Die Stirling-Zahlen erster und zweiter Art, benannt nach James Stirling, werden in der Kombinatorik und der theoretischen Informatik verwendet.

Bezeichnung und Notation

Mit Hinweis auf eine bereits 1730 veröffentlichte Arbeit Stirlings, in der diese Zahlen untersucht werden, führte Niels Nielsen 1906 im Handbuch der Theorie der Gammafunktion die Bezeichnung „Stirlingsche Zahlen erster und zweiter Art“ ein („nombres de Stirling“ bereits in einem 1904 veröffentlichten Artikel).

Weder die Bezeichnung als Stirlingzahlen noch einheitliche Notationen haben sich durchgesetzt. In diesem Artikel werden Stirlingzahlen der ersten Art mit kleinem bezeichnet oder übereinander in eckigen Klammern geschrieben, Stirlingzahlen der zweiten Art mit großem bezeichnet oder übereinander in geschweiften Klammern geschrieben:

.

Die Klammernotation, auch Karamata-Notation genannt, wurde 1935 von Jovan Karamata in Analogie zu den Binomialkoeffizienten eingeführt, 1992 setzte sich Donald Knuth mit einem ausführlichen Exkurs über die Stirling-Zahlen für diese Schreibweise ein.

Stirling-Zahlen erster Art

Die Stirling-Zahl erster Art ist die Anzahl der Permutationen einer -elementigen Menge, die genau Zyklen haben. Nach einer häufig verwendeten anderen Definition wird stattdessen als Stirling-Zahl erster Art bezeichnet.

Beispiel

Die Menge mit Elementen kann auf folgende Weisen auf Zyklen aufgeteilt werden:

Also ist . Für weitere Beispiele siehe Zykeltyp.

Eigenschaften

Es gelten die expliziten Formeln

und die rekursive Formel

mit den Anfangsbedingungen

    und
    für     oder  

Weitere spezielle Werte sind

  • Folge A000254 in OEIS
  • Folge A000399 in OEIS
  • Folge A001303 in OEIS
  • Folge A000914 in OEIS

für alle wobei die -te harmonische Zahl und eine verallgemeinerte harmonische Zahl ist.

Allgemein kann als Polynom in vom Grad aufgefasst werden. Es hat den Leitkoeffizienten und enthält für alle die Faktoren n, n−1, …, nk und für ungerade die Faktoren n2 und (n−1)2. Das Polynom

in vom Grad wird auch als Stirling-Polynom bezeichnet, siehe auch Abschnitt Stirling-Polynome.

Erzeugende Funktionen sind

    und         und

mit der steigenden Faktoriellen

Ist eine Primzahl, dann ist für durch teilbar und für gerade durch teilbar (Nielsen 1893). Der Satz von Wolstenholme ist der Spezialfall

Da die Anzahl aller Permutationen einer -elementigen Menge ist, folgt

und insbesondere direkt aus der Definition von

Für jedes existiert ein so dass

und oder (Erdős 1953).

Für jedes ist die Folge streng logarithmisch konkav, das heißt, für

Das asymptotische Verhalten von unter der Annahme ist

mit der Euler-Mascheroni-Konstante

Stirling-Zahlen zweiter Art

Die Stirling-Zahl zweiter Art ist die Anzahl der -elementigen Partitionen einer -elementigen Menge, also die Anzahl der Möglichkeiten, eine -elementige Menge in nichtleere disjunkte Teilmengen aufzuteilen.

ist auch die Anzahl der Möglichkeiten, unterscheidbare Bälle auf nicht unterscheidbare Fächer aufzuteilen, so dass mindestens ein Ball in jedem Fach liegt. Sind die Fächer unterscheidbar, so erhält man Möglichkeiten, dies ist auch die Anzahl surjektiver Abbildungen einer -elementigen Menge auf eine -elementige Menge.

Beispiel

Die Menge mit Elementen kann auf folgende Weisen in nichtleere disjunkte Teilmengen zerlegt werden:

Also ist .

