Der Prager Frühling (tschechisch Pražské jaro, slowakisch Pražská jar) ist die Bezeichnung für das Streben der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei (KSČ) unter Alexander Dubček im Frühjahr 1968, ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm durchzusetzen, sowie vor allem die Beeinflussung und Verstärkung dieser Reformbemühungen durch eine sich rasch entwickelnde kritische Öffentlichkeit.

Mit dem Begriff „Prager Frühling“ verbinden sich zwei gegensätzliche Vorgänge: einerseits der Versuch, einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ (tschechisch: socialismus s lidskou tváří) zu schaffen, andererseits aber auch die gewaltsame Niederschlagung dieses Versuchs durch am 21. August 1968 einmarschierende Truppen des Warschauer Paktes.

Die Bezeichnung „Prager Frühling“ stammt von westlichen Medien und ist eine Fortführung des Begriffs Tauwetter-Periode, der wiederum auf den Titel des Romans Tauwetter von Ilja Ehrenburg zurückgeht. In Prag selbst wird mit „Prager Frühling“ außerdem das seit 1946 regelmäßig durchgeführte Musikfestival Prager Frühling genannt.

Vorgeschichte

Ab dem Beginn der 1960er-Jahre befand sich die ČSSR in einer tiefgreifenden ökonomischen und gesellschaftlichen Krise: Das bürokratisch-zentralistische Planungssystem hatte zu einer dramatischen Stagnation der Wirtschaft – auch im Vergleich zu den anderen RGW-Staaten – geführt; die Kommunistische Partei wurde von einer stalinistisch geprägten Führungsspitze dominiert. Sie ließ zum Beispiel eine Aufarbeitung der politischen Schauprozesse (siehe hierzu z. B. Milada Horáková, Slánský-Prozess) in der Gottwald-Ära der späten 1940er- und frühen 1950er-Jahre nicht zu.

Wirtschaftsreformdebatten

Mit dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise 1963 wurden schließlich reformerische Stimmen innerhalb und außerhalb der Partei lauter. Unter der Führung des Zentralkomiteemitglieds und Leiters des Wirtschaftsinstituts an der Prager Akademie der Wissenschaften Ota Šik bildete sich eine technokratische Opposition, die grundlegende Wirtschaftsreformen forderte. Nach der Ansicht Šiks sollte die Planwirtschaft zugunsten einer „sozialistischen Marktwirtschaft – unter Befreiung der Betriebe von staatlicher Führung und Abbau der Bürokratie – aufgegeben werden. Unter anderem schlug Šik auch die Zulassung autonomer Gewerkschaften und privat geführter Kleinbetriebe, Joint Ventures mit westlichen Firmen, die Einführung einer Arbeiterselbstverwaltung und das Ende der staatlichen Lenkung der Preisbildung vor.

Ota Šik – der sich nicht als Revolutionär, sondern angesichts der prekären Lage der tschechoslowakischen Wirtschaft als Reformer verstand – ging nicht so weit, die Kollektivierung der Landwirtschaft und das Volkseigentum an den Produktionsmitteln in Frage zu stellen.

Slowakische Nationalpolitik

Im Jahr 1960 nahm die Tschechoslowakei die sozialistische Verfassung an. In dieser neuen Verfassung kam es zu einer wesentlichen Einengung der Kompetenzen der slowakischen nationalen Organe, die Vollmachten des Slowakischen Nationalrates wurden an die Ministerien in Prag übertragen. In der Folgezeit erfuhr die Slowakei durch die Integration in die kommunistisch regierte Tschechoslowakei zwar einen großen Modernisierungsschub, bezahlte diesen jedoch mit dem Fehlen politischer Partizipation. Beschlüsse der Kommunistischen Partei der Slowakei (KSS) mussten vor der Verabschiedung in Prag genehmigt werden. Seit 1963 hatte Alexander Dubček das Amt des Ersten Sekretärs der KSS inne. Er setzte sich für die Rehabilitierung der in den 1950er-Jahren verurteilten slowakischen Kommunisten ein und schuf ein liberales Klima in der Slowakei (liberaler als in Prag), das vor allem die slowakischen Journalisten und Schriftsteller nutzten.

In der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei stand Dubček in Opposition zu Antonín Novotný, dem Ersten Sekretär des Zentralkomitees der KPČ und Präsidenten der ČSSR. Dubček wollte unter anderem diese beiden Ämter nicht mehr in einer Person vereinigt wissen und forderte außerdem die Erhöhung der Machtbefugnisse der slowakischen Organe. Novotný nannte Dubček einen slowakischen Nationalisten und plante dessen Absetzung. Ihren Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung Novotny-Dubček im Dezember 1967. Aber Novotny „verlor“: am 5. Januar 1968 stellte er seine Funktion als erster Sekretär der Partei zur Verfügung.

Die slowakische nationale Bewegung war ein entscheidender Faktor für den Beginn des Prager Frühlings.

Kritische Öffentlichkeit

Für die kritische Intelligenz erweiterten sich in einem „Klima unwillig tolerierter Liberalisierung und relativ wirkungsloser Repressalien seitens der politischen Institutionen“ die Möglichkeiten einer öffentlichen Meinungsäußerung, die von einer breiten Bevölkerungsschicht immer aufmerksamer verfolgt wurden. Bis zum Ende des Jahres 1967 wuchs die kritische Öffentlichkeit immer mehr an und radikalisierte sich dabei in ihrer Kritik zunehmend.

Ein frühes Anzeichen dieser Veränderungen war die „Rehabilitierung“ des lange verfemten Franz Kafka, dessen literarische Geltung auf einer internationalen Schriftstellertagung auf Schloss Liblice am 27. und 28. Mai 1963 zur Debatte gestellt wurde. Auf dieser als Kafka-Konferenz bekanntgewordenen Tagung handelte es sich um eine politische Diskussion auf dem Feld der Literaturwissenschaft, wobei Gegenstand der Debatte im Wesentlichen der zentrale marxistische Begriff der Entfremdung war. Gegen die Meinung vor allem der Teilnehmer aus der DDR, die Kafka als Opfer eines Personenkults sahen und dafürhielten, dass es die von Karl Marx postulierte Entfremdung des Arbeiters von seiner Arbeit im Sozialismus nicht mehr geben könne, vertraten die tschechoslowakischen Delegierten mit dem Österreicher Ernst Fischer die Auffassung, dass dies sehr wohl der Fall sein könne und dass man die Dinge so sehen solle, wie sie lägen.

