Sidney Herbert PC (* 16. September 1810 in Richmond, Surrey; † 2. August 1861 im Wilton House, Wilton bei Salisbury, Wiltshire), jüngerer Sohn des 11. Earl of Pembroke aus der Familie Herbert, war ein britischer Politiker des 19. Jahrhunderts, der knapp drei Jahrzehnte als Abgeordneter im House of Commons saß und verschiedene Staatssekretär- und Ministerposten, etwa als Verteidigungsminister, ausübte. Er gehörte der Konservativen Partei an, war aber vor allem an liberalen Regierungen beteiligt. Bekannt wurde Herbert während des Krimkrieges als Förderer der Florence Nightingale, mit deren Unterstützung er später das Sanitätswesen und die Krankenpflege in der britischen Armee reformierte. Kurz vor seinem Tod wurde er zum Baron Herbert of Lea und damit Peer ernannt.
Karriere
Sidney Herbert besuchte die Harrow School und studierte am Oriel College der University of Oxford von 1828 bis 1831 klassische Altertumswissenschaft. Er war Mitglied des Debattierclubs Oxford Union.
Nach Abschluss seiner Studien begann eine Blitzkarriere in der Politik: 1832 wurde er für die Tory Party im Alter von nur 22 Jahren als einer von zwei Abgeordneten des Wahlkreises South Wiltshire ins House of Commons gewählt, wo er bis 1861, also für 29 Jahre, verbleiben sollte. Kurz nach seinem Einzug ins Unterhaus schloss er sich der neu gegründeten Conservative Party an, deren liberalem Flügel er angehörte. Gefördert wurde er von Robert Peel.
Während der kurzen ersten Amtszeit Robert Peels als Premierminister war Sidney Herbert 1834/35 einer der beiden Lord Ellenborough unterstellten Staatssekretäre des Board of Control, der Aufsichtsbehörde der East India Company. Nach dem Zusammenbruch dieser Regierung wurde der Whig-Politiker Lord Melbourne neuer Premierminister und Herbert gehörte bis 1841 der Opposition an.
Während der zweiten Amtszeit Peels war Herbert zunächst von 1841 bis 1845 Staatssekretär zur Admiralität. Im Februar 1845 wurde er dann zum Kriegs-Staatssekretär (Secretary at War) ernannt und erhielt als solcher einen Platz im Kabinett. Der Secretary at War war dem Kolonial- und Kriegsminister – zu diesem Zeitpunkt Gladstone – unterstellt und befasste sich als Leiter des War Office mit der Verwaltung und Organisation der Armee.
Wie Premierminister Peel und nahezu sämtliche anderen Mitglieder der Regierung wandte sich auch Sidney Herbert 1846 vom Protektionismus – bis dahin einer der zentralen Grundsätze der Konservativen – ab und dem Freihandel zu. Der folgende Streit um die Abschaffung der Corn Laws führte dann im Sommer des Jahres zum Zusammenbruch der Regierung Peel und Spaltung der konservativen Partei in zwei Lager. Sidney Herbert wurde ein führendes Mitglied der wirtschaftsliberalen Peelite-Fraktion, die sich von der protektionistisch eingestellten Parteimehrheit abspaltete.
Während der nun folgenden Whig-Regierung unter Lord Russel wie auch unter der kurzlebigen protektionistisch-konservativen Regierung unter Lord Derby war Herbert in der Opposition und spielte politisch keine größere Rolle. Erst ab 1852 gehörte er in der Whig-Peelite-Koalitionsregierung unter Premierminister Lord Aberdeen wieder als Secretary at War dem Kabinett an und war dem Kriegsminister Lord Newcastle unterstellt.
Im Oktober 1853 brach der Krimkrieg aus. Sidney Herbert hatte nun die Truppen im Krieg zu organisieren und stand damit vor der größten Aufgabe seiner Karriere. Er bemühte sich, die jahrzehntelange Vernachlässigung der Armee in kurzer Zeit wettzumachen, was aber nur unzureichend gelang. Im Februar 1855 scheiterte schließlich die ganze Regierung aufgrund militärischem Missmanagements und ausbleibender Kriegserfolge, wofür Herbert aber keine wirkliche Verantwortung trug.