Eigenschaften

Es gelten die expliziten Formeln

    und

mit ganzzahligen nichtnegativen und die rekursive Formel

mit den Anfangsbedingungen

    und
    für     oder  

Weitere spezielle Werte sind

  • Folge A000392 in OEIS
  • Folge A001297 in OEIS
  • Folge A001296 in OEIS

für alle

Auch kann als Polynom in vom Grad aufgefasst werden. Es hat den Leitkoeffizienten und enthält für alle die Faktoren n, n−1, …, nk und für ungerade die Faktoren (nk)2 und (nk+1)2. Man erhält dasselbe Stirling-Polynom -ten Grades wie bei den Stirling-Zahlen erster Art mittels

Erzeugende Funktionen sind

    und         und
    und

mit der fallenden Faktoriellen

Ist eine Primzahl, dann ist für durch teilbar.

Da die Bellsche Zahl die Anzahl aller Partitionen einer -elementigen Menge ist, gilt

Die Bernoulli-Zahl βn erhält man als die alternierende Summe

Mit Hilfe der Rekursionsformel kann man zeigen, dass für jedes ein existiert, so dass

und oder gilt. Es ist eine offene Frage, ob ein existiert, für das der Fall eintritt.

Für jedes ist die Folge streng logarithmisch konkav, das heißt, für

Beziehung zwischen den Stirling-Zahlen erster und zweiter Art

Aus den Beziehungen

    und    

die auch häufig zur Definition der Stirling-Zahlen zweiter und erster Art verwendet werden, folgt, dass diese die Koeffizienten von zueinander inversen linearen Transformationen sind, der Stirling-Transformation und der inversen Stirling-Transformation. Das heißt, dass die unteren Dreiecksmatrizen und zueinander inverse Matrizen sind:

mit dem Kronecker-Delta für und für

Die Stirlingzahlen erster und zweiter Art lassen sich jeweils durch die anderen darstellen (Schlömilch 1852):

    und

Die Stirlingzahlen können eindeutig so auf negative ganze Indizes und fortgesetzt werden, dass die Rekursionsformeln

    und    

allgemein gelten und für Man erhält die für alle ganzen Zahlen und gültige Dualität

die auch die beiden Rekursionsformeln ineinander überführt, außerdem für Setzt man in die als Polynome in aufgefassten und für negative ganze Zahlen ein, so erhält man dieselbe Fortsetzung auf negative ganze Indizes und für die Polynome die Dualität

Analogie zu den Binomialkoeffizienten

Für die Binomialkoeffizienten gilt

Die Karamata-Notation betont die Analogie:

Entsprechend lassen sich die Stirling-Zahlen in einem Dreiecksschema ähnlich dem Pascalschen Dreieck anordnen und zeilenweise berechnen.

Dreieck für Stirling-Zahlen erster Art (erste Zeile erste Spalte Folge A130534 in OEIS):

                             1
                          1     1
                       2     3     1
                    6    11     6     1
                24    50    35    10     1
             120   274   225   85    15     1
          720  1764  1624   735   175   21     1
      5040  13068 13132 6769  1960   322   28     1
  40320 109584 118124 67284 22449 4536  546   36     1
...   ...    ...   ...   ...   ...   ...   ...   ...    1

Dreieck für Stirling-Zahlen zweiter Art (erste Zeile erste Spalte Folge A008277 in OEIS):

                             1
                          1     1
                       1     3     1
                    1     7     6     1
                 1    15    25    10     1
              1    31    90    65    15     1
           1    63    301   350   140   21     1
        1    127   966  1701  1050   266   28     1
     1    255  3025  7770  6951  2646  462    36     1
  1    ...   ...   ...   ...   ...   ...   ...   ...    1

Als eine weitere Analogie gibt es injektive und surjektive Funktionen mit -elementiger Definitions- und -elementiger Zielmenge.

Stirling-Polynome

Die im Abschnitt Stirling-Zahlen erster Art eingeführten Stirling-Polynome werden auch durch die erzeugenden Funktionen

    und

beschrieben, die man durch Verallgemeinerung erzeugender Funktionen von und erhält. Nach einer anderen Definition werden die Polynome und als Stirling-Polynome bezeichnet. Die Polynome ψ0(x), ψ1(x), …, ψ6(x) sind

               
   

und spezielle Werte für sind

    und    

mit der Bernoulli-Zahl βk+1. Berechnet werden können die Polynome mit den Formeln

    und

mit den durch für j ∉ {0, 1, …, k−1} und

siehe Folge A111999 in OEIS,

und den durch 1,0 = 1, k,j = 0 für j ∉ {0, 1, …, k−1} und

rekursiv definierten ganzzahligen Koeffizienten. Für erhält man

    und    

Diese Berechnung von und ist besonders für große und kleine effizient.