Die Diskussion der Kafka-Konferenz wurde von der Literaturzeitung Literární noviny aufgegriffen und weitergeführt. Diese Zeitschrift war in der Folgezeit ein Hauptschauplatz der Auseinandersetzung zwischen den Ideologen und den Idealisten. Die Zeitschrift erreichte eine für ein Land wie die Tschechoslowakei beachtliche Auflage von 140.000 Exemplaren. Sie hatte sich zunehmend mit Sanktionen des Zentralkomitees der KPČ zu befassen. Der Chefredakteur wurde ausgewechselt, doch sein Nachfolger konnte wenig ausrichten. Auf einem Kongress des Schriftstellerverbandes im Juni 1967 übten die von Literární noviny entsandten Delegierten (drei Redakteure der Zeitschrift Ivan Klíma, Antonín Jaroslav Liehm und Ludvík Vaculík) erstmals direkte Kritik an der Parteiführung.

Staats- und Parteichef Antonín Novotný reagierte mit einer öffentlichen Erklärung, wonach der Kongress Teil einer vom Ausland gesteuerten Kampagne gegen die anstehenden Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution sei. Die KPČ befahl die Umbildung der Redaktion der Zeitschrift und verbot einer Anzahl der Kongressteilnehmer, darunter Pavel Kohout und Václav Havel, bei den Wahlen des Schriftstellerverbands zu kandidieren. Die oben genannten drei Redakteure wurden aus der Partei ausgeschlossen, andere Teilnehmer – wie etwa Kohout – erhielten Verwarnungen. Die Zeitschrift wurde dem Kulturminister Karel Hoffmann unterstellt und büßte augenblicklich ihre Funktion als Dissidentenorgan ein. Alles dies wurde jedoch als Anzeichen gesehen, dass Novotný Schwierigkeiten hatte, sich wie einst auf der Stelle durchzusetzen. So führten die Sanktionen stattdessen zu einem breiten Protest von Journalisten, Künstlern und Schriftstellern. Eine „gesetzlich ungeregelte, aber disziplinierte Presseanarchie“ begann sich zu entwickeln. Im März 1968 wurde die Zensur schließlich abgeschafft.

Führungswechsel in der KPČ

Am 31. Oktober 1967 protestierten Studenten gegen die Zustände in ihren Wohnheimen. Staats- und Parteichef Antonín Novotný ließ die Proteste gewaltsam auflösen, was ihm im Zentralkomitee jedoch massive Kritik eintrug. Auch die Sowjetunion, an die Novotný sich daraufhin wandte, gab ihm zu verstehen, dass er nicht mit Hilfestellung aus Moskau rechnen könne, vielmehr mit seinen Problemen selbst fertigwerden solle. Zum Jahresbeginn 1968 entluden sich die jahrelangen Spannungen zwischen dem linksdogmatischen und dem reformerischen Flügel der KPČ. Auf dem so genannten Januartreffen des Zentralkomitees der KPČ am 4. Januar 1968 wurde Novotný als Erster Sekretär der KPČ vom Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei der Slowakei Alexander Dubček abgelöst und behielt lediglich für einige Zeit das machtpolitisch wenig bedeutende Amt des Präsidenten der Republik.

Der Führungswechsel markierte – nach einigen Wochen Unklarheit über die neue Richtung – den Auftakt zu dem Reformkurs der tschechoslowakischen Regierungspartei, der in Verbindung mit dem Druck der kritisch gewordenen Öffentlichkeit zum Phänomen „Prager Frühling“ führte. Dubček versuchte zunächst, die Reformer in ihrem Eifer etwas zu bremsen, um nicht den Argwohn der anderen Ostblockstaaten auf sich zu ziehen. Diese begannen bereits, den Kurs der Tschechoslowakei zu kritisieren. Ota Šik wurde deshalb nicht wie gefordert Mitglied des Parteipräsidiums, zudem wurde ihm auch nicht die Leitung des Wirtschaftsausschusses übertragen. Vielmehr zielte Dubček zunächst auf eine Reform der bundesstaatlichen Verfassung ab, die den Slowaken mehr Selbstverwaltungsrechte zugestehen sollte.

Als programmatische Grundlage für die Reformen diente das am 5. April 1968 vorgestellte Aktionsprogramm der KSČ, das insbesondere auf Wirtschaftsreformen, Meinungs- und Informationsfreiheit, eine Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit und eine allgemeine Neuausrichtung der Rolle der Kommunistischen Partei in der Gesellschaft zielte. Dieser parteipolitische Reformkurs war allerdings nicht zuletzt infolge der Aufhebung der Zensur in vielerlei Hinsicht schon in der öffentlichen Diskussion über die Neugestaltung der Gesellschaft vorweggenommen worden. Die wesentlichen Punkte des Aktionsprogramms wurden auch durch die Regierungserklärung der ersten Regierung Oldřich Černíks übernommen, welche am 8. April 1968 die Regierung Jozef Lenárt ablöste.

Die Ziele des „Prager Frühlings“ und das Aktionsprogramm der KPČ

Die Stimmung in der Bevölkerung war überwiegend geprägt von „Zustimmung zum Sozialismus, allerdings nur zu einem reformierten, demokratischen“, nicht von der Forderung einer „Abschaffung des Sozialismus“. Bei einer Umfrage im Juli 1968 sprachen sich 89 % der tschechoslowakischen Bevölkerung für eine Beibehaltung des Sozialismus aus. In derselben Umfrage äußerten sich lediglich 7 % der Bevölkerung unzufrieden mit der Regierung Dubčeks, der in seinem Programm einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ propagierte. Das grundlegende Ziel war also, einen neuen Sozialismus zu denken, „ohne selbsternannte Führer […], ohne graue Arbeitsstätten und ohne gefühlslose Bürokratie“. Im Gegenzug sollte der „Mensch Wert über allen Werten sein“ und das System den Gegebenheiten der ČSSR angepasst werden, anstatt blind von Moskau zu kopieren. Die führende Rolle behielt dabei immer die KPČ, besonders als der Druck von außen zu wachsen begann.