Sein größtes Verdienst dieser Periode war die Förderung und Reform des Sanitätswesens und der Krankenpflege in der britischen Armee: Sidney Herbert und seine Frau waren privat eng mit Florence Nightingale befreundet; Herbert wurde ihr bedeutendster Fürsprecher in der Politik. Als Berichte über die katastrophale Versorgung der Verwundeten auf der Krim eintrafen, setzte Herbert durch, dass Nightingale in Scutari am Bosporus im Auftrag der Regierung ein Militärkrankenhaus in der Selimiye-Kaserne leiten konnte und lud sie in einem Brief in die Türkei ein. Die beiden arbeiteten in der Folgezeit eng miteinander zusammen, wenn auch nicht immer konfliktfrei.
Die Anstrengungen und Belastungen der Kriegsphase führten dazu, dass Herberts Gesundheitszustand sich deutlich verschlechterte. Er weigerte sich aber, sein Arbeitspensum zu reduzieren. Er wurde 1855 Kolonialminister in der Whig-Regierung unter Lord Palmerston, gab das Amt aber nach nur zwei Wochen aufgrund des Krim-Untersuchungsausschusses auf und blieb daraufhin der Politik fern.
Als Palmerston 1859 zum zweiten Mal Premierminister wurde, wurde Herbert schließlich Kriegsminister der liberalen Regierung und trat in seinem Amt die Nachfolge von Jonathan Peel an. In kurzer Zeit führte er unter großen Anstrengungen und mit schwankenden Erfolgsraten umfassende Reformprogramme durch. Wieder gemeinsam mit Florence Nightingale trieb er die Verbesserung des militärischen Sanitätswesens und der Verwundetenpflege voran. In Indien war er für die Formierung der Indian Army verantwortlich. In Großbritannien leitete er die Aufstellung der Volunteer Force, einer bürgermiliz-ähnlichen Freiwilligentruppe zum Schutz des Mutterlandes – man fürchtete nach der Orsini-Affäre einen Krieg mit Frankreich – und wurde erster Präsident der National Volunteer Association.
Gesundheitlich schwer angeschlagen sollte Herbert schließlich als Peer ins weniger anstrengende House of Lords wechseln, wofür er im Januar 1861 für seine Verdienste zum Baron Herbert of Lea, of Lea in the County of Wiltshire ernannt wurde. Es war jedoch zu spät. Im Juli gab Herbert seinen Ministerposten auf. Er starb dann kurz darauf Anfang des Folgemonats im Alter von nur 50 Jahren an der Brightschen Krankheit (Nephritis).
Familie
Sidney Herbert war der Sohn von George Herbert, 11. Earl of Pembroke (1759–1827), und dessen zweiter Frau Jekaterina Woronzowa (Catherine Vorontsova) (1783– 1856). Sein Vater, ein General in der britischen Armee und Gouverneur von Guernsey, hatte selbst bereits von 1780 bis 1784 einen Sitz im House of Commons innegehabt und damals die Whigs unterstützt. Seine Mutter war die Tochter des russischen Botschafters Semjon Woronzow und Schwester des Michail Woronzow.
Als jüngerer Sohn eines Earls trug er von Geburt an den Höflichkeitstitel The Honourable Sidney Herbert. Mit dem Erlangen der Baronswürde kurz vor seinem Tod wurde er dann als The Right Honourable The Lord Herbert of Lea tituliert.
Sidney Herbert war der zweite überlebende Sohn und ältester aus zweiter Ehe. Er hatte fünf Schwestern und eine Halbschwester. Sein älterer Halbbruder war Robert Herbert (1791–1862), nach dem Tod des Vaters 1827 der 12. Earl of Pembroke. Der ältere Bruder führte nach einer gescheiterten chaotischen Ehe mit einer italienischen Adligen ein unstetes Leben im Ausland, weshalb Sidney Herbert den Familiensitz Wilton House in Wilton (Wiltshire) übernahm und dort lebte. Auch das irische Gut Mount Merrion wurde von ihm verwaltet.
