Kellerfilme oder Regalfilme, nach Kurt Maetzigs Das Kaninchen bin ich auch schmähend als Kaninchenfilme bezeichnet, wurden im inoffiziellen Sprachgebrauch jene in der DDR produzierten Filme genannt, die nach ihrer Fertigstellung aufgrund von staatlicher Zensur keine Aufführungsfreigabe erhielten. Ihren Namen erhielten sie deshalb, weil sie im Staatlichen Filmarchiv der DDR gelagert wurden und auch Filmwissenschaftlern nicht zugänglich waren. Ein Großteil der Kellerfilme stammt aus den Jahren 1965 und 1966, als viele Kulturschaffende auf eine politische Liberalisierung hofften und sich an sozial-realistische Filmstoffe wagten. Diese Hoffnungen zerschlugen sich Ende 1965 mit dem XI. Plenum des ZK der SED, in dessen Folge etliche Filme verboten wurden, weshalb man sie auch als Plenumsfilme bezeichnete. Filmwissenschaftliche Instanzen der Nachwendezeit wie die DEFA-Stiftung dagegen benutzen überwiegend den Begriff Verbotsfilme. Das Umschwenken der DDR-Führung auf dem XI. Plenum ist vor allem eine Folge des Amtsantritts von Leonid Breschnew in der Sowjetunion im Jahr 1964.

Der bekannteste der mehr als 20 DDR-Kellerfilme ist Frank Beyers Spur der Steine.

Geschichte

Als Mitte der 1960er-Jahre in der DDR die Hoffnung auf einen Liberalisierungsprozess aufkam, ging eine Reihe von Spielfilmen in Produktion, die sich kritisch mit dem DDR-Alltag beschäftigten und sich gegen engstirnige Dogmatik wandten, ohne jedoch die Ideenwelt des Sozialismus zu verlassen. Auf dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 setzten sich aber ideologische Hardliner durch und die Aufführung der Filme Das Kaninchen bin ich (Kurt Maetzig, 1965), Denk bloß nicht, ich heule (Frank Vogel, 1965) und Der Frühling braucht Zeit (Günter Stahnke, 1965) wurde untersagt. Maetzig hatte ein kritisches Bild eines opportunistischen Richters gezeichnet, Vogel einen gegen seine heuchlerische Umwelt opponierenden Jugendlichen porträtiert und Stahnke inkompetente Leitungsfiguren in der Wirtschaft thematisiert.

In der Folge betrafen weitere Verbote die Filme Karla (Herrmann Zschoche, 1966) über eine couragierte Lehrerin, Berlin um die Ecke (Gerhard Klein, 1965) über das Berliner Arbeitermilieu, die Komödien Wenn du groß bist, lieber Adam (Egon Günther, 1965) und Hände hoch oder ich schieße (Hans-Joachim Kasprzik, 1966) sowie der Ernst-Barlach-Film Der verlorene Engel (Ralf Kirsten, 1966). Mit Spur der Steine (Frank Beyer, 1966) hofften die Filmschaffenden, durch Beteiligung des populären Hauptdarstellers Manfred Krug die Zensur überwinden zu können. Der Film wurde kurzfristig aufgeführt, doch nach auf Ulbrichts Anweisung inszenierten Protesten in den Kinos wieder zurückgezogen. Auch der Film Jahrgang 45 (Jürgen Böttcher, 1966) wurde verboten, obwohl er keine politische Aussage machte, sondern im Stil der Nouvelle Vague die Irrwege eines jungen Mannes in Prenzlauer Berg beobachtete.

Auch später gab es gelegentlich Aufführungsverbote für Filme in der DDR, so etwa für Heiner Carows Die Russen kommen (1968), für Iris Gusners Die Taube auf dem Dach (1973) und für Rainer Simons Jadup und Boel aus dem Jahr 1981, der allerdings 1988 doch noch in die Kinos kam. Nach der Wende wurden die Kellerfilme aus dem Archiv geholt, teilweise vervollständigt und rekonstruiert und Anfang 1990 in der Akademie der Künste in Ostberlin und anlässlich der Berlinale dem Publikum zugänglich gemacht.

Liste der DDR-Keller- bzw. Verbotsfilme

Situation in anderen sozialistischen Ländern

Auch in den anderen sozialistischen Ländern gab es eine, wenngleich zeitlich und örtlich unterschiedlich streng gehandhabte Filmzensur. So unterlagen etwa in der Tschechoslowakei viele der in der sogenannten tschechischen Neuen Welle der frühen 1960er Jahre entstandenen Filme einem Aufführungsverbot, darunter unter anderen einige von Pavel Juráček, Jiří Menzel und Věra Chytilová. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Pakts im Jahr 1968 verschärfte sich diese Zensur insbesondere während der sogenannten „Normalisierung“ noch einmal beträchtlich.

Als Beispiele aus der Sowjetunion können etwa der 1967 entstandene Film Die Kommissarin von Alexander Askoldow oder der 1984 gedrehte Film Die Reue von Tengis Abuladse genannt werden, die erst infolge der Perestroika nach 1987/88 ins Kino und zu Festival-Ehren kamen.