Auf dem Gebiet der politischen Struktur wurde eine Liberalisierung aller Lebensbereiche geplant, so etwa auch des Aufbaus der KPČ selbst. Der Zentralismus sollte abgebaut werden, Machtkonzentrationen, gerade um Einzelpersonen, sollten verhindert werden, innerparteiliche Demokratie und eine Rückkehr zu einem parlamentarischen Modell mit bürgerlichen Parteien sollten aufgebaut werden.

Im Rechtssystem sollten Pluralismus und Meinungsfreiheit stärker ausgebaut werden und in der Praxis Anwendung finden. In diesem Zusammenhang steht auch die häufig geforderte Rehabilitierung der Opfer der Prozesse der „fünfziger Jahre“.

Führender Architekt der Wirtschaftsreformen war Ota Šik, der ein Modell einer „humanen Wirtschaftsdemokratie“ entworfen hatte. Demnach sollte die zentrale Planung der Wirtschaft auf ein Minimum reduziert werden, im Mittelpunkt sollten dagegen gegeneinander konkurrierende Betriebe stehen, die sich – zumindest formell – im Besitz ihrer Arbeiter befänden. Die wissenschaftlich-technische Revolution sollte dadurch vorangetrieben werden. In den Betrieben selbst gab es ein starkes Bestreben nach Strukturen, in denen Beschäftigte und externe Interessengruppen, wie Vertreter der Region, die Entscheidungsgewalt haben und eng zusammenarbeiten.

Die Umsetzung dieser Reformpläne wäre einer Hinwendung zu einem Wirtschaftssystem wie dem Jugoslawiens oder einem noch stärker an Marktmechanismen orientierten gleichgekommen. Nach der Wende gab Ota Šik in einem Interview an, niemals tatsächlich eine Reform des Sozialismus, sondern vielmehr dessen Abschaffung im Sinn gehabt zu haben.

Die Freiheit von Presse, Wissenschaft, Information und Reisen waren wichtige Schritte auf dem Weg zum angestrebten kulturellen Pluralismus. Dieser kulturelle Pluralismus betraf insbesondere auch die verschiedenen Nationalitäten innerhalb der ČSSR. Den Minderheiten sollte kulturelle Selbstbestimmung und Entfaltung gewährt werden und der Slowakei eine staatsrechtliche Gleichberechtigung in Form einer Föderalisierung der ČSSR. Auf der slowakischen Hälfte der ČSSR lag hier auch das Hauptaugenmerk.

Außenpolitisch war das oberste Ziel Sicherheit in Europa. Gerade die Lösung des Problems um die beiden gegeneinander stehenden deutschen Staaten war hier von essentieller Bedeutung, genau wie die guten Beziehungen der ČSSR zu ganz Europa. Die Reformer gaben vor, dass sich die ČSSR weiterhin klar an den Staaten des Warschauer Pakts orientieren würde, nur die Beziehungen innerhalb des Bündnisses sollten weg von der sowjetischen Vormacht hin zu einer gleichberechtigten Partnerschaft gehen. Gleichzeitig sollten die Ideen des „Prager Frühlings“ in andere Länder in Ost und West weiter getragen werden. Es ist jedoch unklar, ob dabei eher aus taktischen Gründen Zugeständnisse an das sozialistische Lager gemacht wurden, um einer Intervention Moskaus zuvorzukommen.

Festgehalten wurden diese Ziele im Aktionsprogramm der KPČ vom 5. April 1968, das auf der Plenarsitzung des Zentralkomitees vom 29. März bis zum 5. April beschlossen wurde. Allerdings konnten die genannten Ziele nur eine grobe Richtung vorgeben, markierten sie doch nur die Richtung eines laufenden Prozesses, der durch konstante gesamtgesellschaftliche Diskussion immer weiter entwickelt und erst durch politische Maßnahmen konkret werden sollte.

Emanzipation der Öffentlichkeit

Noch im Februar 1968 hatte Dubček die Pressezensur aufgehoben. In den Medien des Landes fand daraufhin eine „wahre Informationsexplosion“ statt. Dementsprechend wurde das Aktionsprogramm in der Öffentlichkeit wenig begeistert, sondern vielmehr als selbstverständlich aufgenommen, die Meinungsführerschaft hatte inzwischen von der Partei zum Volk gewechselt.

Ein Zeugnis dieser Emanzipation der Öffentlichkeit bildete das von Intellektuellen verschiedener Couleur unterzeichnete Manifest der 2000 Worte des Schriftstellers Ludvík Vaculík vom Juni 1968 wie auch die im Frühjahr entstandenen Vereinigungen K 231 oder KAN.

Der Stern berichtete in seiner Ausgabe Nr. 36 vom 8. September 1968 über die Aktivitäten des „Sendebataillons 701“ für Psychologische Kampfführung der Bundeswehr, das während des Prager Frühlings mit Geheimsendern wie „Freies Radio Tschechoslowakei“, „Freies Radio Nordböhmen“ und „Radio Nummer sieben“ auf den Frequenzen ausgeschalteter ČSSR-Stationen sendete. Dabei wurden unter anderem Falschmeldungen durchgegeben, zum Beispiel, dass Dubček ermordet sei oder ein Kinderkrankenhaus in Prag zusammengeschossen wäre. Der Stern dementierte diesen Bericht später, aber es wurden auf Grund des Artikels gegen die Zeitschrift Vorwürfe des Landesverrats erhoben.

Reaktion der Sowjetunion

Die Sowjetunion, die den Machtwechsel von Novotný zu Dubček zunächst gutgeheißen hatte, dann aber schnell eine äußerst skeptische Position zur tschechoslowakischen Entwicklung einnahm, wertete das Manifest der 2000 Worte als eine Plattform der Konterrevolution. Hierin wurde sie durch den stellvertretenden Ministerpräsidenten Gustáv Husák bestärkt, der von einer „Atmosphäre des Terrors“ sprach.

Antonín Novotný (er war am 5. Januar 1968 zum Rücktritt als Parteichef und am 22. März auch zum Rücktritt als Präsident gezwungen und im Juni aus dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei ausgestoßen worden) meldete bei zwei Besuchen bei der sowjetischen Regierung, die KP unter Dubček stehe kurz davor, das Machtmonopol der KP aufzugeben.

