Das Theater von Thorikos ist ein griechisches Theater im antiken Demos Thorikos, nördlich des heutigen Lavrio in Attika gelegen. Es ist eines der ältesten bekannten griechischen Theater und wurde etwa um 500 v. Chr. erbaut. Das Theater ist in seiner Gestaltung ungewöhnlich, da es statt einer später üblichen kreisförmigen eine querliegend U-förmige Orchestra besitzt. Entsprechend sind die das ansteigende Gelände nutzenden Zuschauerreihen geradlinig gestaltet und lediglich an den Seiten kurvig geführt.

Geschichte

Das am Südhang des Velatouri, des Hausbergs von Thorikos, gelegene Theater hat im Laufe seiner Geschichte einige Veränderungen erfahren. Das Gelände wurde ursprünglich als Steinbruch genutzt, bevor die sich hierdurch ergebende Geländeform für ein Theater genutzt wurde. Dessen erste Bauphase wird in die 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. datiert und hinsichtlich der Gestaltung als sehr frühe Form des griechischen Theaterbaus betrachtet. Die Orchestra lag querrechteckig vor dem Zuschauerraum und maß rund 16 × 30 Meter. Nach Süden wurde sie – wahrscheinlich auf ganzer Länge – durch eine Terrassenmauer abgeschlossen. Theater dieses Typs werden unter dem Begriff „Lineartheater“ zusammengefasst. Man geht davon aus, dass die Sitzreihen in dieser Phase aus Holz errichtet waren und der Zuschauerbereich als sogenannte Ikria, eine nur temporär bereitgestellte ephemere Architektur, anzusprechen ist.

Um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. wurden dann wahrscheinlich die ersten etwa 20 Sitzreihen des Koilon genannten Zuschauerraums in Stein ausgeführt. Sie wurden in den anstehenden Fels geschnitten und mit Kalksteinplatten verkleidet. Das Koilon bot in diesem Zustand etwa 2000 Zuschauern Platz und wurde durch zwei Treppenaufgänge dreigeteilt. Weitere Bauten des Theaterkomplexes, etwa der 6,30 m × 8,80 m große Tempel des Dionysos im Westen, ein „Altar“ und eine große Halle im Osten, werden ebenfalls in diese Bauphase datiert. Ein Bühnengebäude ist für das Theater des 5. Jahrhunderts v. Chr. nicht sicher nachgewiesen, doch könnten Pfostenlöcher südlich der Orchestra zur Aufnahme von Holzpfosten gedient haben, die mit einer solchen, als Skene bezeichneten Konstruktion verbunden werden könnten. Die Orchestra wurde nach Süden um rund 2,50 Meter erweitert und die alte Terrassenmauer an dieser Stelle wurde durch eine neue ersetzt. Inschriftlich ist durch den Opferkalender des Demos Thorikos belegt, dass in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. im Monat Poseideon kleine Dionysien in Thorikos gefeiert wurden. Inschriften des späten 5. Jahrhunderts und des 4. Jahrhunderts v. Chr. zeugen von Theateraufführungen in Thorikos.

In der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurde der Zuschauerraum erweitert. Die hierfür nötigen Arbeiten waren spätestens um 300 v. Chr. abgeschlossen. Errichtet wurde eine hohe Stützmauer nördlich des alten Zuschauerraums. Der so gewonnene Raum wurde aufgefüllt und etwa 10 weitere steinerne Sitzreihen wurden angelegt. Das Theater konnte nun rund 3200 Zuschauer aufnehmen, wobei die Schätzungen zwischen 2500 und 5000 Zuschauern schwanken. Zwei Rampen im Nordwesten und Nordosten der Stützmauer erlaubten den Zutritt auch von dieser Seite.

Literatur

  • Walter Miller: The Theater of Thorikos. Preliminary Report. In: Papers of the American School of Classical Studies at Athens 4, 1885/86 (1888), S. 1–19 (Digitalisat).
  • William Cushing: The Theater of Thorikos. Supplementary Report. In: Papers of the American School of Classical Studies at Athens 4, 1885/86 (1888), S. 23–34 (Digitalisat).
  • Tony Hackens: Le théâtre. In: Herman F. Mussche, Jean Bingen, Jean Servais, Roland Paepe, Tony Hackens: Thorikos I 1963. Rapport préliminaire sur la premiere campagne de fouilles.. Brüssel 1968, S. 105–118.
  • Tony Hackens: Le théâtre. In: Herman F. Mussche, Jean Bingen, Jean Servais, José de Geyter, Tony Hackens, Paule Spitaels, Achilles Gautier: Thorikos III 1965. Rapport préliminaire sur la troisième campagne de fouilles. Brüssel 1967, S. 75–96.
  • Hermann F. Mussche: Das Theater von Thorikos. Einige Betrachtungen. In: Sacris erudiri Bd. 31, 1989, S. 309–314.
  • Ione Mylonas Shear: Thorikos Attica, Greece. In: Richard Stillwell u. a. (Hrsg.): The Princeton Encyclopedia of Classical Sites. Princeton University Press, Princeton NJ 1976, ISBN 0-691-03542-3 (englisch, perseus.tufts.edu).
  • Hermann F. Mussche: Das Theater von Thorikos. Einige Betrachtungen. In: Sacris erudiri Bd. 31, 1989, S. 309–314.
  • Clairy Palyvou: Notes on the Geometry of the Ancient Theatre of Thorikos. In: Archäologischer Anzeiger 2001, S. 45–58 (Digitalisat).
  • Andreas Kapetanios, Roald F. Docter: The Theatre. In: Roald F. Docter, Maud Webster (Hrsg.): Exploring Thorikos. Ghent University, Ghent 2018, ISBN 978-94-92944-39-9, S. 37–39 (Digitalisat).
Commons: Theater von Thorikos – Sammlung von Bildern

Anmerkungen

  1. William Cushing: The Theater of Thorikos. Supplementary Report. In: Papers of the American School of Classical Studies at Athens. Band 4, 1885/86 (1888), Taf. I.
  2. Günter Dunst: Der Opferkalender des attischen Demos Thorikos. In: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik. Band 25, 1977, S. 243–264; Sacrificial calendar of Thorikos (AIO 847) auf Attic Inscriptions Online.
  3. Siehe die Inschriften bei Jean Bingen: Inscriptions (III). In: Herman F. Mussche, Jean Bingen, Jean Servais, Paule Spitaels: Thorikos VIII 1972/1976. Rapport préliminaire sur les 9e, 10e, 11e et 12e campagnes de fouilles. Gent 1984, S. 175–187 Nr. 75 (5. Jahrhundert v. Chr.). 76 (375–325 v. Chr.); Jean Bingen: Inscriptions (IV). In: Herman F. Mussche, Jean Bingen, John Ellis Jones, Marc Waelkens: Thorikos IX 1977/1982. Rapport préliminaire sur les 13e, 14e, 15e et 16e campagnes de fouilles. Gent 1990, S. 144–153 Nr. 83–85 (375–325 v. Chr.).

Koordinaten: 37° 44′ 17″ N, 24° 3′ 13,5″ O

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