Die Vier-Spezies-Maschine ist eine Gattungsbezeichnung für mechanische Rechenmaschinen. Im Wesentlichen wird dadurch gekennzeichnet, dass mathematische Berechnungen in allen vier Grundrechenarten (Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division) einfach möglich sind.
Die ersten funktionierenden Vierspeziesmaschinen stammten von Anton Braun und Philipp Matthäus Hahn im 18. Jahrhundert
Problematik der Begriffsbildung
Die Bezeichnung „Vier-Spezies-Rechenmaschine“ bedarf einer näheren Erläuterung. Im Allgemeinen soll eine Vier-Spezies-Maschine eine Rechenmaschine sein, auf der man zumindest in allen vier Grundrechenarten rechnen kann, was aber auch für manche Addiermaschine gilt. In der Fachliteratur findet sich keine ausreichend abgrenzende Definition des Begriffs Vier-Spezies-Maschine (siehe Literaturliste).
Bei einem heutigen Taschenrechner wird jede Funktion durch eine Tastenkombination repräsentiert. Deshalb kann der „Funktionsumfang“ vergleichsweise leicht allein durch die Betrachtung der Maschine bestimmt werden. Bei mechanischen Rechenmaschinen ist das nicht so. Diese bieten zwar auch eine gewisse (analysierbare) mechanische Grundfunktion, jedoch entsteht die mathematische Funktionalität erst zusammen mit der Handhabung durch den Bediener. Diese ist in zeitgenössischen Bedienungsanleitungen zu finden und ermöglicht teilweise unerwartete Funktionalität allein durch Handstellungen oder trickreichem Einsatz von Zählwerken. Diese lassen sich nicht durch die alleinige Betrachtung der Mechanik ermitteln.
Der lockere Umgang mit dem Begriff „Vier-Spezies-Rechenmaschine“ in der zeitgenössischen Literatur rührt vermutlich daher, dass solche Bezeichnungen zu Anfang des 20. Jahrhunderts zu Werbezwecken eingeführt worden sind. Diese sollten eigene Produkte von denen des Wettbewerbs unterscheiden und entsprachen teilweise nicht den Fakten.
Definition
Die Bezeichnung Vier-Spezies-Rechenmaschine wird meist für Maschinen verwendet, bei denen Algorithmen für die vier Grundrechenarten historisch nachgewiesen sind, so dass Addition und Subtraktion auf direktem Weg ausführbar sind, und auf denen die Multiplikation und Division, verglichen mit der Addition und Subtraktion, keinen feinmotorischen und nur wenig kognitiven Mehraufwand erfordern dürfen.
Dabei bedeutet direkter Weg, dass die Operanden nicht vorverarbeitet werden müssen und die Rechnung ausschließlich in und mit der Rechenmaschine vorgenommen wird. Wenig kognitiver Mehraufwand soll Kopfrechnen und Mitzählen schon ausschließen und Kontrolltätigkeiten, wie auf das Glockensignal achten oder beobachten, ob die Zählwerkanzeige in den negativen Bereich geht, noch einschließen.
Ein Nachteil dieser Definition ist, dass eine Rechenmaschine nicht eingeordnet werden kann, wenn die Rechenvorschriften für die Maschine nicht bekannt sind.
Alternative Definitionen
Definitionen von Vier-Spezies-Maschinen, wie sie in vielen Werken zum Thema Rechenmaschinen zu finden sind, greifen oft zu kurz:
- „Eine Vier-Spezies-Maschine ist eine Rechenmaschine, auf der man theoretisch alle vier Grundrechenarten rechnen kann.“ Eine solche Definition würde auf zu viele Rechenmaschinen zutreffen. Es war durchaus üblich, Algorithmen zu verwenden, die Kopfrechnen oder schriftliche Nebenrechnungen einbezogen haben. Deshalb kann man auch zu einfachen Maschinen einen passenden Algorithmus entwickeln.
- „Eine Vier-Spezies-Maschine ist eine Rechenmaschine, die tatsächlich für alle vier Grundrechenarten verwendet wurde.“ Dieser Ansatz ist problematisch, bei Rechenmaschinen, die nicht gebaut wurden, deren Benutzerkreis man nicht kennt oder bei der verschiedene Benutzergruppen die Maschine für unterschiedliche Zwecke verwendet haben.
- „Eine Vier-Spezies-Rechenmaschine ist eine Multiplikationsmaschine.“ Diese Definition entsteht vermutlich aus der Abgrenzung zu den in Amerika typischen Addiermaschinen. Diese Bezeichnung führt jedoch in die Irre, denn erstens kann auf Volltastatur-Addiermaschinen recht leicht per Handstellung multipliziert werden. Zweitens ist hier implizit gemeint, dass sobald die Operation Multiplikation vorhanden ist durch Inversion auch dividiert werden kann, was weitestgehend stimmt und in der Technik der Zeit durch eine zum Teil trickreiche Bildung der Inversen während der Rechnung gelöst wird. Der dritte Einwand gegen diese zu knappe Definition ist, dass sie zu Verwechslungen mit damaliger Hochtechnologie führen kann, da es Rechenmaschinen gibt, die speziell für die Multiplikation in einer mechanischen Operation ausgelegt wurden (z. B. Multiplikationskörperrechenmaschinen).
Literatur
- Ernst Martin: Die Rechenmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte – Rechenmaschinen mit automatischer Zehnerübertragung. 1. Band, 1. Auflage. 1925.
- A. Hennemann, [d. i. Adolf Schranz]: Die technische Entwicklung der Rechenmaschine. Peter Basten, Aachen 1952.
- Karl Lenz: Die Rechenmaschinen und das Maschinenrechnen. (= Aus Natur und Geisteswelt. Band 490). B. G. Teubner, Leipzig/ Berlin 1915.