Schon am 21. März 1968 waren im Schloss Grillenburg bei Dresden Regierungsvertreter der ČSSR mit denen der Sowjetunion, Bulgariens, Ungarns, Polens und der DDR – die später als „Warschauer Fünf“ bezeichneten Staaten, die letztlich auch die Intervention durchführten, wenngleich die DDR nicht direkt einmarschierte – zusammengekommen, um über die Lage in der Tschechoslowakei zu sprechen. Weitere Treffen der „Warschauer Fünf“ zum Thema fanden, diesmal ohne tschechoslowakische Beteiligung, im Mai und Juni statt. Dabei wuchs der sowjetische Druck auf die Prager Regierung, die Reformen deutlich einzudämmen. Auch eine militärische Intervention gehörte bald zu den Drohungen, mit denen der Warschauer Pakt Druck auf sein reformorientiertes Mitglied ausübte.

Wenige Tage nach bilateralen Gesprächen zwischen der tschechoslowakischen und der sowjetischen Regierung fand am 3. August in Bratislava das letzte offizielle Treffen zwischen der Tschechoslowakei und den „Warschauer Fünf“ statt. Das in Bratislava verabschiedete Abschlusskommuniqué wurde in der ČSSR als Zeichen der Entspannung gewertet, da den verschiedenen Parteien eine nationale Souveränität auf ihrem Weg zum Sozialismus eingeräumt werden sollte. Tatsächlich wurden nach dem Treffen die laufenden sowjetischen Vorbereitungen zum Einmarsch in die Tschechoslowakei intensiviert.

Spätere Forschungen zeigen, dass Leonid Breschnew (anders als verbreitet angenommen) ein militärisches Eingreifen zu verhindern versuchte und bis zuletzt an die Möglichkeit einer politischen Lösung glaubte. In Verkennung der tatsächlichen Situation in der Tschechoslowakei soll er seinen Duzfreund Dubček am Telefon regelrecht angefleht haben, das Nötige zur Wiederherstellung der Vorherrschaft der KPČ zu unternehmen. Demgegenüber forderten die Staats- und Parteichefs der DDR und Bulgariens, Walter Ulbricht und Todor Schiwkow, sowie Vertreter des Militärs wie Marschall Gretschko entschieden die umgehende militärische Niederschlagung der Reformbewegung. Diese aus einer Analyse der internen Gespräche der sowjetischen Parteiführung gewonnenen Erkenntnisse lassen die späteren Verlautbarungen der sowjetischen Führung, man sei bis zum letzten Moment verhandlungsbereit gewesen, nicht mehr glaubhaft erscheinen.

Außerdem hatte die stalinistische tschechoslowakische Opposition das Treffen in Bratislava dazu genutzt, Leonid Breschnew den sogenannten Einladungsbrief zukommen zu lassen, mit dem sie um eine Intervention zur Verhinderung einer Konterrevolution in der ČSSR baten.

Warschauer Brief an die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei

Der Warschauer Brief an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (ČSSR) vom 15. Juli 1968 wird als Vorläufer der Breschnew-Doktrin verstanden: in dem Brief werden die Gründe für das Eingreifen bereits frühzeitig genannt – die Gefahr einer Lostrennung der Tschechoslowakei von der sozialistischen Gemeinschaft durch „feindliche Kräfte“. Der Brief wurde 37 Tage vor dem Einmarsch von Truppen in die Tschechoslowakei abgeschickt.

Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes

In der Nacht zum 21. August 1968 marschierten etwa eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens in die Tschechoslowakei ein und besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen des Landes. Es war die größte Militäroperation in Europa seit 1945. Die SR Rumänien beteiligte sich demonstrativ nicht an der Invasion. Nicolae Ceaușescu verurteilte den Einmarsch auf einer Kundgebung am 21. August 1968 in Bukarest mit scharfen Worten und erklärte: „Der Gedanke einer militärischen Intervention in die Angelegenheiten eines sozialistischen Bruderstaates kann durch nichts gerechtfertigt werden, und kein Grund kann gebilligt werden, der diesen Gedanken auch nur für einen Augenblick als annehmbar erscheinen lässt.“ Für die SVR Albanien, seinerzeit noch formales Mitglied des Warschauer Pakts, war der Einmarsch der Anlass zum Austritt aus dem Vertragsbündnis, der am 5. September 1968 auf einer Tagung der Partei der Arbeit Albaniens verkündet wurde. Die Nationale Volksarmee der DDR nahm an der Besetzung nicht teil, obwohl an der Grenze zur ČSSR zwei Divisionen bereitstanden. Etwa 30 Soldaten einer NVA-Nachrichteneinheit weilten während der Militäraktion im Führungsstab der Invasionstruppen auf dem Truppenübungsplatz Milovice.

Beim Einmarsch starben 98 Tschechen und Slowaken sowie etwa 50 Soldaten der Invasionstruppen.

Die KPČ beschloss, keinen militärischen Widerstand zu leisten. Die NATO verhielt sich ruhig, um der Sowjetunion keinen Vorwand für eine Intervention zu liefern.

Der Staatspräsident der Tschechoslowakei, Ludvík Svoboda, forderte Tschechen und Slowaken in einer Radioansprache dazu auf, Ruhe zu bewahren. Dubček und andere hochrangige Regierungsmitglieder wurden festgenommen und nach Moskau gebracht. Dort setzte man sie unter Druck und entmachtete sie schrittweise zugunsten des linientreuen Gustáv Husák. In der Tschechoslowakei funktionierte der eigentliche Plan der Sowjetunion, eine neue Regierung zu präsentieren, aufgrund des gewaltlosen, geschlossenen Protests der Bevölkerung des okkupierten Landes nicht. Auch die Behauptung, die KPČ habe um den Einmarsch ersucht, wurde von tschechoslowakischer Seite geschlossen dementiert: Für die tatsächlichen „Verschwörer“ war das Meinungsklima in der Tschechoslowakei zu ungünstig, um eine offene Palastrevolution verkünden zu können. In den Wirren der ersten Tage der Besatzung gelang es der KPČ sogar, einen außerordentlichen Kongress der Nationalversammlung einzuberufen, auf dem der Einmarsch ausdrücklich verurteilt und die Regierung Dubček im Amt bestätigt wurde.

