Die Sammlung Stosch war eine der bedeutendsten archäologischen Sammlungen des 18. Jahrhunderts. Sie umfasste in erster Linie originale antike Gemmen sowie Kopien, Imitate und Abgüsse weiterer Werke. Durch die Dokumentation der Sammlung ist sie bis heute noch weitestgehend fassbar und Gegenstand der Forschung.

Philipp von Stosch (1691–1757) begann schon während des Studiums an der Brandenburgischen Universität Frankfurt in Frankfurt (Oder) mit dem Sammeln antiker Münzen und Gemmen. Seit er 1710 in den Niederlanden weilte, weitete er seine Interessen, gefördert durch den Münzsammler François Fagel, aus. Bei diplomatischen Reisen nach London, Südfrankreich, Rom, Wien, Prag und Dresden setzte er seine Studien fort und vergrößerte kontinuierlich seine Sammlung. Seit 1722 lebte er bis zu seinem Lebensende in Italien, zunächst in Rom, später in Florenz. Hier widmete er sich vermehrt seinen Studien und wurde zu einem angesehenen Fachmann der Gemmen- und Münzkunde. Als Assistenten bei der Bearbeitung des Materials fungierten nacheinander Georg Martin Preissler und Johann Adam Schweickart. Die Beschäftigung mit geschnittenen Steinen galt zu Lebzeiten Stoschs als ein Beleg höchster Gelehrsamkeit und Bildung. Eines der bekanntesten Werke der Sammlung ist der sogenannte Stosch’sche Stein, ein etruskischer Ringstein-Skarabäus mit seiner damals umstrittenen Inschrift. Hilfe bei der Deutung einzelner Stücke bekam er unter anderem von Mitgliedern der Accademia Etrusca bei deren monatlichen Zusammenkünften.

1724 publizierte Stosch mit dem Künstler und Verleger Bernard Picart den Katalog Gemmae antiquae celatae, scalptorum nominibus insignitae, in dem er 70 signierte Gemmen publizierte, die Stosch für echt antik hielt beziehungsweise für Abdrücke echter Stücke. Das Werk erschien zweisprachig auf Latein und in französischer Sprache. Er ordnete die Stücke im Buch nach den Künstlersignaturen und folgte damit neueren Erkenntnissen von Charles César Baudelot de Dairval, die dieser an der Solon-Gemme festgestellt hatte. Bis zu Baudelot de Dairvals Forschungen galten Inschriften als Bezeichnung der Dargestellten. Seinen Wert hatte das Werk auch durch die qualitativ hochwertigen Zeichnungen Picarts, der, anders als zu der Zeit üblich, Bildnisse nahe am Original und damit einen noch heute bleibenden wissenschaftlichen Wert schuf. Durch seine Denkmälerkenntnis konnte Stosch in seiner Sammlung viele zeitgenössische Fälschungen und Nachahmungen entdecken. Neben Picart schufen auch Schweickart, Johannes Hieronymus Odam und Pier Leone Ghezzi Zeichnungen von Stoschs Sammlung. Nach seinem Tod wurde Johann Joachim Winckelmann von Stoschs Erben und Neffen Heinrich Wilhelm Muzel-Stosch beauftragt einen umfassenden Katalog zu erstellen. 1758 und 1759 arbeitete er auf Grundlage der handschriftlichen Aufzeichnungen Stoschs am Katalog, der 1760 unter dem Titel Description des pierres gravées du feu Baron de Stosch erschien.

