Die Tracy-Widom-Verteilung ist eine Wahrscheinlichkeitsverteilung aus der Theorie der Zufallsmatrizen. Sie ist die asymptotische Spektralverteilung des größten, normalisierten Eigenwertes einer hermitschen Zufallsmatrix. Die Verteilung ist nach den amerikanischen Mathematikern Craig Tracy und Harold Widom benannt, welche sie 1993 für das gaußsche unitäre Ensemble entdeckt haben. Sie findet Anwendung in der statistischen Mechanik, der Kombinatorik und der multivariaten Statistik, wo sie insbesondere im Zusammenhang mit hoch-dimensionalen Daten und Verfahren zum Lösen des Fluchs der Dimensionalität von Interesse ist.
Die Verteilungsfamilie wird nach dem Dyson-Index in die -Klassifizierung aufgeteilt (nach möglichen Zeitumkehr-Eigenschaften der Quantenmechanik), wobei die Verteilung für das unitäre Ensemble gilt und als Fredholm-Determinante des Airy-Kernels auf einem separablen Hilbertraum definiert wird. Die Verteilungen für das orthogonale Ensemble und für das symplektische Ensemble lassen sich leicht daraus berechnen.
Tracy-Widom-Resultate lassen sich u. a. mit nicht-trivialen asymptotischen Methoden wie dem Lösen von Riemann-Hilbert-Problemen mit der nicht-linearen Methode des steilsten Anstiegs von Deift-Zhou (1993) finden. Ausgehend vom Riemann-Hilbert-Problem lassen sich Lax-Paare herleiten und schließlich die Lösung der Painlevé-II-Gleichung.
In der Originalarbeit leiteten Tracy und Widom ein analoges integrierbares System von partiellen Differentialgleichungen zur Jimbo-Miwa-Môri-Sato-Gleichung her und einen mit dem Airy-Operator kommutierenden Differentialoperator.
Die Tracy-Widom-Verteilung fand man auch in anderen Situation der Mathematik und Physik, die auf den ersten Blick nichts mit Zufallsmatrizen zu tun haben. Zum Beispiel als Limit von stochastischen partiellen Differentialgleichungen wie der Kardar-Parisi-Zhang (KPZ)-Gleichung, als Verteilung der Länge der längsten, aufsteigenden Teilfolge zufälliger Permutationen, oder den „Wackel-Umfang“ einer Bakterienkolonie (welches durch das Eden-Modell beschrieben wird). Dieses mysteriöse Phänomen des Auftreten gleicher statistischer Gesetze, zu denen auch das Wignersche Halbkreisgesetz gehört, nennt man Universalität (engl. universality).
Definition F2
Die Tracy-Widom-Verteilung ist definiert als
wobei den Airy-Kern
eines Operators auf bezeichnet.
Äquivalent lässt sich der Ausdruck auch über die äußere Potenz des Spurklasseoperators definieren
- .
Sei der größte Eigenwert des gaußschen unitären Ensembles (GUE), dann gilt das Tracy-Widom-Gesetz
Verbindung zur Painlevé-II-Gleichung
Es gilt
wobei die Hastings-McLeod-Lösung der Painlevé-II-Gleichung
ist.
Definition F1 und F4
Die Tracy-Widom-Verteilungen und lassen sich wie folgt berechnen
und
wobei wie in der Definition für ist.
Operatoren A1 und A4
Im Fall lässt sich ein Spurklasseoperator auf mit Matrixkern finden.
Im Fall ist der dazugehörige Operator auf mit Matrixkern nicht mehr in der Spurklasse. Um das Problem zu lösen betrachtet man gewichtete -Räume und eine Verallgemeinerung der Fredholm-Determinante.
Universalität
Es existieren unterschiedliche Tracy-Widom-Gesetze für die Rand-Universalität von bestimmten Klassen von hermiteschen Zufallsmatrizen (z. B. Tao-Vu, Soschnikow, Lee-Yin)
Tracy-Widom und die KPZ-Universalitätsklasse
Die Tracy-Widom-Verteilung erscheint unter -Skalierung der eindimensionalen KPZ-Gleichung mit fixer Zeit als Grenzwertverteilung, sowie deren Universalitätsklasse. Abhängig davon, ob man mit der narrow wedge oder flat Initialbedingung beginnt, ist die eindimensionale Einpunktverteilung des KPZ-Fixpunkt unter fixer Zeit die Tracy-Widom-Verteilung des GUE bzw. GOE.
