Ein Steinkreuznest, auch Kreuzsteinnest genannt, liegt vor, wenn an einem Aufstellungsort mehrere Steinkreuze bzw. Kreuzsteine beieinander liegen. Diese sind nach Bernhard Losch (1981) vor allem in ländlich geprägten Gegenden vorzufinden, in denen es in der Neuzeit zu keiner Verdichtung von Siedlung und Industrie wie in den Ballungsgebieten kam, so dass diese Kulturdenkmale im Freiland weitgehend erhalten blieben.

Entstehung

Das Vorhandensein eines Steinkreuznestes kann verschiedene Gründe haben:

  • Es kann sich zum einen tatsächlich um den ursprünglichen Standort der Kreuze handeln. Nach Wilhelm Funk (1940) beweisen alte Abbildungen, Beschreibungen und Gemarkungspläne, dass man schon früher Steinkreuze gruppenweise zusammengestellt hat. Friedrich Mößinger (1936) nennt als Beispiel einen Sühnebrief von 1403, der für fünf Erschlagene fünf Kreuze fordert.
  • Es kann sich um einen behördlich angewiesenen Platz zur Aufstellung von Steinkreuzen handeln. Mößinger (1936) nennt als Beispiel einen Sühnevertrag von 1494 aus Nagold, der einem Täter auferlegt, eine Sühnekreuz an einer bestimmten Stelle zu errichten, an der bereits andere dergleichen Kreuze standen.
  • Es kann in einigen Fällen auch davon ausgegangen werden – unter anderem aufgrund des teilweise unterschiedlichen Alters der Objekte in einem Steinkreuznest – dass einzelne Steinkreuze in der Vergangenheit umgesetzt wurden beziehungsweise nach Funk (1940) erst später an geeigneter Stelle zu derartigen Nestern zusammengetragen worden sind. Dies kam als Maßnahme der Denkmalpflege in jüngerer Zeit vor wenn großräumige Veränderungen in der Landschaft (z. B. Bimsabbau, Flurbereinigung, Ausweisung von Neubaugebieten) die Versetzung von Kreuzen notwendig machten.

Da dieser Sachverhalte zum Teil in Vergessenheit gerieten, entstanden mitunter auch neue Sagen und Legenden, in denen nun mehrere Personen, je nach der Anzahl der Objekte, eine Rolle spielen.

Bekannte Ansammlungen

Folgende Steinkreuznester bzw. Kreuzsteinnester mit mindestens 5 Objekten sind bekannt:

 Karte mit allen Koordinaten bekannter Steinkreuznester (mit mindestens 5 Steinkreuzen): OSM | WikiMap

Bild Anzahl Steinkreuznest Gemeinde Land Datierung Sage Lage
15 Steinkreuznest Cracau Magdeburg  Deutschland 14. bis 15. Jh. unbekannt 52° 7′ 0″ N, 11° 39′ 34″ O

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14 Steinkreuznest bei Reicholzheim Wertheim  Deutschland 14. bis 16. Jh. Die Kreuze oberhalb Reicholzheim 49° 43′ 25″ N, 9° 32′ 26″ O
10 Bührener Kreuzsteinnest Bühren  Deutschland mittelalterlich verschiedene Überlieferungen 51° 28′ 55″ N, 9° 40′ 35″ O

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8 Kreuzsteinnest Sieben-Trappen in Benthe Ronnenberg  Deutschland mittelalterlich Die Sieben Trappen, verschiedene Überlieferungen 52° 20′ 0″ N, 9° 37′ 43″ O

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8 Steinkreuzgruppe in Wolframs-Eschenbach Wolframs-Eschenbach  Deutschland mittelalterlich 49° 13′ 25″ N, 10° 43′ 23″ O
7 Steinkreuznest Domersleben Wanzleben-Börde  Deutschland unbekannt 52° 5′ 30″ N, 11° 26′ 2″ O
7 Steinkreuznest Podhrad Cheb  Tschechien Hochzeitszug 50° 3′ 27″ N, 12° 23′ 39″ O

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6 Steinkreuznest Sieben Fuhrmänner bei Neunstetten
(das laut Sage siebte Steinkreuz fehlt)
Herrieden  Deutschland mittelalterlich Die Sieben Fuhrmänner von Neunstetten 49° 15′ 32″ N, 10° 27′ 38″ O