Erklärung der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS

Am 21. August 1968 verbreitete die sowjetische Nachrichtenagentur TASS eine offizielle Erklärung zum Einmarsch von Truppen in die Tschechoslowakei: „TASS ist bevollmächtigt zu erklären, dass sich Persönlichkeiten der Partei und des Staates der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik an die Sowjetunion und die anderen verbündeten Staaten mit der Bitte gewandt haben, dem tschechoslowakischen Brudervolk dringend Hilfe, einschließlich der Hilfe durch bewaffnete Kräfte, zu gewähren. Dieser Appell wurde ausgelöst, weil die in der Verfassung festgelegte sozialistische Staatsordnung durch konterrevolutionäre Kräfte gefährdet wurde, die mit den dem Sozialismus feindlichen äußeren Kräften in eine Verschwörung getreten sind. … Die weitere Zuspitzung der Situation in der Tschechoslowakei berührt die Lebensinteressen der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder, die Interessen der Sicherheit der Staaten der sozialistischen Gemeinschaft. Die Gefahr für die sozialistische Ordnung in der Tschechoslowakei ist gleichzeitig auch eine Gefahr für die Grundfesten des europäischen Friedens.“

Nichtbeteiligung der DDR

Bereits im Mai 1968 war die Gefechtsbereitschaft der Grenztruppen der DDR erhöht worden. Die 7. Panzer- und die 11. motorisierte Schützendivision der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA) unterstanden ab dem 29. Juli 1968 dem sowjetischen Oberkommando. Am Morgen des 21. August wurde der zivile Grenzverkehr in die ČSSR eingestellt. Einige grenznahe Orte wurden isoliert und durften nur noch von Einwohnern betreten werden. Ebenfalls an diesem Tag nahm der Propagandasender Radio Vltava seinen Betrieb auf. Er wurde von der DDR betrieben und vom Sender Wilsdruff bei Dresden in Richtung Tschechoslowakei auf Mittelwelle ausgestrahlt. Ziel war es, die Bevölkerung im Sinne der Warschauer-Pakt-Staaten zu beeinflussen. Der Sender stellte im Frühjahr 1969 nach massiven Protesten der Tschechoslowakei den Betrieb ein.

An der Invasion selbst nahmen keine NVA-Truppen teil. Der Entschluss darüber fiel erst wenige Stunden vor dem Beginn des Einmarsches und wurde der NVA-Führung vom Oberkommandierenden der Warschauer Vertragsorganisation Marschall Jakubowski mitgeteilt. Vermutlich sollten die Bürger der ČSSR im dreißigsten Jahr nach dem Münchener Abkommen nicht durch den Anblick von Invasoren in deutscher Uniform zusätzlich verbittert werden. In Massenmedien der Paktstaaten wurden dennoch amtliche Stellungnahmen verbreitet, in denen eine Teilnahme der NVA behauptet wurde.

Die DDR-Führung wertete die Reduzierung der Rolle der NVA auf lediglich unterstützende Maßnahmen als eine Zurücksetzung. Die DDR-Führung täuschte die DDR-Bevölkerung absichtlich, indem sie Reportagen vom Einsatz der NVA-Truppen in der Tschechoslowakei verbreiten ließ. Einige westliche Journalisten fielen darauf herein und verbreiteten sie ebenfalls.

Am 23. August wurde die 11. motorisierte Schützendivision näher an die tschechoslowakische Grenze in den Raum AdorfAuerbachOelsnitz verlegt. Am 16. Oktober 1968 wurden die Truppen wieder dem Oberkommando der DDR unterstellt und einen Tag später in ihre Kasernen zurückverlegt.

Ziviler Widerstand

Dem Beschluss der KPČ gemäß rief Dubček dazu auf, auf gewaltsamen Widerstand zu verzichten, da dieser von vornherein aussichtslos sei. Dennoch kam es zu vereinzelten Auseinandersetzungen zwischen der Zivilbevölkerung und den Invasoren. Am ersten Tag des Einmarschs starben 23 Menschen. Bis zum 1. September kostete der Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes 71 Tschechoslowaken das Leben. Der Historiker Oldřich Tůma erklärte zur Gewaltlosigkeit: „Über die ein oder zwei Fälle, in denen tatsächlich schon vor dem 21. August 1968 Waffen gefunden wurden, ist wiederum bekannt, dass es sich um eine Provokation des sowjetischen Geheimdienstes gehandelt hat.“

Von der tschechischen und slowakischen Bevölkerung wurde versucht, durch zivilen Ungehorsam und verschiedene Aktionen die Besetzung zu verlangsamen. Es war ein keineswegs „passiver Widerstand“, sondern ein höchst aktiver: So wurden Ortstafeln und Straßenschilder verdreht, übermalt, zerschlagen oder abmontiert, so dass ortsunkundige Besatzer in falsche Richtungen geschickt wurden. Tschechoslowakische Eisenbahner leiteten Nachschubzüge für die Rote Armee auf Abstellgleise. Tausende zumeist selbstgezeichnete oder selbstgedruckte Plakate, die die Besatzer verspotteten und zum passiven Widerstand aufriefen, wurden vorwiegend in Prag und Bratislava, aber auch in anderen Städten verteilt und an Häuserwände und Schaufenster geklebt. Auch der damalige Tschechoslowakische Rundfunk spielte eine große Rolle. So wurde unter dem damaligen Leiter Zdeněk Hejzlar eine mobile Sendestation eingesetzt, um die Bevölkerung zu informieren. Auch der ORF spielte dabei eine große Rolle, indem er die Tschechoslowaken via Kurzwelle-Sendeanlagen in Österreich informierte. Im eigenen Land wurden sie über die Ereignisse gar nicht bzw. teils falsch informiert. Daneben spielten auch Piratensender eine wichtige Rolle, die von den sowjetischen Besatzungstruppen ebenfalls nicht völlig ausgeschaltet werden konnten.

Solidaritätskundgebungen in mehreren Städten der Sowjetunion wurden totgeschwiegen und die Demonstranten verschwanden in Gefängnissen.

Im Rahmen von Protesten in der DDR wurden laut Ministerium des Innern vom 21. August bis 4. September 1968 468 Demonstranten festgenommen und insgesamt die Personalien von 1075 Personen festgestellt.

Das Ende des Prager Frühlings

Am 23. August, zwei Tage nach dem Beginn der Intervention, wurde Präsident Ludvík Svoboda offiziell zu Verhandlungen nach Moskau gerufen, an denen auf seine Forderung hin – zunächst nur inoffiziell – auch die in Haft gehaltenen Regierungsmitglieder um Dubček teilnahmen.