Einzelnachweise
- ↑ Craig A. Tracy, Harold Widom: Level-Spacing Distributions and the Airy Kernel. In: Physics Letters B. Nr. 305, 1993, S. 115–118, doi:10.1016/0370-2693(93)91114-3, arxiv:hep-th/9210074.
- ↑ Deift, P. und Zhou, X.: A steepest descent method for oscillatory Riemann-Hilbert problems. Asymptotics for the MKdV equation. In: The Annals of Mathematics, Vol. 137, No. 2 (Hrsg.): Ann. of Math., vol. 137. Nr. 2, 1993, S. 295–368, doi:10.2307/2946540, arxiv:math/9201261, JSTOR:2946540.
- 1 2 J. Baik, P. Deift, K. Johansson: On the distribution of the length of the longest increasing subsequence of random permutations. In: Journal of the American Mathematical Society, vol. 12. Nr. 4, 1999, S. 1119–1178, doi:10.1090/S0894-0347-99-00307-0, arxiv:math/9810105, JSTOR:2646100.
- ↑ Craig A. Tracy, Harold Widom: Level-Spacing Distributions and the Airy Kernel. In: Physics Letters B. Nr. 305, 1993, S. 115–118, doi:10.1016/0370-2693(93)91114-3, arxiv:hep-th/9210074.
- ↑ T.Sasamoto, H. Spohn: One-Dimensional Kardar-Parisi-Zhang Equation: An Exact Solution and its Universality. In: American Physical Society APS (Hrsg.): Physical Review Letters, vol. 104. Nr. 23, 2010, doi:10.1103/physrevlett.104.230602, arxiv:1002.1883 [math].
- ↑ Natalie Wolchover: At the Far Ends of a New Universal Law. In: Quanta Magazine. Simons Foundation, 15. Oktober 2014, abgerufen am 24. September 2021.
- 1 2 Greg W. Anderson, Alice Guionnet, Ofer Zeitouni: An Introduction to Random Matrices. Cambridge University Press, 2009.
- ↑ Craig A. Tracy und Harold Widom, Harold: Matrix Kernels for the Gaussian Orthogonal and Symplectic Ensembles. Hrsg.: Annales de l'Institut Fourier. Band 55, Nr. 6, 2005, S. 2197–2207, doi:10.5802/aif.2158 (numdam.org).
- ↑ Terence Tao und Van Vu: Random Matrices: Universality of Local Eigenvalue Statistics up to the Edge. In: Springer Science and Business Media (Hrsg.): Communications in Mathematical Physics. Band 298, Nr. 2, 2010, S. 549--572, doi:10.1007/s00220-010-1044-5.
- ↑ Alexander Soshnikov: Universality at the Edge of the Spectrum{\textparagraph}in Wigner Random Matrices. In: Springer Science and Business Media (Hrsg.): Communications in Mathematical Physics. Band 207, Nr. 3, 1999, S. 697–733, doi:10.1007/s002200050743.
- ↑ J. O. Lee und J. Yin: A necessary and sufficient condition for edge universality of Wigner matrices. In: Duke Math. J. Band 163, Nr. 1, 2014, S. 117–173.
- ↑ Gideon Amir, Ivan Corwin und Jeremy Quastel: Probability distribution of the free energy of the continuum directed random polymer in 1 + 1 dimensions. In: Wiley (Hrsg.): Communications on Pure and Applied Mathematics. Band 64, Nr. 4, 2010, S. 466--537, doi:10.1002/cpa.20347.
- ↑ Jeremy Quastel und Daniel Remenik: KP governs random growth off a one dimensional substrate. Hrsg.: arXiv. 2019, doi:10.48550/ARXIV.1908.10353, arxiv:1908.10353 [abs].