Ein Ungehorsam bei Pferden umfasst allgemeine Widersetzlichkeiten sowie die Verweigerung eines Hindernisses.

Auf der Weide gehört das Davonstürmen, Buckeln, Bocken, Ausschlagen und Steigen, aus Bewegungsfreude oder aus bestimmten sozialen Situationen heraus, zum natürlichen Verhalten. An der Hand, unter dem Reiter oder vor dem Wagen sind diese Verhaltensweisen unerwünscht und zum Teil gefährlich. Deshalb ist es Ziel jeder Pferdeausbildung, ein solches Verhalten im Umgang zu kontrollieren. Manche dieser Verhaltensweisen werden bei entsprechender Ausbildung in der Hohen Schule gezeigt.

Durchgehen

Durchgehen ist ein unkontrolliertes Davonstürmen eines Pferdes beim Reiten oder Fahren.

In der Regel ist es entweder übermäßige Lauffreude oder tatsächlich eine Fluchtreaktion. Die übermäßige Lauffreude, vor allem bei jungen Pferden, kann durch Paraden gedämpft werden.

Gefährlicher ist die Fluchtreaktion, bei der das Pferd in Panik ist und infolgedessen nicht mehr normal reagiert. Aufgrund der Panik ist es blind für Gefahren und kann sich leicht an Hindernissen verletzen. Normale Paraden dringen unter diesen Umständen nicht mehr zum Pferd durch. Man kann versuchen, das Pferd auf einen enger werdenden Zirkel zu lenken und es so schließlich zu Anhalten bringen.

Manchmal stürmt ein Pferd davon, um sich einer Aufgabe zu entziehen. Das kann daran liegen, dass das Pferd nicht hinreichend gut ausgebildet ist und physisch oder psychisch der gestellten Aufgabe nicht gewachsen ist.

Bocken

Beim Bocken (auch Buckeln) senkt das Pferd oder der Bulle den Kopf und hebt die Hinterhand in die Luft, meistens schlägt das Tier mit den Hinterbeinen zusätzlich aus.

Beim Reiten ist es unangenehm, wenn der Reiter der Bewegung nicht folgen kann und dem Pferd deshalb entweder in den Rücken fällt oder vom Pferd stürzt. Auch hier kann die Ursache in übertriebener Lebensfreude, Ausweichverhalten oder Angst begründet sein. Das Ausweichverhalten kann in falscher oder unzureichender Ausbildung, oder mit physischen Gründen (Überlastung, Gesundheitsprobleme, Sattelzeug, ungeschickter Reiter, der dem Pferd schmerzhaft in den Rücken fällt) begründet sein.

Die Croupade, die vom Cadre Noir in Saumur gezeigt wird, ist ein Ausschlagen, bei dem die Vorhand auf dem Boden bleibt. Die Ballotade, die von der Spanischen Hofreitschule in Wien gezeigt wird, ist ein Hochspringen des Pferdes auf der Stelle und eine Vorstufe zur Kapriole.

Ausschlagen

Beim Schlagen hebt das Pferd, Esel oder Maultier beide Hinterbeine und schlägt nach hinten aus. Dieses Verhalten kann aus Lebensfreude gezeigt werden, wenn beispielsweise ein Fohlen auf der Weide ausschlagend davonstürmt. Es kann im Konflikt mit anderen Pferden gezeigt werden, in der Regel als Abwehr, wenn sich das Pferd bedrängt fühlt. Meistens wird das Ausschlagen als Warnung eingesetzt. Wenn ein Pferd jedoch gezielt ausschlägt, ist es sehr gefährlich, insbesondere wenn es hinten Hufeisen trägt.

Scheuen

Pferde neigen als Fluchttiere dazu vor unbekannten Geräuschen, Gerüchen oder Anblicken zurückzuweichen. Daher müssen sie an möglichst viele verschiedene Umweltreize durch Gelassenheitstraining gewöhnt werden, beispielsweise Verkehrssicherheitstraining. An den Geruch des verbrannten Horns beim Hufebeschlagen kann ein junges Pferd gewöhnt werden, indem es vor dem ersten Heißbeschlag zusieht wie ein erfahrenes Pferd beschlagen wird.