Das drei Tage später verabschiedete Moskauer Protokoll enthielt eine Aufhebung fast aller Reformprojekte. Mit diesem Ergebnis einer faktischen Kapitulation im Gepäck kehrte Dubček, der vorerst noch in seinen Ämtern belassen wurde, nach Prag zurück, wo er zunächst noch einmal begeistert empfangen wurde. Bald darauf wurde der Bevölkerung der ČSSR klar, dass der „Prager Frühling“ vorbei war.

Als Folge der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Truppen der Staaten des Warschauer Paktes verließen zehntausende Menschen, in erster Linie Facharbeiter und Intellektuelle, das Land. Allein nach Österreich flüchteten rund 96.000 Menschen, weitere 66.000 Urlauber kehrten nicht aus Österreich in die Tschechoslowakei zurück. Andere flüchteten über die Grenze nach Bayern.

Im Zuge der von Husák initiierten Säuberungen innerhalb der kommunistischen Partei wurden fast 500.000 Mitglieder aus der KSČ ausgeschlossen.
Am 16. Januar 1969 verbrannte sich der Student Jan Palach aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings auf dem Wenzelsplatz. Am 25. Februar 1969 verbrannte sich dort auch der Student Jan Zajíc.

Rezeption im Ausland

Italien und Frankreich

In Italien und Frankreich wurde der sowjetische Einmarsch nicht nur von einer liberalen Öffentlichkeit, sondern auch von den jeweiligen Kommunistischen Parteien öffentlich verurteilt. Dies galt als Symptom einer zunehmenden Loslösung von Moskau, die zu einem der Gründungsmomente des Eurokommunismus wurde. Von der SED wurde die Kritik nicht gutgeheißen, dennoch bemühte sich die Partei weiterhin aus außenpolitischen Gründen um enge Beziehungen etwa zur Italienischen Kommunistischen Partei (PCI).

Bundesrepublik Deutschland

Der Prager Frühling und seine Niederschlagung wurde in der Bundesrepublik Deutschland wie kaum ein anderes außenpolitisches Ereignis beachtet und kommentiert. Dabei war das Interesse in eigentlich allen Teilen der Öffentlichkeit ähnlich groß: Sowohl die großen konservativen Zeitungen als auch die kleinen linksoppositionellen Blätter brachten die Ereignisse auf ihre Titelseiten. So beobachtete einerseits die bürgerliche Presse den tschechoslowakischen Versuch, einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zu schaffen, mit großer Anteilnahme und fast durchweg positiven Kommentaren, interpretierte die Reformen dabei aber als angestrebte Nachholung des westlichen Standards von Freiheit und Demokratie.

Dagegen sah die außerparlamentarische Opposition der Bundesrepublik im Prager Frühling einen „dritten Weg“, eine „bisher unentdeckte sozialistische Demokratie“.

Österreich

Obwohl man nicht von einer bewaffneten Intervention in Österreich ausging, hatten bereits am 23. Juli Besprechungen zwischen Innen- und Verteidigungsministerium über die Möglichkeit von Interventionen und Maßnahmen zum Schutze Österreichs stattgefunden. Diese Maßnahmen erhielten den Decknamen Urgestein, kamen später jedoch nicht voll zum Tragen, da das Bundesheer dreißig Kilometer hinter der Grenze in Stellung gehen musste.

Wegen der Manöver befanden sich schon wochenlang Truppen des Warschauer Paktes auf tschechoslowakischem Staatsgebiet, wenn auch in relativ geringer Stärke. Es handelte sich dabei im Wesentlichen um Logistik-Verbände, die den Einmarsch vorbereiten und anschließend koordinieren sollten. So wurde auch die österreichische Regierung, zudem damals in der Urlaubszeit, von der Besetzung überrascht. Als Sofortmaßnahme wurden dem sowjetischen Botschafter in Österreich Protestnoten – gegen die zahlreichen Aufklärungsflüge sowjetischer Luftstreitkräfte über österreichischem Hoheitsgebiet – überreicht.

Gleichzeitig wurde unter dem Decknamen „Marschmusik für Glockenspiel“ das Bundesheer alarmiert und mehr als drei Brigaden zur Verstärkung der nördlich der Donau gelegenen Garnisonen in das Waldviertel verlegt.

Um eine genügende Zahl aktiver Soldaten zur Verfügung zu haben, wurde die Entlassung der neun Monate dienenden Wehrpflichtigen durch einen Aufschubpräsenzdienst für die Dauer der „Tschechenkrise“ aufgeschoben.

In Österreich gab es Proteste gegen die ORF-Berichterstattung. Der erst seit 1967 rechtlich unabhängige ORF war seit dem Beginn der Operationen bestens informiert und konnte diese Meldungen auch an andere westliche Medien weitergeben. Darüber beschwerte sich der sowjetische Botschafter und es kam zu Konfrontationen zwischen der Bundesregierung und dem ORF, denen sich auch Bruno Kreisky anschloss, da der ORF unter der Leitung von Gerd Bacher, auch seiner Ansicht nach neutralitätswidrig berichtete. Dennoch gelang es dem österreichischen Rundfunk als Informationsdrehscheibe für die ganze Welt zu fungieren und laufend aktuelle Nachrichten anzubieten.

Eine besondere Rolle für ausreisewillige Tschechoslowaken spielte der damalige österreichische Botschafter in Prag und spätere Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, der entgegen den Weisungen des Außenministers Kurt Waldheim die österreichische Botschaft für Fluchtwillige offenhielt und Visa für Österreich ausstellte. Damit verhalf Kirchschläger zahlreichen Personen zur Flucht. In der Folge kamen rund 210.000 Flüchtlinge nach Österreich, von denen aber nur etwa 12.000 auch um Asyl ansuchten und in Österreich blieben.

Sowjetunion

Am 25. August protestierten acht Personen am sogenannten Hinrichtungsplatz auf dem Roten Platz in Moskau mit einem Transparent „Für eure und unsere Freiheit“.

Diplomatische Nachwirkungen in der Gegenwart

Bei seinem Treffen mit dem tschechischen Präsidenten Václav Klaus am 1. März 2006 räumte der russische Präsident Putin für Russland als Rechtsnachfolger der Sowjetunion eine moralische Verantwortung ein, sagte aber: „Es gibt keine juristische Verantwortung und kann keine solche geben“.