1764 erwarb Friedrich II. Stoschs Sammlung für 12.000 (Rudolf Schwarze) beziehungsweise 30.000 (Sepp-Gustav Gröschel) Taler, die später zu einer der Grundlagen der Antikensammlung Berlin wurde. Sie umfasste nach Winckelmanns Aufstellung 3444 antike Originale Intaglien und etwa 28.000 Abdrücke als Glaspasten und in Schwefel. Sie bilden bis heute den Großteil der glyptischen Sammlung der Antikensammlung in Berlin. Viele der Abdrücke aus nahezu allen bedeutenden Sammlungen anderer Kunstinteressierter, aber auch aus „öffentlichen“ Sammlungen der Zeit hatte Stosch selbst für seine Sammlung angefertigt und es hier zu einer Meisterschaft gebracht. Damit hatte er sich eine einzigartige Dokumentation dieser Kunstrichtung geschaffen. Seine Daktyliothek wurde Vorbild für viele weitere, die vor allem in den hundert Jahren nach seinem Tod in Europa weit verbreitet waren. Der preußische Staat ließ sogar Gipsabgüsse der Stosch’schen Sammlung herstellen und an Gymnasien verteilen. Stoschs und Picarts Stichwerk hatte auch durch seine englische Übersetzung nachhaltigen Einfluss auf die Antikenrezeption des frühen Klassizismus. Vielfach wurden in Villen und Landhäusern etwa Speisezimmer mit Gemmenabdrücken verziert. Ebenso nutzte Josiah Wedgwood für seine Jasperware Vorlagen der Stosch’schen Sammlung, wie auch die Porzellanmanufaktur Sèvres.

Literatur

  • Gemmae antiquae celatae, scalptorum nominibus insignitae. Ad ipsas gemmas, aut earum ectypos delineatae & aeri incisae, per Bernardum Picart. Ex praecipuis Europae museis selegit & commentariis illustravit Philippus de Stosch = Pierres antiques gravées, sur les quelles les graveurs ont mis leurs noms. Dessinées et gravées en cuivre sur les originaux ou d’après les empreintes par Bernard Picart. Tirées des principaux cabinets de l’Europe, expliquées par Philippe de Stosch. Bernard Picart, Amsterdam 1724 (Digitalisat).
  • Bibliotheca Stoschiana sive Catalogus selectissimorum librorum quos collegerat Philippus liber baro de Stosch. Florenz 1759 (Digitalisat).
  • Johann Joachim Winckelmann: Description des pierres gravées du feu Baron de Stosch. Florenz 1760 (Digitalisat).
  • Verzeichniss einer Sammlung hauptsächlich zu den Alterthümern, der Historie, den schönen u. Wissenschaften gehöriger mehrentheils italienischer, englischer und französischer Bücher, auch Landcharten, Zeichnungen, und Kupferstiche von berühmten Meistern, auch einiger Gemählde, imgl. einer Sammlung Schwefel-Abdrücke von antiken Gemmen &c. welche der verstorbene Herr Heinrich Wilhelm Muzel genannt Stosch Walton hinterlassen und am 22sten April 1783 und folgende Tage … in der Wohnung des Verstorbenen an der Ecke der Linden-Allee und Kirchgasse…in öffentlicher Auction … werden sollten. Spener, Berlin 1783 (Reste der Sammlung Stosch aus dem Nachlass seines Neffen).
  • Rudolf Schwarze: Stosch, Philipp von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 36, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 462 f.
  • Dorothy MacKay Quynn: Philipp von Stosch. Collector, Bibliophile, Spy, Thief (1691–1757). In: The Catholic Historical Review. Band 27, Nr. 3, 1941, ISSN 0008-8080, S. 332–344.
  • Peter Zazoff, Hilde Zazoff: Gemmensammler und Gemmenforscher. Von einer noblen Passion zur Wissenschaft. C. H. Beck, München 1983, ISBN 3-406-08895-3.
  • J. J. L. Whiteley: Philipp von Stosch, Bernard Picart and the „Gemmae Antiquae Caelatae“. In: Martin Henig, Dimitris Plantzos (Hrsg.): Classicism to Neo-classicism. Essays dedicated to Gertrud Seidmann (= BAR International Series. Band 793). Archaeopress, Oxford 1999, ISBN 1-8417-1009-1, S. 183–190.
  • Jörn Lang: Netzwerke von Gelehrten. Eine Skizze antiquarischer Interaktion am Beispiel des Philipp von Stosch (1691–1757). In: Jan Broch, Markus Rassiller, Daniel Scholl (Hrsg.): Netzwerke der Moderne. Erkundungen und Strategien (= Forum. Band 3). Königshausen & Neumann, Würzburg 2007, ISBN 978-3-8260-3720-7, S. 203–226 (Digitalisat).
  • Max Kunze: Stosch, Philipp von. In: Peter Kuhlmann, Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 6). Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02033-8, Sp. 1193–1196.
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