Steigen

Beim Steigen hebt das Pferde wie bei der Levade, der Pesade oder im Zirkus die Vorhand vom Boden.

Das unkontrollierte Steigen ist jedoch sehr gefährlich, da sich das Pferd nach hinten überschlagen und den Reiter unter sich begraben kann. Deshalb wird jeglicher Ansatz zum Steigen von sicherheitsbewussten Pferdemenschen sofort durch energisches Vorwärtsreiten unterbunden. Erst wenn ein Pferd sehr weit ausgebildet ist, in hoher Versammlung mit guter Hankenbeugung, taktrein, losgelassen und schwungvoll piaffiert, kann mit Levaden begonnen werden.

Verweigerung

Das Pferd verweigert, wenn es vor einem Hindernis stehenbleibt, zurückweicht, seitlich oder dagegenläuft, ohne es zu überwinden. Durch eine Verweigerung kann ein Reiter vom Pferd stürzen, oder das Pferd kann in das Hindernis laufen. Eine Verweigerung kann dennoch sicherer sein, wenn beispielsweise nicht richtig an das Hindernis herangeritten wurde und der Absprung nicht passt.

Ein Hindernis, das für ein Pferd zu schwer ist, sollte ihm nicht abverlangt werden. Ursachen für eine Verweigerung können falsches Anreiten (zu nah, nicht nah genug, falsches Tempo, zu wenig Schwung, Unsicherheit beim Reiter), ein falscher Anreitweg oder mangelhafte Ausbildung von Reiter oder Pferd sein. Das Pferd ist möglicherweise physisch nicht in der Lage das Hindernis zu bewältigen, beispielsweise aufgrund von schlechtem Trainingszustand, gesundheitlicher Probleme oder mangelhafter Eignung. Möglicherweise hat das Pferd schlechte Erfahrungen beim Springen gemacht, beispielsweise eine harte Hand oder schlechtes Einsitzen bei der Landung, und daher nicht ausreichend Vertrauen in seinen Reiter. Dann bereitet das Springen dem Pferd kein Vergnügen, es wird „sauer“ und neigt zu Verweigerungen. Es ist schwierig das Vertrauen eines sauren Pferdes wieder zu gewinnen. Ein schlechter Reiter kann sein Pferd zum Verweigern erziehen, indem er das Pferd durch falsche Reittechnik regelmäßig verweigern lässt. Das Pferd wird verunsichert und verliert den Spaß am Springen. Ein solches Pferd wird sauer genannt.

Zwang

Sattelzwang und Gurtzwang sind reflexhafte Abwehrreaktionen gegen das Satteln. Pferde, die schlechte Erfahrungen mit dem Satteln, mit Satteldruck oder Gurtdruck gemacht haben, entwickeln häufig solch eine zwanghafte Reaktion. Sattelzwang ist keine Unart des Pferdes, sondern eine logische Folge von menschlichem Fehlverhalten.

Leinenfangen

„Leinenfänger“ sind Zugpferde, die beim Fahren häufig die Leine zwischen Schweif und Hinterbacken einklemmen, entweder aus Unart oder unabsichtlich beim Verscheuchen von Insekten. Das erschwert das Lenken des Fuhrwerks erheblich. Daraus können gefährliche Situationen und Unfälle entstehen. Das Urteil zum Leinenfänger-Fall ist ein Fallbeispiel, mit dem in der Rechtswissenschaft die Voraussetzungen für Fahrlässigkeit erläutert werden.

Um das Leinenfangen zu vermeiden, wurden früher bei Kaltblütern häufig die Schweifrübe kupiert. Heute gibt es Schweifhalter, die anstelle der Schweifmetze verschnallt werden, an denen der Schweif so fixiert werden kann, dass er in der Bewegung eingeschränkt ist, alternativ kann eine Fliegendecke verwendet werden.

