In der Geometrie beschreibt der Satz von Descartes (Vier-Kreise-Satz von Descartes), benannt nach René Descartes, eine Beziehung zwischen vier Kreisen, die einander berühren. Der Satz kann dazu verwendet werden, zu drei gegebenen Kreisen, die einander wechselseitig berühren, einen vierten zu finden, der die drei anderen berührt. Es handelt sich um einen Spezialfall des Apollonischen Problems.
Geschichte
Über geometrische Probleme im Zusammenhang mit Kreisen, die einander berühren, wurde schon vor mehr als 2000 Jahren nachgedacht. Im antiken Griechenland des 3. Jahrhunderts v. Chr. widmete Apollonios von Perge diesem Thema ein ganzes Buch. Unglücklicherweise ist uns dieses Werk mit dem Titel Über Berührungen nicht erhalten.
René Descartes erwähnte 1643 das Problem (gemäß den damaligen Gepflogenheiten) kurz in einem Brief an die Prinzessin Elisabeth von Böhmen. Er kam im Wesentlichen zu der Lösung, die weiter unten in Gleichung (1) beschrieben ist, auch wenn sein Beweis nicht korrekt war. Daher wird der Vier-Kreise-Satz heute nach Descartes benannt.
Der Satz wurde mehrfach unabhängig wiederentdeckt, unter anderem in einem Spezialfall in japanischen Tempelproblemen, von Jakob Steiner (1826), vom britischen Amateurmathematiker Philip Beecroft (1842) und von Frederick Soddy (1936). Man spricht manchmal von den Soddy-Kreisen, vielleicht weil Soddy seine Version des Satzes in Form eines Gedichts mit dem Titel The Kiss Precise veröffentlichte, das in der Zeitschrift Nature (20. Juni 1936) abgedruckt wurde. Soddy verallgemeinerte auch den Satz von Descartes zu einem Satz über Sphären im 3-dimensionalen Raum und Thorold Gosset auf n-Dimensionen.
Allan Wilks und Colin Mallows von den Bell Laboratories entdeckten Ende der 1990er Jahre, dass eine komplexe Version des Satzes von Descartes auch die Örter der Kreise festlegt.
Setzt man die Konstruktion fort, erhält man eine fraktale Struktur mit immer kleineren sich berührenden Kreisen. Während die ersten vier Krümmungen nach dem Satz von Descartes durch eine quadratische Gleichung verbunden sind, gilt für die folgenden Kreise eine lineare Gleichung. Startet man mit vier ganzzahligen Krümmungen, so haben auch die folgenden Krümmungen der Kreise in der Konstruktion ganzzahlige Werte. Die zahlentheoretischen Aspekte des Problems wurden insbesondere von Wilks, Jeffrey Lagarias, Ronald Graham, Peter Sarnak, Alex Kontorovich und Hee Oh weiter verfolgt.
Definition der vorzeichenbehafteten Krümmung
Der Satz von Descartes lässt sich am einfachsten durch den Begriff der Krümmung ausdrücken. Die vorzeichenbehaftete Krümmung eines Kreises wird definiert durch , wobei r den Radius bezeichnet. Je größer der Kreis ist, desto kleiner ist der Betrag seiner Krümmung und umgekehrt.
Das Minuszeichen in gilt für einen Kreis, der die anderen drei Kreise einschließend berührt. Andernfalls ist das Pluszeichen zu setzen.
Betrachtet man eine Gerade als entarteten Kreis mit Krümmung , so lässt sich der Satz von Descartes auch anwenden, wenn eine Gerade und zwei Kreise gegeben sind, die einander berühren, und ein dritter Kreis gesucht ist, der die Gerade und die gegebenen Kreise berührt.
Satz von Descartes
Gegeben seien vier einander berührende Kreise mit den Radien , , und . Definiert man wie oben für jeden dieser Kreise die vorzeichenbehaftete Krümmung (für ), so ist folgende Gleichung erfüllt:
Auflösen dieser Gleichung nach ermöglicht es, den Radius des vierten Kreises zu bestimmen:
Das Plus-Minus-Symbol drückt aus, dass es im Allgemeinen zwei Lösungen gibt.