Programmierbeispiel

Die Stirling-Zahlen lassen sich sehr einfach in einer rekursiven Methode implementieren. Beispielsweise können in Java die Stirling-Zahlen zweiter Art folgendermaßen implementiert werden.

Verlauf des Programmes:

  • Wenn n = k = 0 ist, wird 1 zurückgegeben.
  • Wenn n = 0 und k > 0 ist oder n > 0 und k = 0, wird 0 zurückgegeben.
  • Wenn n und k beide größer als 0 sind, wird dieselbe Funktion zwei Mal in veränderter Form rekursiv aufgerufen und zurückgegeben.
  • Wenn alle anderen Abfragen scheitern, heißt dass, das mindestens einer der beiden Werte negativ sein muss, und das Programm erzeugt einen Fehler.
static int stirling(int n, int k) {
	if (n == 0 && k == 0) {
		return 1;
	} else if ((n == 0 && k > 0) || (n > 0 && k == 0)) {
		return 0;
	} else if (n > 0 && k > 0){
		return stirling(n - 1, k - 1) + k * stirling(n - 1, k);
	}
	throw new IllegalArgumentException("Weder n noch k darf negativ sein.");
}

Literatur

Einzelnachweise

  1. James Stirling: Methodus Differentialis: sive Tractatus de Summatione et Interpolatione Serierum Infinitarum, G. Strahan, Londini (London) 1730 (lateinisch; Tafel der Stirling-Zahlen zweiter Art auf S. 8, der Stirling-Zahlen erster Art auf S. 11)
  2. Nielsen: Fakultäten und Fakultätenkoeffizienten, 1906, S. 66–67
  3. Niels Nielsen: Recherches sur les polynomes et les nombres de Stirling, Annali di matematica pura ed applicata 10, 1904, S. 287–318 (französisch)
  4. Henry W. Gould: Noch einmal die Stirlingschen Zahlen, Jahresbericht der DMV 73, 1971/72, S. 149–152
  5. 1 2 Donald E. Knuth: Two notes on notation, The American Mathematical Monthly 99, 1992, S. 403–422 (englisch; Zentralblatt-Rezension)
  6. Jovan Karamata: Théorèmes sur la sommabilité exponentielle et d’autres sommabilités s’y rattachant (21. Mai 1932), Mathematica (Cluj) 9, 1935, S. 164–178 (französisch; Zentralblatt-Rezension)
  7. 1 2 Nielsen: Fakultäten und Fakultätenkoeffizienten, 1906, S. 72 ff.
  8. Comtet: Advanced combinatorics, 1974, S. 218
  9. Niels Nielsen: Om Potenssummer af hele Tal, Nyt Tidsskrift for Mathematik B 4, 1893, S. 1–10 (dänisch; Formel 17 auf S. 4 mit ; Jahrbuch-Bericht)
  10. Paul Erdős: On a conjecture of Hammersley, Journal of the London Mathematical Society 28, 1953, S. 232–236 (englisch; nur der Beweis für ist nicht elementar; Zentralblatt-Rezension)
  11. 1 2 Elliott H. Lieb: Concavity properties and a generating function for Stirling numbers, Journal of Combinatorial Theory 5, September 1968, S. 203–206 (englisch; Zentralblatt-Rezension)
  12. Comtet: Advanced combinatorics, 1974, S. 219
  13. E. Rodney Canfield, Carl Pomerance: On the problem of uniqueness for the maximum Stirling number(s) of the second kind, Integers 2, 2002, A01 (englisch; Corrigendum; Zentralblatt-Rezension)
  14. Oskar Schlömilch: Recherches sur les coefficients des facultés analytiques, Journal für die reine und angewandte Mathematik 44, 1852, S. 344–355 (französisch; Formel 14 auf S. 346 mit und )
  15. Ira Gessel, Richard P. Stanley: Stirling polynomials (PDF-Datei, 534 kB), Journal of combinatorial theory A 24, 1978, S. 24–33 (englisch; Zentralblatt-Rezension)
  16. Antal E. Fekete: Apropos Two notes on notation, The American Mathematical Monthly 101, Oktober 1994, S. 771–778 (englisch; Zentralblatt-Rezension)
  17. Jordan: Stirling’s numbers, 1979, S. 147–153
  18. Jordan: Stirling’s numbers, 1979, S. 168–173
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