Im Gegensatz zu seinem Bruder galt er als Musterbeispiel eines britischen Gentlemans und führte ein gesellschaftlich angesehenes Leben. Sein Vermögen setzte er für philanthropische Zwecke ein. So finanzierte er zusammen mit seiner Mutter in seinem Heimatort Wilton 1841 bis 1844 den Bau der prächtig ausgestatteten Kirche St. Mary und St. Nicholas im neoromanisch-lombardischen Stil. In dieser Kirche findet sich auch eine Grabfigur Herberts.
1846 heiratete er Elizabeth (1822–1911), die Tochter des Generals Charles Ashe à Court. Elizabeth Herbert wurde wie ihr Mann als Philanthropin bekannt, bewegte sich in den besten Kreisen der hohen viktorianischen Gesellschaft und vertrat dort auch die politischen Ansichten ihres Mannes. Gemeinsam mit Lord Ashley schufen die beiden 1849 den Female Emigration Fund zur Unterstützung armer Frauen bei der Auswanderung in die Kolonien.
Das Paar hatte sieben Kinder:
- George Robert Charles (1850–1895), nach dem Tod des Vaters der 2. Baron Herbert of Lea und nach dem Tod des Onkels der 13. Earl of Pembroke
- Sidney (1853–1913), Mitglied des Parlaments; nach dem Tod des Bruders 14. Earl of Pembroke
- William Reginald (1854–1870), starb beim Untergang der HMS Captain
- Michael Henry (1857–1904), Diplomat, Botschafter in den Vereinigten Staaten
- Mary Catherine (1849–1935), ⚭ Friedrich von Hügel
- Elizabeth Maud (1851–1933), ⚭ Hubert Parry
- Constance Gwladys (1859–1917), ⚭ 1.) St George Lowther, 4. Earl of Lonsdale, ⚭ 2.) Frederick Robinson, the Earl de Grey
Mit Sidney Herberts Tod erbte sein ältester Sohn George die Baronie und damit auch den Sitz im House of Lords. Da dessen Onkel, der 12. Earl, seinem jüngeren Bruder ein halbes Jahr später ohne legitime Kinder ins Grab folgte, erbte George auch dessen Earlswürde und Baron Herbert of Lea wurde zu einem nachgeordneten Titel der Earls of Pembroke.
Der zweite Sohn, Sidney Herbert junior, folgte der Karriere seines Vaters und saß viele Jahre im House of Commons, verlor aber 1885 den heimatlichen Wahlkreis. Nach dem frühen Tod seines Bruders wurde er schließlich 14. Earl of Pembroke.
Herberts Witwe Elizabeth konvertierte nach dem Tod ihres Mannes und wurde eine fanatische Katholikin. Ihr Glaubenswechsel löste bei der anglikanischen Verwandtschaft einen Skandal aus und zerriss die Familie.
Ehrungen
Im Februar 1845 wurde Sidney Herbert in den Kronrat Ihrer Majestät (Privy Council) berufen.
Bereits 1843 benannte eine Expedition unter James Clark Ross in der Antarktis den Herbert-Sund nach dem damaligen Admiralitäts-Staatssekretär.
Herbert war Mitglied und Förderer der Neuseeland-Kolonisationsgesellschaft Canterbury Association. Ihm zu Ehren benannte man daher 1849 die höchste Erhebung (920 Meter) der Banks Peninsula Mount Herbert.
Auch die Kleinstadt Pembroke in Ontario ist ihm zu Ehren benannt und trägt den Namen des Titels seines Vaters.
Nach seinem Tod wurde 1863 eine Statue von ihm, von Baron Marochetti aus Bronze geschaffen, auf dem Marktplatz von Salisbury eingeweiht. Da sich Herbert in seiner Heimatregion als großer Wohltäter ausgezeichnet hatte, waren tausende Zuschauer bei der Einweihung anwesend. Die Statue wurde 1953 aus Platzgründen in den Victoria Park versetzt.
Eine weitere, von Foley geschaffene Statue von ihm wurde 1867 vor dem War-Office-Gebäude in Pall Mall in London errichtet. Beim Abriss des Bauwerks einige Jahrzehnte später versetzte man die Statue vor das Crimean War Memorial am Waterloo Place, wo sie bis heute neben der von Florence Nightingale steht.
Das von ihm und Nightingale geschaffene Militärkrankenhaus in Woolwich erhielt den Namen Royal Herbert Hospital. Auch in Bournemouth gab es ein Herbert Memorial Convalescent Hospital.