Beispiel
Gegeben seien drei Kreise mit den Radien , und . Dementsprechend hat die vorzeichenbehaftete Krümmung die Werte , und . Aus Gleichung (2) ergeben sich nun die beiden Lösungen und . Der winzige Kreis (rot) zwischen den gegebenen Kreisen hat daher den Radius . Der große Kreis (ebenfalls rot), der die gegebenen Kreise einschließt, hat den Radius .
Spezialfälle
Wird beispielsweise der dritte der drei gegebenen Kreise durch eine Gerade ersetzt, so wird gleich 0 und fällt aus Gleichung (1) heraus. Gleichung (2) wird in diesem Fall wesentlich einfacher:
Beispiel
Gegeben seien zwei Kreise mit den Radien und sowie eine Gerade, die als Kreis mit unendlichem Radius aufgefasst wird. Die entsprechenden Werte für die vorzeichenbehaftete Krümmung sind , und . Durch Anwendung von Gleichung (3) erhält man wieder zwei mögliche Werte, nämlich und . Für die Radien der beiden rot gezeichneten Kreise ergibt sich folglich beziehungsweise .
Der Satz von Descartes lässt sich nicht anwenden, wenn zwei oder sogar alle drei gegebenen Kreise durch Geraden ersetzt werden. Der Satz gilt auch dann nicht, wenn es mehr als einen einschließend berührenden Kreis gibt, also im Fall von drei ineinander gelegenen Kreisen mit gemeinsamem Berührpunkt.
Komplexer Satz von Descartes
Um einen Kreis vollständig zu bestimmen, nicht nur seinen Radius (oder seine Krümmung), muss man auch seinen Mittelpunkt kennen. Die Gleichung dafür lässt sich am einfachsten ausdrücken, wenn man die Koordinaten des Mittelpunkts (x, y) als komplexe Zahl interpretiert. Die Gleichung für ist dem Satz von Descartes sehr ähnlich und wird daher als komplexer Satz von Descartes bezeichnet.
Gegeben seien vier Kreise mit den Mittelpunkten und den vorzeichenbehafteten Krümmungen (siehe oben), die einander berühren. Dann gilt zusätzlich zu (1) die Beziehung
Durch die Substitution ergibt sich:
Diese Gleichung ist analog zu und hat die Lösung:
Auch hier ergeben sich im Allgemeinen zwei Lösungen.
Hat man aus Gleichung (2) ermittelt, so erhält man durch
Verschiedenes
Die primitiven ganzzahligen Lösungen der vier Radien sind genau die Diagonalprodukte und Zeilenprodukte der beiden zwei-parametrigen Darstellungen der primitiven pythagoräischen Tripel, bspw. liefert das primitive pythagoräische Tripel mit den (als Spalten geschriebenen) Parameter-Darstellungen und die Diagonalprodukte und die Zeilenprodukte , welche als Radien aufgefasst dem Satz von Descartes genügen.
Weblinks
- Interaktives Applet (vier Kreise, die einander berühren)
- Jeffrey C. Lagarias, Colin L. Mallows, Allan R. Wilks: Beyond The Descartes Circle Theorem
- Dana Mackenzie A tisket, a tasket, an Apollonian basket, American Scientist, Band 98, 2010, S. 10–14 (erhielt den Chauvenet-Preis 2015).
Einzelnachweise
- ↑ Dana Mackenzie, A tisket, a tasket, an Apollonian gasket, American Scientist, Band 98, 2010, S. 10–14
- ↑ David Gisch, Jason Ribando Apollonios Problem: a study of solutions and their connections, American Journal of Undergraduate Research, Band 3, 2004, Nr. 1, PDF (Memento vom 15. April 2008 im Internet Archive)
- ↑ https://arxiv.org/pdf/0809.4324.pdf
- ↑ https://arxiv.org/pdf/math/0701624.pdf