Siedlungskolonien waren eine Form der Kolonisation, die sich zur Zeit der europäischen Kolonialreiche herausbildete und zumeist auf die Auslöschung der einheimischen Bevölkerung abzielte. Hierbei war der europäische Rassismus der Neuzeit die Motivation der Siedler. Georges Balandier bestimmte die für den Siedlerkolonialismus grundlegende koloniale Situation die von einer „fremden, rassisch (oder ethnisch) und kulturell andersartigen Minderheit im Namen einer dogmatisch behaupteten rassischen (oder ethnischen) und kulturellen Überlegenheit einer materiell unterlegenen eingeborenen Mehrheit aufgezwungene Herrschaft.“ Man unterschied zunehmend zwischen Siedlungskolonien und übrigen Kolonien.

Siedlungskolonien sollten in der Antike (Phönizier und Griechen) den Geburtenüberschuss des Mutterlandes aufnehmen, nicht selten auch durch erleichterte Existenzgründungen soziale Spannungen im Mutterland entschärfen. Sie konnten aber auch Strafkolonien beherbergen. Landnahmen wie die der Ungarn oder Türken sowie Reichsausdehnungen wie die des Achämenidenreiches, des römischen Imperiums oder auch des arabischen Kalifats und seiner Nachfolgereiche verfolgten hingegen die Unterwerfung und anschließende Integration der Einheimischen, was eine Verschiebung der Dominanz bedeutete, so verloren Araber teils durch Ethnogenese ab dem 10. Jahrhundert ihre Dominanz an islamisierte Türken, Perser und Berber.

Der Siedlerkolonialismus mit geonzidalen Charakter ist ein Phänomen der europäischen Neuzeit. Wie stark die Vorbevölkerung dabei verdrängt wurde, hängt nicht zuletzt von der Dauer der Kolonialherrschaft und der anschließenden Einwandererstaaten (nicht zu verwechseln mit dem Begriff Einwanderungsland) ab. Zahlreiche ehemalige Siedlungskolonien sind heutzutage Staaten mit europäischem Staatsvolk außerhalb Europas wie die USA, Kanada, Hawaii, Neuseeland, Australien, Uruguay, Kolumbien, Chile und Argentinien oder wie Israel aufgrund der Alijah multiethnisch. In anderen wie teilweise Irland oder Algerien blieb die Vorbevölkerung in der Mehrheit und ist heute Staatsvolk. Religiöse und ethnischen Minderheiten wanderten ebenfalls in bestehenden Siedlerkolonien aus und bildeten dort eine Diaspora wie die Juden, Armenier und Iraner in den Vereinigten Staaten, andere siedelten aufgrund Abkommen zur Sendung ausländischer Arbeitskräfte, wie die chinesischen Kulis oder Inder in Südafrika. Der genozidale Charakter sollte bis zur Entkolonisierung andauern, auch verließen die europäischen Nachkommen die vom Kolonialismus befreiten Länder zügig, weil an einem dauerhaften Zusammenleben mit den Einheimischen kein Interesse bestand, teilweise sie die Vergeltung fürchteten.

Die übrigen Kolonien wurden aus machtpolitischen Gründen erworben. Ihre Wirtschaft wurde ohne wesentliche oder mit nur geringer Einwanderung nach den Interessen des Mutterlandes ausgerichtet. Im Unterschied zu Siedlungskolonien, die oft in gemäßigtem Klima der Nord- oder Südhalbkugel lagen, waren diese Kolonien oft tropisch bzw. äquatornah (z. B. Plantagenkolonien).

In einigen karibischen Ländern wurde die Vorbevölkerung zahlenmäßig weniger durch die Kolonisatoren selbst, als vielmehr durch die von ihnen aus Afrika importierten Sklaven verdrängt.

Liste von Siedlungskolonien

  • Siedlungskolonien Großbritanniens:
    • Nordirland, siehe auch Ulster Plantation
    • die späteren USA, zunächst v. a. die 13 Kolonien an der Ostküste
    • Kanada
    • Australien
    • Neuseeland
    • Auch in einigen süd- und ostafrikanischen Kolonien – nicht aber in Westafrika – ließen sich ebenfalls britische Siedler nieder, stellten und stellen dort gegenüber der autochthonen afrikanischen Bevölkerung jedoch stets eine zwar vermögende und einflussreiche, aber zahlenmäßig sehr kleine Minderheit dar, so in Kenia und Rhodesien (heute Simbabwe). Einen Sonderfall stellt Südafrika dar, wo britische Siedler sich zwar in größerer Zahl niederließen, aber sowohl gegenüber den Afrikanern als auch gegenüber den niederländischstämmigen Siedlern, den Buren, immer in der Minderheit blieben.
  • Siedlungskolonien der USA:
    • Liberia, für freigelassene Sklaven
    • New Mexico und Texas mit US-Amerikanern
    • Hawaii mit US-Amerikanern
    • Philippinen mit philippinischen Christen aus dem Norden gegen philippinischen Muslime im Süden.

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1 2 Hermann Kinder, Werner Hilgemann: dtv-Atlas Weltgeschichte. Band 2: Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart, 5. Auflage. dtv, München 1970, S. 98.
  2. Sebastian Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte. C.H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-56248-8, S. 29.
  3. Jan C. Jansen, Jürgen Osterhammel: Dekolonisation. Das Ende der Imperien. C.H.Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-65464-0, S. 69 f.
  4. ieg-ego.eu
  5. Konrad Schliephake: Demographie und Arbeitsmarkt im Rentier–Staat, in: Fritz Edlinger (Hrsg.): Libyen. Wien 2011, ISBN 978-3-85371-330-3, S. 33
  6. bbc.co.uk
  7. ieg-ego.eu
  8. Areej Sabbagh-Khoury: “Tracing Settler Colonialism: A Genealogy of a Paradigm in the Sociology of Knowledge Production in Israel.” Politics & Society 50.1:44–83 (2022), doi:10.1177/0032329221999906; What is at Stake in the Study of Settler Colonialism? In: Developing Economics. 26. Oktober 2020, abgerufen am 26. April 2022 (englisch).; Gershon Shafir: Land, Labor and the Origins of the Israeli-Palestinian Conflict, 1882–1914. New York: Cambridge University Press, 1989.
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