen Fischern zum Auffinden der Schwärme.

Äußere Systematik

Die Salmlerartigen gehören zu den Ostariophysi, zu denen auch die Karpfenartigen (Cypriniformes) und die Welsartigen (Siluriformes) gehören. Sie stehen allein in der Überordnung Characiphysae und sind die Schwestergruppe der Siluriphysae (Welsartige und Neuwelt-Messerfische). Ihre phylogenetischen Beziehungen sind in folgendem Kladogramm dargestellt:

  Otomorpha  
  Clupei  

 Heringsartige (Clupeiformes)


   
  Alepocephali  

 Alepocephaliformes


  Ostariophysi  
  Anotophysa  

 Sandfischartige (Gonorynchiformes)


  Otophysa  
  Cypriniphysae  

 Karpfenartige (Cypriniformes)


   
  Characiphysae  

 Salmlerartige (Characiformes)


  Siluriphysae  

 Neuwelt-Messerfische (Gymnotiformes)


   

 Welsartige (Siluriformes)








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Innere Systematik

Es gibt mehr als 2200 Arten in ca. 270 Gattungen, 25 Familien und zwei Unterordnungen:

Die wahrscheinlichen verwandtschaftlichen Beziehungen zeigt folgendes Kladogramm:

  Characiformes  
  Geradsalmler (Citharinoidei)  

 Eigentliche Geradsalmler (Citharinidae)


   

 Distichodontidae



  Characoidei  

 Pracht- und Bodensalmler (Crenuchidae)


   


 Schlanksalmler (Lebiasinidae)


   

 Amerikanische Hechtsalmler (Ctenoluciidae)



   



 Afrikanischer Großschuppensalmler (Arnoldichthys spilopterus)


   

 Afrikanische Hechtsalmler (Hepsetidae)


   

 Afrikanische Salmler (Alestidae)




   


 Wolfssalmler (Cynodontidae)


  Erythrinoidea  

 Raubsalmler (Erythrinidae)


   

 Tarumaniidae




   

 Sägesalmler (Serrasalmidae)


   

 Parodontidae


   

 Keulensalmler (Hemiodontidae)


  Anostomoidea  

 Engmaulsalmler (Anostomidae)


   

Barbensalmler (Prochilodontidae)


   

Breitlingssalmler (Curimatidae) & Kopfsteher (Chilodontidae)









   

 Chalceidae


   


 Iguanodectidae


   

 Acestrorhynchidae



   

 Bryconidae


   


 Triportheidae


   

 Beilbauchsalmler (Gasteropelecidae)



   

 Echte Salmler (Characidae)










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Ob es sich bei den Salmlerartigen tatsächlich um ein Monophylum handelt, also um eine systematische Einheit, die den letzten gemeinsamen Vorfahren und alle seine Nachfahren enthält, wurde Anfang 2017 in Frage gestellt. Einer im Februar 2017 veröffentlichten Studie zufolge ist die Unterordnung Characoidei die Schwestergruppe der Welsartigen (Siluriformes), also näher mit diesen verwandt als mit der Unterordnung Citharinoidei. Letztere ist die Schwestergruppe der von Characoidei und Siluriformes gebildeten Klade. Den Ergebnissen dieser Studie wurde jedoch kurz darauf von anderer Seite widersprochen.

Fossilüberlieferung

Das älteste Fossil eines salmlerähnlichen Fisches stammt aus dem Albium, die chronostratigraphisch höchste Stufe in der Unterkreide. Santanichthys aus Brasilien war wahrscheinlich marin oder lebte in Brackwasser und ist wahrscheinlich der älteste Salmlerartige oder der älteste Otophysier. Weiter fossile Salmlerartige sind Sorbincharax aus der ausgestorbenen Familie Sorbincharacidae, Paleohoplias und Tiupampichthys aus Südamerika, Eocitharinus, möglicherweise ein Vertreter der afrikanischen Unterordnung Citharinoidei und Mahengecharax, möglicherweise die Schwesterart der Alestidae. Die rezente Gattung Brycon ist schon aus dem Oligozän bekannt, Tetragonopterus und Triportheus seit dem Miozän.

Literatur

  • Kurt Fiedler: Lehrbuch der Speziellen Zoologie (2. Band, 2. Teil: Fische). Gustav Fischer Verlag., Jena 1991, ISBN 3-334-00339-6.
  • Joseph S. Nelson: Fishes of the World. John Wiley & Sons, 2006, ISBN 0-471-25031-7.
  • Günther Sterba: Süsswasserfische der Welt. 2. Auflage. Urania, Leipzig/Jena/Berlin 1990, ISBN 3-332-00109-4.
  • Petru Banaescu: Zoogeography of Fresh Waters. Aula Verlag., Wiesbaden 1990, ISBN 3-89104-480-1.

Einzelnachweise

  1. Fricke, Eschmeyer & Fong: Eschmeyer's Catalog of Fishes. Abgerufen am 24. Juli 2020.
  2. Campos et al.: Presencia de Cheirodon australe (Pisces: Characidae) en Lago Tarahuín (Isla Grande de Chiloé, 42º40’S, Chile) y su Significado Zoogeográfico. Medio Ambiente 1996 13(1): 69–79.
  3. Wolfgang Staeck: Salmler aus Südamerika. Verlag Dähne 2008, ISBN 3-935175-41-8, S. 53–56
  4. Betancur-R, R., Wiley, E.O., Arratia, G. et al. Phylogenetic classification of bony fishes. BMC Evol Biol 17, 162 (2017). doi:10.1186/s12862-017-0958-3
  5. Claudio Oliveira et al.: Phylogenetic relationships within the speciose family Characidae (Teleostei: Ostariophysi: Characiformes) based on multilocus analysis and extensive ingroup sampling. BMC Evolutionary Biology 2011, 11:275 doi:10.1186/1471-2148-11-275
  6. 1 2 Mário de Pinna, Jansen Zuanon, Lucia Rapp Py-Daniel, Paulo Petry (2017): A new family of neotropical freshwater fishes from deep fossorial Amazonian habitat, with a reappraisal of morphological characiform phylogeny (Teleostei: Ostariophysi). Zoological Journal of the Linnean Society, XX: 1–31. doi: 10.1093/zoolinnean/zlx028
  7. Mirande, J.M. (2018): Morphology, molecules and the phylogeny of Characidae (Teleostei, Characiformes). Cladistics, Juni 2018. doi: 10.1111/cla.12345
  8. Prosanta Chakrabarty, Brant C. Faircloth, Fernando Alda, William B. Ludt, Caleb D. McMahan, Thomas J. Near, Alex Dornburg, James S. Albert, Jairo Arroyave, Melanie L.J. Stiassny, Laurie Sorenson, Michael E. Alfaro: Phylogenomic Systematics of Ostariophysan fishes: Ultraconserved Elements Support the Surprising Non-monophyly of Characiformes. Systematic Biology, Volume 66, Issue 6, 1 November 2017, Pages 881–895, DOI: 10.1093/sysbio/syx038
  9. Betancur‐R., R., D. Arcila, R.P. Vari, L.C. Hughes, C. Oliveira, M.H. Sabaj and G. Ortí 2019: Phylogenomic incongruence, hypothesis testing, and taxonomic sampling: The monophyly of characiform fishes. Evolution, 73: 329–345. doi:10.1111/evo.13649
  10. K. A. Frickhinger: Fossilien Atlas Fische, Mergus-Verlag, Melle, 1999, ISBN 3-88244-018-X
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