Die Sendestation Münchenbuchsee wurde 1922 als erster fixer Langwellensender der Schweiz in Betrieb genommen. Die Anlage wurde 1981 stillgelegt und teilweise zurückgebaut.

Vorgeschichte

Während des Ersten Weltkriegs gab es erhebliche Probleme mit der drahtgebundenen Übermittlung von Telegrammen wegen Zensur oder anderer Behinderungen. Schon während des Kriegs wurde eine Anfrage für eine Station zur drahtlosen Telegraphie bei „Telefunken“ Berlin gemacht. Die beabsichtigte Grossstation für Überseeverbindungen wurde aufgrund der Kosten von 3.5 Mio. CHF abgelehnt.

Für die erste Völkerbundsversammlung im November 1920 hat die Marconi-Gesellschaft auf eigene Rechnung in Bel-Air bei Genf eine provisorische Sendeanlage bereitgestellt, um die Leistungsfähigkeit der drahtlosen Telegraphie zu beweisen.

Geschichte

Der schweizerische Bundesrat hat am 11. März 1921 der Marconi Wireless Telegraphen Co. London, zu handen einer noch zu gründenden Gesellschaft, die Konzession für den Bau und den Betrieb einer drahtlosen Telegraphenstation erteilt. Darauf wurde mit einem Aktienkapital von Fr. 1'750'000 die schweizerische Marconi-Radio-Station mit der Absicht gegründet, den Betrieb auf die Dauer von bis zu 25 Jahren zu übernehmen. Das Ziel war, den Sender bis zur nächsten Völkerbundversammlung im September 1921 in Betrieb zu nehmen. Kurz darauf wurden auf einer Anhöhe südlich von Münchenbuchsee die beiden Stahltürme mit einer Höhe von 91,5 Meter, zwanzig kleine Türme und die notwendigen Gebäude erstellt. Schon im August konnten die ersten Telegramme zu Testzwecken nach London versendet werden, so dass der provisorische Betrieb im September während der zweiten Völkerbundversammlung aufgenommen werden konnte.

Am 26. April 1922 fand die festliche Eröffnungsfeier in Anwesenheit diverser geladener Gäste statt.

Die ganze Marconi-Station bestand aus der Sendeanlage in Münchenbuchsee, der Empfängeranlage in Riedern und der Zentrale im Hauptpostgebäude in Bern. Die Marconi-Station war nur für den kontinentalen Verkehr vorgesehen; Telegramme für den Versand in amerikanische, afrikanische, asiatische Länder und Australien wurden über London weitergeleitet. Obwohl Moskau 500 km weiter als die zugesicherten 2000 km lag, konnte ein Versuch, Telegramme direkt zu senden, erfolgreich abgeschlossen werden. Somit konnten nun auch Telegramme nach Moskau direkt gesendet werden.

1924 kaufte der schweizerische Bund Aktien von der englischen Marconi Wireless Telegraphen Co. zurück, gab für eine Erweiterung der Anlage weitere Aktien aus und wurde somit Mehrheitsaktionär.

Radiogenossenschaft Bern

1925 wurden für die Radiogenossenschaft Bern ein zusätzlicher 40m Mast errichtet und eine Sendeanlage mit 1,2 kW Leistung installiert. Am 19. November 1925 meldete sich die Sprecherin Betty Spengler erstmals im Äther: Hallo, hier Radio Bern auf Welle 302. Das Programm aus dem Studio im Kursaal wurde über die Sendestation Münchenbuchsee ausgestrahlt.

1928 wurde die Marconi-Radio-Station in «Radio-Schweiz Aktiengesellschaft für drahtlose Telegraphie und Telephonie, Bern» umbenannt, um die nationale Bedeutung zu betonen.

Ab 1930 sendete die Radiogenossenschaft Bern von einem neuen Sender beim bernischen Wankdorf.

1933 bestand sie aus folgenden Elementen:

  • zwei Langwellensender Marconi mit rd. 14kW Anodenleistung. Sie sendeten von Antennen, die zwischen zwei 90m Masten und einem 125m Mast verspannt sind, der benötigte elektrische Strom wurde in einem separaten Transformerhaus transformiert.
  • einem Kurzwellen-Telegraphiesender Typ Marconi mit einer Leistung von 4kW
  • einem Kurzwellensender mit max. 20kW Leistung für den Verkehr mit Amerika.

Die vier Sender waren durch Landlinien mit dem Haupttelegraphenbureau der Radio-Schweiz in Bern verbunden.

Ab vermutlich 1941 wurde von Radio Schweiz AG unter dem Namen Bern Radio die einzige Küstenfunkstelle aus einem Binnenland mit dem Rufzeichen HEB betrieben.

Der Rückbau

1977 wurde der Küstenfunksender HEB nach Prangins VD verlegt.

1982 wurden die drei Sendemasten der Radio Schweiz AG in Münchenbuchsee abgebrochen.

1983 gingen die Gebäude im Baurecht an die Einwohnergemeinde Münchenbuchsee über. Sie werden nun als Saal und Freizeitanlage genutzt.

Besonderheit

Heute ist in einem Teil der ehemaligen Sendeanlage die Relaisgemeinschaft HB9F Bern eingemietet und unterhält diverse Relaisstationen und Baken.

Einzelnachweise

  1. Stucker, Peter: Eine Station für drahtlose Telegraphie in der Schweiz. A. & C. Jegher, 23. April 1921 (worldcat.org [abgerufen am 21. Mai 2020]).
  2. 1 2 [S.N.]: Kennen Sie "Radio Schweiz"? 1954, doi:10.5169/SEALS-563897 (e-periodica.ch [abgerufen am 21. Mai 2020]).
  3. Die Berner Woche in Wort und Bild. In: Berner Wochenchronik 1921 Heft 11. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  4. Die Berner Woche in Wort und Bild. In: Berner Wochenchronik 1921 Heft 12. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  5. Die Berner Woche in Wort und Bild. In: Berner Wochenchronik 1921 Heft 42. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  6. Die Berner Woche in Wort und Bild. In: Berner Wochenchronik 1921 Heft 35. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  7. Berner Woche in Wort und Bild. In: Berner Wochenchronik 1922 Heft 17. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  8. Die Bernern Woche in Wort und Bild. In: Berner Chronik 1923 Heft 7. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  9. Die Berner Woch in Wort und Bild. In: Berner Wochenchronik 1924 Heft 22. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  10. [S.N.]: Radio-Bern. 1925, doi:10.5169/SEALS-647746 (e-periodica.ch [abgerufen am 21. Mai 2020]).
  11. Radiogeschichte der Schweiz: Historische Lang-, Mittel- und Kurzwellen-Sender der Schweiz und Liechtensteins sowie Reduit-Sender, UKW 77, IBBK, Botschaftsfunk. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  12. F. Rothen: Die Anlagen der Radio-Schweiz A.G. 1934, doi:10.5169/SEALS-83310 (e-periodica.ch [abgerufen am 21. Mai 2020]).
  13. Pionier: Zeitung der Übermittlungstruppen. In: Panorama 1977 Heft 9. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  14. Thuner Tagblatt 19. November 1982 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  15. Saal- und Freizeitanlage - Gemeinde Münchenbuchsee. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  16. Relaisgemeinschaft HB9F Bern • USKA Sektion Bern HB9F. Abgerufen am 20. Mai 2020.

Koordinaten: 47° 0′ 52,6″ N,  26′ 36,5″ O; CH1903: 600369 / 207063

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