Im Juni 2015 wurde der russische Botschafter vom tschechischen Außenministerium einberufen, nachdem in einer Dokumentation im russischen Staatsfernsehen der Prager Frühling als Putschversuch durch eine Vereinigung „verurteilter ehemaliger Nazis, SS-Leute und Kollaborateure“ dargestellt und die Behauptungen von 1968 über eine angebliche Einmischung der NATO wieder aufgenommen worden waren. „Das russische Fernsehen lügt“, sagte Präsident Miloš Zeman, während Ministerpräsident Bohuslav Sobotka die damaligen Vorgänge eine „Okkupation“ nannte. Die Versicherung des russischen Botschafters, dass die Dokumentation nichts mit der russischen Politik zu tun hätte, bezeichnete Außenminister Lubomír Zaorálek als „lächerlich“. Der ehemalige Botschafter in Moskau, Petr Kolář, erklärte, die russischen Medien versuchten, ihre Sendungen in vorauseilendem Gehorsam dem Weltbild Präsident Putins anzupassen.

Filme

Dokumentation

  • Renata Schmidtkunz: Ende eines Frühlings – Prag 1968. AT, ORF, 45 Min., 2008. Inhalt: Zeitzeugen wie der damalige ORF-Generalintendant Gerd Bacher, Hugo Portisch, Helmut Zilk, Barbara Coudenhove-Calergi (AZ Wien) sowie zwei Wortführer des Prager Frühlings, Pavel Kohout und Jiří Gruša, heute Präsident des Internationalen P.E.N., erinnern sich und kommentieren seltene Archivaufnahmen. Die Vorhersehbarkeit des Einmarsches wird wiederholt genannt.
  • Lutz Rentner & Frank Otto Sperlich: Der Prager Frühling und die DDR. DT, MDRFS, 45 Min., 2013, Erstausstrahlung 20. August 2013 (Dokumentation mit Archivaufnahmen). Inhalt: Junge Menschen in der DDR träumen davon, dass die DDR vom Prager Frühling angesteckt wird. Unter anderem berichten Toni Krahl, Florian Havemann und Friedrich Schorlemmer von den Hoffnungen und Niederlagen, die sie mit dem Prager Frühling verbanden.