Literatur
- Lloyd C. Sanders: Celebrities of the Century : Being A Dictionary of Men and Women of the Nineteenth Century, Vol. 1-2, Cassel, London 1887; Eintrag Herbert of Lea, S. 558 f. (Digitalisat)
- Cassell's Biographical Dictionary: Containing Original Memoirs of the most Eminent Men and Women of all Ages and Countries, Cassell, Petter & Galpin, London 1867-1869; Eintrag Herbert, The Right Hon. Sidney, Lord Herbert of Lea (in WBIS Online abrufbar)
- Charles Knight (Hrsg.): The English Cyclopaedia, Bradbury, Evans & Co., London; Band 3 (Biography), 1856, Eintrag Herbert, Right. Hon. Sidney, Spalte 392 f. (Digitalisat), sowie dazugehöriger Anhang (Supplement), 1872, Eintrag Herbert of Lea; Right Hon. Sidney, Lord, Spalte 667 f. (Digitalisat)
- John Francis Waller, P. E. Dove (Hrsg.): The Imperial Dictionary of Universal Biography: a Series of Original Memoirs of Distinguished Men, of all Ages and all Nations, Band 2 (Daa-Iwa), Mackenzie, London 1857-1863; Eintrag Herbert, Sidney, Lord Herbert of Lea, S. 881 (Digitalisat)
- Thomas Humphry Ward: Men of the Reign: a Biographical Dictionary of Eminent Persons of British and Colonial Birth who Have Died during the Reign of Queen Victoria, Routledge, London 1885; Eintrag Herbert, Lord of Lea, Right Hon. Sidney, S. 419 f. (Digitalisat)
Weblinks
- H. C. G. Matthew: Herbert, Sidney, first Baron Herbert of Lea (1810–1861) in der Onlineversion des Oxford Dictionary of National Biography
- The National Archives: PAPERS OF SIDNEY HERBERT, 1st BARON HERBERT OF LEA
Einzelnachweise
- ↑ H. C. G. Matthew: Herbert, Sidney, first Baron Herbert of Lea (1810–1861) in der Onlineversion des Oxford Dictionary of National Biography
- ↑ H. C. G. Matthew: Herbert, Sidney, first Baron Herbert of Lea (1810–1861) in der Onlineversion des Oxford Dictionary of National Biography sowie Charles Knight: English Cyclopaedia, Band 3 (Biography), 1856; Eintrag Herbert, Right. Hon. Sidney, Spalte 392
- ↑ Vgl. auch Mustafa Engin Çoruh, Mukadder Gün: Die Reformen von Professor Dr. Robert Rieder Pascha (1861–1913) in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Medizinern im Osmanischen Reich des frühen 20. Jahrhunderts. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018, S. 111–121, hier: S. 114 f. und 120.
- ↑ Sanders: Celebrities of the Century, Eintrag Herbert of Lea, S. 558
- ↑ London Gazette. Nr. 20439, HMSO, London, 4. Februar 1845, S. 315 (Digitalisat, abgerufen am 18. Oktober 2013, englisch).
- ↑ Herbert Sound im Geographic Names Information System des U.S. Geological Survey
- ↑ Johannes Carl Andersen: Place-names of Banks peninsula: a topographical history, Skinner, 1927, S. 84/85
- ↑ Adrian Room: Dictionary of World Place Names Derived from British Names, Routledge, 1989, S. 135
- ↑ The Citizens’ War Memorial, Market Place, Salisbury, History and Significance, Juli 2011, S. 9ff
- ↑ Victorianweb.org: Sidney Herbert Monument
- ↑ Charles Knight: English Cyclopaedia, Supplement; Eintrag Herbert of Lea; Right Hon. Sidney, Lord, Spalte 668
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Titel neu geschaffen | Baron Herbert of Lea 1861 | George Herbert |
Thomas Fremantle | Secretary at War 1845–1846 | Fox Maule-Ramsay |
William Beresford | Secretary at War 1852–1854 | Henry Pelham-Clinton |
George Grey | Secretary of State for the Colonies 1855 | John Russell |
Jonathan Peel | Secretary of State for War 1859–1861 | George Cornewall Lewis |