Milada Horáková (geborene Králová; * 25. Dezember 1901 in Královské Vinohrady, Österreich-Ungarn, heute zu Prag, Tschechien; † 27. Juni 1950 in Prag, Tschechoslowakei) war eine tschechoslowakische Politikerin (ČSNS), Widerstandskämpferin und Frauenrechtlerin. In einem Schauprozess während der politischen Prozesse in der Tschechoslowakei 1948–1954 wurde sie 1950 zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Leben
Milada Králová wuchs in einer bürgerlichen Familie in der damals noch eigenständigen Stadt Královské Vinohrady bei Prag auf. Ihr Vater Čeněk Král war Direktor einer Bleistiftfabrik in Budweis und Anhänger von Tomáš Garrigue Masaryks Realistischer Partei. Zwei ihrer Geschwister starben im Kindesalter an Scharlach. Die Mutter wurde anschließend körperlich und psychisch krank, Milada pflegte sie und übernahm Verantwortung für ihre jüngere Schwester.
Nach der Matura 1921 studierte sie Jura an der Prager Karls-Universität und wurde 1926 promoviert. Danach arbeitete sie bei der Stadtverwaltung von Prag in den Ressorts Sozialwesen, Wohnungsbau und Arbeit. Sie heiratete 1927 den Agraringenieur und Journalisten Bohuslav Horák (1899–1976) und konvertierte seiner streng protestantischen Familie zuliebe zur Evangelischen Kirche. 1933 brachte sie ihre Tochter Jana zur Welt.
Politische Tätigkeit
Als junge Frau engagierte sich Horáková in den 1920er und 1930er Jahren in der tschechoslowakischen Frauenbewegung. 1923 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen des „Nationalen Frauenrates“ (Ženská národní rada, kurz ŽNR), 1946 beteiligte sie sich federführend an der Wiederbelebung des Rates unter dem neuen Namen Rada československých žen RČŽ (Rat tschechoslowakischer Frauen), zu dessen Vorsitzende sie gewählt wurde. Zudem trat sie 1929 der Tschechoslowakischen Volkssozialistischen Partei (ČSNS) bei.
1939 ging Horáková in den tschechoslowakischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus und arbeitete in den Widerstandsgruppen Petiční výbor Věrni zůstaneme, Politické ústředí sowie in der Dachorganisation ÚVOD. Bereits nach kurzer Zeit wurde sie von der Gestapo verhaftet. Sie war zunächst zwei Jahre im Gefängnis Pankrác und wurde dann in der Festung Theresienstadt inhaftiert. Anschließend wurde sie zu Zwangsarbeit in einer Munitionsanstalt in Leipzig verurteilt. Als Agitatorin musste sie erneut ins Gefängnis und wurde in Dresden zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde in 8 Jahre Zuchthaus umgewandelt, schließlich wurde sie von der US Army am 1. Mai 1945 in der Strafanstalt Aichach befreit.
Nach ihrer Befreiung lebte sie in Prag, wo sie gegen die Kommunistische Partei agierte. Sie trat für politischen Pluralismus ein, der allein ihrer Meinung nach Freiheit und Individualismus schützen konnte. Horáková war Abgeordnete der ČSNS im tschechoslowakischen Parlament. Nach dem kommunistischen Umsturz vom Februar 1948 legte sie ihr Mandat nieder.
Schauprozess und Hinrichtung
Als Regimekritikerin unter dem stalinistischen Regime Klement Gottwalds verfolgt, musste sie erneut in den Untergrund gehen. Schließlich wurde sie verhaftet und in einem Schauprozess vor dem neu errichteten Staatsgericht wegen „antisowjetischer Konspiration“, „Hochverrats“, „Spionage“ und „umstürzlerischem Verhalten“ am 8. Juni 1950 zum Tode verurteilt. Der Staatsanwalt war Josef Urválek, der später auch beim Slánský-Prozess agierte. Im selben Prozess ebenfalls zum Tod verurteilt wurden Jan Buchal, Záviš Kalandra und Oldřich Pecl. Viele Persönlichkeiten setzten sich vergebens für Horákovás Begnadigung ein, darunter Albert Einstein, Bertrand Russell, Winston Churchill und Eleanor Roosevelt. Sie wurde am 27. Juni 1950 im Prager Gefängnis Pankrác hingerichtet. Ihre Leiche wurde im Krematorium Strašnice auf dem Friedhof Vinohrady verbrannt, die Asche anonym auf dem Friedhofsgelände vergraben.
Rehabilitierung
Am 30. Juli 1968, in der Endphase des Prager Frühlings, hob das höchste Gericht der ČSSR das Urteil postum auf und ordnete die Überprüfung des Falles durch die Staatsanwaltschaft an.
Zu einer vollständigen Rehabilitierung kam es erst im Jahr 1990, nach der Samtenen Revolution und dem Fall des Eisernen Vorhangs. Die Anklägerin Horákovás, Ludmila Brožová-Polednová (1921–2015), wurde am 9. September 2008 vom Obersten Gericht in Prag wegen Beteiligung am Justizmord zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt; nach einem Jahr und acht Monaten Haft wurde sie begnadigt.