Ungehorsam in Prüfungen

Bei Prüfungen im Pferdesport wird ein Ungehorsam des Pferdes verschieden bewertet.

Prüfungen im Springreiten

Der Begriff Ungehorsam im Springreiten umfasst folgendes:

  • Verweigerung
  • Ausbrechen: seitliches Vobeilaufen an einem Hindernis
  • Widersetzlichkeit: widersetzliches Verhalten an irgendeiner Stelle des Parcours
  • Volte

In internationalen Springprüfungen führt ein zweiter Ungehorsam zum Ausscheiden des Paars. Auf nationalen Turnieren gelten teilweise abweichende Regeln. In Deutschland erhält ein Paar für den zweiten Ungehorsam 8 Strafpunkte. Erst der dritte Ungehorsam führt zum Ausscheiden des Teilnehmers. Beim Ausscheiden wegen Ungehorsam darf ein zusätzlicher Gehorsamssprung absolviert werden. Meist wird dafür der einfachste Sprung im Parcours gewählt, den das Paar sicher meistern kann.

Vielseitigkeit

Im Geländeritt einer Vielseitigkeitsprüfung wird eine Verweigerung als Hindernisfehler mit 20 Strafpunkten geahndet. Die Hindernisse müssen in der vorgesehenen Richtung und Reihenfolge gesprungen werden. Bei einer Hinderniskombination müssen beide Sprünge hintereinander gesprungen werden, ohne dazwischen eine Volte zu reiten. Wenn nach einer Verweigerung die Prüfung beendet wird, darf das Paar einen zusätzlichen Gehorsamssprung meistern, um zu verhindern, dass das Pferd mit einer schlechten Erinnerung das Turnier verlässt.

Gelassenheitsprüfung

Eine Widersetzlichkeit bei Gelassenheitsprüfungen liegt vor, wenn beispielsweise das Pferd mehrfach an eine Plane auf dem Boden herangeführt werden muss, bevor es darüberschreitet.

Beispiele

Commons: Ungehorsam (Pferd) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Video von einer Verweigerung bei 5:00 min. Das Pferd lief zuvor eine schwere Dressurprüfung. Nachdem es die Gelegenheit hatte sich mit einem kleinen Sprung auf das Springen einzustellen, sprang es problemlos.

Einzelnachweise

  1. Birgit Dresel, Christiane Gohl: Das schwierige Pferd. Franckh-Kosmos, 1995, ISBN 3-440-06787-4.
  2. Birgit Dresel, Christiane Gohl: Das schwierige Pferd. Franckh-Kosmos, 1995, ISBN 3-440-06787-4.
  3. Uta Helkenberg: CCI4* Burghley für Michael Jung vorzeitig beendet. In: Pferd Aktuell 2. September 2017.
  4. Birgit Dresel, Christiane Gohl: Das schwierige Pferd. Franckh-Kosmos, 1995, ISBN 3-440-06787-4.
  5. FEI-Reglement „Jumping Rules“, 26th edition, effective 1. Januar 2018, (PDF; 1,1 MB), Artikel 219 ff
  6. Spezial LPO 2018 – Neues im Parcours: Allgemeines – Zeitfehler. In: St. Georg. Januar 2018, S. 71.
  7. Adelheid Borchardt, Maike Hoheisel: Rio 2016: Ahlmann und Deußer gemeinsam auf Platz Neun. In: Pferd Aktuell. 19. August 2016.
  8. Guidelines to Eventing Rules 2018 art. 549.3.2, Diagrams of Cross Country Obstacles and Faults, Latest update: 16. Januar 2018, FEI
  9. FEI-Reglement „Eventing Rules“, 25th Edition effective 1. Januar 2018, (PDF; 800 kB), Artikel 549.1 Verweigerung
  10. Geführte GHP – Für Einsteiger. In: Cavallo.
  11. Gelassenheitsprüfung für Sport- und Freizeitpferde, verlegt von Cavallo und FN, 2012
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