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6 Steinkreuznest in Bad Mergentheim Bad Mergentheim  Deutschland 15. bis 18. Jh. verschiedene Überlieferungen 49° 29′ 49″ N, 9° 46′ 33″ O

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6 Sechs Steine Ilberstedt  Deutschland ab dem 13. Jahrhundert Sage 51° 47′ 58″ N, 11° 40′ 26″ O

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5 Steinkreuznest Keltschensteine bei Bruck Erlangen  Deutschland spätmittelalterlich Knechte des Keltsch, verschiedene Überlieferungen 49° 34′ 9″ N, 10° 59′ 4″ O

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5 Steinkreuznest Fünf Musikanten bei Falkenstein Donnersdorf  Deutschland frühmittelalterlich Die Musikanten von Falkenstein 49° 57′ 44″ N, 10° 25′ 22″ O

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5 Steinkreuznest Neunhof Nürnberg  Deutschland verschiedene Überlieferungen 49° 30′ 59″ N, 11° 2′ 54″ O

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5 Steinkreuznest bei Stübach Diespeck  Deutschland spätmittelalterlich unbekannt 49° 36′ 36″ N, 10° 34′ 59″ O

Verschwundene Ansammlungen

Die folgenden einst bekannten Steinkreuznester bzw. Kreuzsteinnester gelten als verschwunden:

  • Speyer (Rheinland-Pfalz): Ein Steinkreuznest mit über 30 steinernen Kreuzen befand sich noch im 18. Jahrhundert an der Straße von Speyer nach Worms. Nach einer alten Überlieferung soll eine Hochzeitsgesellschaft, die vom Spitzrainhof kam, von feindlichen Reitern angegriffen und umgebracht worden sein. Für jeden Einzelnen der Toten hätte man ein Steinkreuz errichtet.
  • Heilbronn (Baden-Württemberg): Ein letztes Kreuz aus einem ansonsten verschwundenen Steinkreuznest im Bereich der heutigen Gabelung Paulinenstrasse/Kreuzenstrasse ist noch vorhanden. Die Kreuzenstrasse wurde anhand des ehemaligen Steinkreuznestes benannt. In einem Markungsplan von 1734 ist das Steinkreuznest vor dem Sülmertor in Heilbronn eingezeichnet.

Literatur

  • Bernhard Losch: Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 1981, ISBN 3-8062-0754-2.
  • Friedrich Mößinger: Steinkreuze zwischen Rhein, Main und Neckar. In: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde. Neue Folge 1936.
  • Wilhelm Funk: Sühnestein und Erinnerungsmal. In: Alte deutsche Rechtsmale. Sinnbilder und Zeugen deutscher Geschichte. Berlin/Bremen 1940.
Commons: Steinkreuznest – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bührener Kreuzsteinnest in: Sonderdruck aus der Festschrift der Kyffhäuser-Kameradschaft Bühren, 1967, S. 7–8.
  2. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Standorte. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  3. Bernhard Losch: Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 1981.
  4. 1 2 3 Steinere Zeugen in der Landschaft - Fränkische Nachrichten. In: fnweb.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  5. 1 2 Cracau / OT von Magdeburg. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  6. Reicholzheim. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  7. Seite:Badisches Sagenbuch II 638.jpg – Wikisource. In: de.wikisource.org. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  8. Seite:Badisches Sagenbuch II 639.jpg – Wikisource. In: de.wikisource.org. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  9. 1 2 Bühren. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  10. 1 2 Benthe. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  11. 1 2 Domersleben. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  12. 1 2 Podhrad / Pograth. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  13. Neunstetten / OT von Herrieden. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  14. Johann Fluhrer: Die sieben Steinkreuze im Altmühlthale. In: Das Bayernland. 13. Jg., 1902, Nr. 19, S. 226.
  15. 1 2 Bad Mergentheim. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  16. 1 2 Bruck / OT von Erlangen. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  17. Donnersdorf. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  18. Steinkreuz-Sagen aus Unterfranken. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  19. 1 2 Neunhof / OT von Nürnberg. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  20. 1 2 Stübach / OT von Diespeck. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  21. Fritz Klotz: Stadtgeschichtliche Miszellen, Ortsgruppe Speyer des Historischen Vereins der Pfalz 1967, S. 17 f.
  22. Heilbronn. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
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