Spielfilm

Literatur

  • Aktionsprogramm der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. In: Volkszeitung, Prag, 16/1968, (19. April 1968), dtsch.
  • Günter Bischof und weitere (Hrsg.): Prager Frühling. Das internationale Krisenjahr 1968. Band 1 (Beiträge) und Band 2 (Dokumente). Böhlau, Köln 2008, ISBN 978-3-412-20231-6 (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung, Graz–Wien–Klagenfurt: Sonderband 9).
  • Heinrich Böll, René Böll (Hrsg.): Der Panzer zielte auf Kafka. Heinrich Böll und der Prager Frühling. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018, ISBN 978-3-4620-5155-1.
  • Stefan Bollinger: Dritter Weg zwischen den Blöcken – Prager Frühling 1968. Hoffnung ohne Chance. Trafo, Berlin 1995. ISBN 3-930412-78-0.
  • Zdeněk Hejzlar: Reformkommunismus. Zur Geschichte der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-434-00317-7.
  • Birgit Hofmann: Der «Prager Frühling» und der Westen. Frankreich und die Bundesrepublik in der internationalen Krise um die Tschechoslowakei 1968. Wallstein, Göttingen 2015, ISBN 978-3-8353-1737-6.
  • Vladimir Horský: Prag 1968. Systemveränderung und Systemverteidigung. (= Studien zur Friedensforschung. Band 14). Klett, Stuttgart / Kösel, München 1975, ISBN 3-466-42114-4.
  • Vladimir V. Kusin: The Intellectual Origins of the Prague Spring. The Development of Reformist Ideas in Czechoslovakia 1956–1967. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-52652-3.
  • Daniel Limberger: Polen und der „Prager Frühling“ 1968, Reaktionen in Gesellschaft, Partei und Kirche. Lang, Bern 2012, ISBN 978-3-631-62259-9, zugl. Dissertation Universität Freiburg im Breisgau 2011.
  • Francesco Di Palma: Konflikt und Normalisierung. SED und PCI vor der Herausforderung des Prager Frühlings (1968–1970). In: Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft II/2017, S. 128–144.
  • Zdeněk Mlynář: Der „Prager Frühling“. Ein wissenschaftliches Symposion. Bund, Köln 1983, ISBN 3-7663-0808-4
  • Jan Pauer: Prag 1968. Der Einmarsch des Warschauer Paktes. Hintergründe, Planung, Durchführung. Edition Temmen, Bremen 1995, ISBN 3-86108-314-0.
  • Lutz Prieß, Václav Kural, Manfred Wilke: Die SED und der „Prager Frühling“ 1968. Akademie, Berlin 1996, ISBN 3-05-002796-7.
  • Ota Šik: Prager Frühlingserwachen. Erinnerungen. Busse-Seewald, Herford 1988, ISBN 3-512-00841-0.
  • Reinhard Veser: Der Prager Frühling 1968. Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 1998, ISBN 3-931426-22-X; 2., überarbeitete Auflage 2008, ISBN 978-3-937967-31-8.
  • Rüdiger Wenzke: Die NVA und der Prager Frühling 1968: Die Rolle Ulbrichts und der DDR-Streitkräfte bei der Niederschlagung der tschechoslowakischen Reformbewegung. (= Forschungen zur DDR-Geschichte. Bd. 5). Ch. Links, Berlin 1995, ISBN 3-86153-082-1.
  • Martin Schulze Wessel: Der Prager Frühling: Aufbruch in eine neue Welt. Reclam, Ditzingen 2018, ISBN 978-3-15-011159-8.
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Wiktionary: Prager Frühling – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. Eleonora Schneider: Prager Frühling. S. 86.
  2. Literární noviny (2) 1952–67, online auf: www.slovnikceskeliteratury.cz (Portal Slovník české literatury – Lexikon der tschechischen Literatur)
  3. Jan Pauer: Der tschechoslowakische Reform- und Demokratisierungsprozess im Lichte der „Perestroika“. In: Tilly Miller (Hrsg.): Prager Frühling und Reformpolitik heute (= Akademiebeiträge zur politischen Bildung, Bd. 20). Olzog, München 1989, S. 44–57, Zitat S. 50.
  4. Kural, Priess, Wilke (Hrsg.): Die SED und der „Prager Frühling“ 1968. S. 98.
  5. 1 2 Otfrid Pustejovsky: In Prag kein Fenstersturz. München: DTV, 1968, S. 140.
  6. Peter-Claus Burens: Die DDR und der „Prager Frühling“. Duncker & Humblot, Berlin 1981, S. 50.
  7. Pustejovsky: In Prag kein Fenstersturz. S. 42.
  8. Burens: Die DDR und der „Prager Frühling“. S. 36.
  9. Burens: Die DDR und der „Prager Frühling“. S. 37.
  10. Kural, Priess, Wilke (Hrsg.): Die SED und der „Prager Frühling“ 1968. S. 97.
  11. Burens: Die DDR und der „Prager Frühling“. S. 44.
  12. Pustejovsky: In Prag kein Fenstersturz. S. 105.
  13. 1 2 Hájek: Begegnungen und Zusammenstöße. S. 172.
  14. Pustejovsky: In Prag kein Fenstersturz. S. 141.
  15. Burens: Die DDR und der „Prager Frühling“. S. 48.
  16. Eleonora Schneider: Prager Frühling. S. 75.
  17. Karl Heinz Roth: Invasionsziel DDR. Hamburg 1971, S. 178.
  18. Russen raus. In: Der Spiegel vom 15. Juli 1968.
  19. Reinhard Spehr in: Grillenburg. Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Arbeitsheft 10, Dresden 2006, S. 78, Quelle 59, ISBN 978-3-937602-85-1, und H. Fischer: Vor 30 Jahren: Warschauer Pakt im Tharandter Wald. In: Sächsische Zeitung, Freital, 29. April 1998.
  20. Forscher: DDR drängte auf Einmarsch bei Prager Frühling. In: Kölner Stadt-Anzeiger, 9. November 2007.
  21. Breschnew wollte Einmarsch 1968 in Prag verhindern. (Memento vom 5. Januar 2014 im Internet Archive) Schweizer Radio DRS: Echo der Zeit, 16. November 2007.
  22. Warschauer Brief an das Zentralkomitee der KP der Tschechoslowakei vom 15. Juli 1968 und dessen Antwort (vollständiger Text mit Antworten und Reaktionen), online beim Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung.
  23. Norman Davies: Europe – A History. Pimlico, London 1997, S. 1106.
  24. Friedrich Wiener: Die Armeen der Warschauer-Pakt-Staaten. 6. Aufl., Wien 1974, S. 45.
  25. Nicolae Ceausescu, Rumänien auf dem Weg der Vollendung des sozialistischen Aufbaus. Band 3, Politischer Verlag, Bukarest 1969, S. 451.
  26. Geschichte der Partei der Arbeit Albaniens. Verlag "8 Nëntori", Tirana 1981, S. 113.
  27. www.bundesarchiv.de (7. Panzerdivision und 11. motorisierte Schützendivision)
  28. 1 2 3 Russische Doku zum Einmarsch 1968 – der Mythos der „Bruderhilfe“. Radio Prag, 6. Juni 2015
  29. Erklärung der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS vom 21. August 1968 zum Einmarsch von Truppen der Sowjetunion, Bulgariens, der DDR, Polens und Ungarns in die ČSSR. Abgerufen am 23. Dezember 2020.
  30. Im Dienste der Partei. Handbuch der bewaffneten Organe der DDR. Herausgegeben von Torsten Diedrich u. a. im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, März 1998, S. 488f.
  31. Stefan Wolle (Lit.): Der Traum von der Revolte. S. 154.
  32. Stefan Wolle (Lit.): Der Traum von der Revolte. S. 153f.
  33. Der Begriff wird im Blick auf den Prager Frühling noch gelegentlich verwendet, um auszudrücken, dass der Widerstand gewaltfrei war.
  34. Roland Vogt: Widerstandsformen in der CSSR als Antwort auf die Intervention der Warschauer-Pakt-Truppen vom 21. August 1968. In: Soziale Verteidigung. Jg. 3 (1971), Heft 9/10, S. 60–70, hier S. 67.
  35. Roland Vogt: Widerstandsformen in der CSSR als Antwort auf die Intervention der Warschauer-Pakt-Truppen vom 21. August 1968. In: Soziale Verteidigung. Jg. 3 (1971), Heft 9/10, S. 60–70, hier S. 69.
  36. Roland Vogt: Widerstandsformen in der CSSR als Antwort auf die Intervention der Warschauer-Pakt-Truppen vom 21. August 1968. In: Soziale Verteidigung. Jg. 3 (1971), Heft 9/10, S. 60–70, hier S. 64.
  37. Vladimir Horský: Zur inneren Logik des Widerstandes in der CSSR, August 1968. In: Soziale Verteidigung. Jg. 3 (1971), Heft 9/10, S. 51–60, hier S. 55–56.
  38. Michail Schischkin: Schämt ihr euch nicht? NZZ, 27. Januar 2017
  39. Silke Stern, Die tschechoslowakische Emigration. Österreich als Erstaufnahme- und Asylland. In: Stefan Karner (Hg.), Prager Frühling das internationale Krisenjahr 1968. (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Kriegsfolgenforschung, Sonderband 1, Graz/Wien/Klagenfurt 2008) 1025-1042, S. 1041. Zu Flüchtlingszahlen siehe auch Magdalena Klaus (2013): „Asyl –Transit – Integration. Krisen am Eisernen Vorhang 1956 und 1968.“ S. 14–39 (mit über 100 Belegen)
  40. uni-passau.de: Prager Frühling und die Besetzung der Tschechoslowakei
  41. Francesco Di Palma: Konflikt und Normalisierung. SED und PCI vor der Herausforderung des Prager Frühlings (1968–1970). In: Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft II/2017, S. 128–144.
  42. Ernst Fischer: Keine Romantiker in Prag. In: Neues Forum. Heft 173, 5/1968, S. 284.
  43. Überraschung auf österreichischer Seite. auf ORF (Archiv), abgerufen am 1. Juni 2022.
  44. Demokratiezentrum – Asylpolitik, abgerufen am 16. August 2015.
  45. noe auf ORF
  46. „Für eure und unsere Freiheit“ (Protest am 25. August 1968), dekoder.org, 24. August 2018
  47. vgl. Putin gesteht „moralische Verantwortung“ für Prager Frühling ein. In: russlandonline.ru. 2. März 2006, abgerufen am 4. Januar 2014.
  48. Geschichtsklitterung à la Putin, TAZ, 16. Juni 2015
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