Prominentester ungarischer Verbotsfilm dürfte der Film Der Zeuge [A tanú] von Péter Bacsó aus dem Jahr 1969 sein, der, wenngleich auch dazu noch leicht zensiert, erstmals 1981 beim Filmfestival Cannes gezeigt werden konnte, und ebenda im Jahr 2019 noch einmal, nun in vollständig unzensierter Fassung.

Situation in Polen

Aufgrund der vergleichsweise großen künstlerischen Freiräume seiner im Gefolge des poststalinistischen „Tauwetters“ ab Mitte der 1950er Jahre entstandenen „Filmischen Arbeitsgruppen“ [Zespoły Filmowe] konnten in Polen – anders als in seinen Nachbarländern mit eher präventiver Zensur – zahlreiche Filme produziert werden, die erst im Nachhinein von den Behörden verboten wurden, dadurch aber immerhin schon einmal „in der Welt waren“ und so zum Teil selbst Jahrzehnte später doch noch das Licht der Öffentlichkeit erblickten. Die nachstehende Tabelle listet die 26 am längsten verbotenen polnischen Kinofilme, mehrheitlich Spielfilmproduktionen, auf:

FilmtitelRegisseur/inProduktionPremiereVerbotsjahre
Długa noc [Die lange Nacht] pl:Janusz Nasfeter 1967 1992 25
Ósmy dzień tygodnia [Der achte Wochentag] Aleksander Ford 1958 1983 25
Ręce do góry [Hände hoch!] Jerzy Skolimowski 1967 1985 18
Diabeł [Der Teufel] Andrzej Żuławski 1972 1988 16
Na srebrnym globie [Der Silberne Planet] Andrzej Żuławski 1976/87 1988 12
Zasieki [Drahtverhaue] pl:Andrzej Jerzy Piotrowski 1973 1983 10
Głowy pełne gwiazd [Köpfe voller Stars] Janusz Kondratiuk 1974 1983 9
Pełnia nad głowami [Vollmond über den Köpfen] pl:Andrzej Czekalski 1974 1983 9
Jej portret [Ihr Porträt] pl:Mieczysław Waśkowski 1974 1982 8
Przesłuchanie [Verhör einer Frau] Ryszard Bugajski 1982 1989 7
Choinka strachu [Christbaum der Angst] pl:Tomasz Lengren 1982 1989 7
Kobieta samotna [Eine alleinstehende Frau] Agnieszka Holland 1981 1988 7
Wigilia [Heiligabend] pl:Leszek Wosiewicz 1982 1988 6
Stan wewnętrzny [Der innere Zustand] pl:Krzysztof Tchórzewski (reżyser) 1983 1989 6
Wolny strzelec [Der Freelancer] pl:Wiesław Saniewski 1981 1987 6
Palace Hotel [Palace Hotel] pl:Ewa Kruk 1977 1983 6
Przypadek [Der Zufall möglicherweise] Krzysztof Kieślowski 1981 1987 6
Matka Królów [Mutter Król und ihre Söhne] Janusz Zaorski 1982 1987 5
Wielki bieg [Der große Lauf] pl:Jerzy Domaradzki 1981/85 1986 5
Grzechy dzieciństwa [Die Sünden der Kindheit] pl:Krzysztof Nowak-Tyszowiecki 1980 1984 4
Indeks (Życie i twórczość Józefa M.)
[Studienbuch (Leben und Schaffen des Józef M.)]
pl:Janusz Kijowski 1977 1981 4
Niedzielne igraszki [Sonntagsspielereien] Robert Gliński 1983 1987 4
Wierna rzeka [Der getreue Strom] pl:Tadeusz Chmielewski (reżyser) 1983 1987 4
Jak żyć [Wie man leben soll] pl:Marcel Łoziński 1977 1981 4
Był Jazz [Es gab Jazz] Feliks Falk 1981 1984 3
Koncert [Das Konzert] Michał Tarkowski 1982 1985 3

Literatur

  • Christiane Mückenberger (Hrsg.): Prädikat: Besonders schädlich. Berlin 1990.
  • Ralf Schenk (Red.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg 1946-1992. Berlin 1994.
  • Günter Agde (Hrsg.): Kahlschlag: das 11. Plenum des ZK der SED. Berlin 2000.

Ralf Schenk & Gudrun Scherp (Redaktion); Johannes Roschlau (Texte); Merle Bargmann & Philip Zengel (Gestaltung): Online Ausstellung: Verbotsfilme der DEFA. DEFA-Stiftung, 2015;.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jörg Schweinitz: Kellerfilm/Regalfilm. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Reclams Sachlexikon des Films. 2. Auflage. Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-010625-9, S. 341 f.
  2. Online Ausstellung: Verbotsfilme der DEFA. DEFA-Stiftung, 2015, abgerufen am 17. Mai 2019.
  3. Kinematografie w Polsce Ludowej 1945-1980; Redakcja Wydawnictw Filmowych ZRF, Warszawa 1980, S. 173–177.
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