Ehrungen
Der tschechoslowakische Präsident Václav Havel verlieh Milada Horáková 1991 postum den Tomáš-Garrigue-Masaryk-Orden 1. Klasse, eine der höchsten staatlichen Auszeichnungen. Auf dem Vyšehrader Friedhof wurde im Jahr 2000 ein Kenotaph für sie errichtet, ihre tatsächlichen Überreste befinden sich auf dem Gelände des Krematoriums Strašnice. Horáková wird als Märtyrerin für die Freiheit verehrt, was sich etwa daran zeigt, dass das Mahnmal für die Opfer am Eisernen Vorhang bei Cheb an ihrem 56. Todestag 2006 eingeweiht wurde.
Im Jahr 2009 wurde vor dem Gefängnis Pankrác, ihrer Hinrichtungsstätte, ein Denkmal mit ihrer Büste von Milan Knobloch für sie errichtet. 2010 wurde der 1998 entdeckte Asteroid (44530) Horáková nach ihr benannt. Auch eine Straße auf dem Letná-Hügel im Norden Prags trägt ihren Namen. Im Jahr 2020 wurde Milada Horáková von der slowakischen Staatspräsidentin Zuzana Čaputová postum mit den Orden des Weißen Doppelkreuzes 1. Klasse ausgezeichnet.
Die zehnteilige Dokumentarserie Proces H von Česká televize aus dem Jahr 2009 rekonstruiert den Verlauf des Schauprozesses, basierend auf Archivmaterial.
In der Filmbiografie Milada mit der israelischen Schauspielerin Ayelet Zurer in der Titelrolle wird Horákovás Leben nachgezeichnet. Der Film erhielt 2017 den Böhmischen Löwen.
- Horáková-Kenotaph auf dem Vyšehrader Friedhof
- Horáková-Kenotaph im Krematorium Strašnice
- Inschrift für Horáková auf dem Friedhof Vinohrady
- Horáková-Denkmal vor dem Gefängnis Pankrác
- Horáková-Denkmal in Prag-Smíchov
Literatur
- Milada Horáková, in: Wilma A. Iggers: Frauenleben in Prag. Ethnische Vielfalt und kultureller Wandel seit dem 18. Jahrhundert. Wien: Böhlau, 2000, S. 328–352; Kurzbiografie S. 417f.
Weblinks
- Milada Horáková. In: FemBio. Frauen-Biographieforschung (mit Literaturangaben und Zitaten).
- „Was ist das Leben wenn nicht Kampf?“, Späte Sühne für Todesurteil in Schauprozess. – zwei Artikel von Hans-Jörg Schmidt in der Welt vom 13. August und 11. November 2007.
Einzelnachweise
- ↑ Josette Baer: Seven Czech Women. Portraits of Courage, Humanism, and Enlightenment. Ibidem-Verlag, Stuttgart 2015, S. 114.
- ↑ Wilma Abeles Iggers: Women of Prague. Ethnic Diversity and Social Change from the Eighteenth Century to the Present. Berghahn Books, Providence (R.I.)/Oxford 1995, S. 290.
- ↑ Stephen Brown: "Show Trial" legalist who sent Czech dissident Milada Horakova to the gallows in 1950 gets eight years, 12. März 2007
- ↑ Jana Horakova-Kansky - Still proud of mother's enormous courage", radio.cz, 23. Mai 2007
- ↑ Sibylle Duda: Milada Horáková, Kurzlebenslauf der FemBio – Frauen-Biographienforchung (online auf: fembio.org/...; abgerufen am 7. März 2019).
- ↑ Eva Uhrová: Rada československých žen, Redaktion Gender Studies / Portal Feminismus (online auf: feminismus.cz/...; abgerufen am 7. März 2019).
- ↑ Květa Jechová: Emancipace shora, in: Paměť a dějiny 4/2013 (Veröffentlichungen des ÚSTR; online auf: ustrcr.cz/...; abgerufen am 7. März 2019).
- ↑ Sächsische Gedenkstätten: Milada Horaková (1901–1950)
- ↑ Urteil vom 8. Juni 1950. (Memento vom 28. August 2007 im Internet Archive)
- ↑ Prokurátorka procesu s Horákovou dostala 6 let podle práva z roku 1852, Nachrichtenmagazin iDNES-cz, 9. September 2008, online auf: idnes.cz/...
- ↑ Christian Falvey: Former show-trial prosecutor freed by presidential pardon. In: Radio Prag, 22. Dezember 2010 (englisch).
- ↑ Inhaltsangabe bei ČSFD.cz (tschechisch), abgerufen am 20. April 2022.
- ↑ Videos aller Episoden bei ceskatelevize.cz (tschechisch), abgerufen am 20. April 2022.
- ↑ Milada Film