Volcher Coiter (* 1534 in Groningen; † 2. Juni 1576 in Brienne-le-Château), auch Volcher Coyter, Koyter und latinisiert Volcherus Coiterus genannt, war ein niederländischer Arzt, Anatom und Vogelkundler.
Leben
Volcher Coiters Vormund war der italienische Arzt und Naturforscher Ulisse Aldrovandi. Über das Leben Coiters ist nur wenig bekannt. Es ist möglich, dass Coiter, der sich vor allem mit Anatomie und Physiologie beschäftigte, beim deutschen Arzt Leonhart Fuchs in Tübingen studiert hat.
Er soll in Padua Schüler von Falloppio und in Rom bei Eustachi gewesen sein. Von 1562 an lehrte er in Bologna, wo er zuvor Aldrovandis Unterricht besucht hatte, Chirurgie und Logik, bis er 1566 von der Inquisition aufgehalten und für ein Jahr inhaftiert wurde, weil er sich der Reformation angeschlossen hatte. Zwischen 1566 und 1569 diente er dem Markgrafen Ludwig VI. in Amberg. 1569 wurde er vom Rat der Stadt Nürnberg zum Stadtphysikus und Anatom (Zergliederer) berufen. Coiter, der bei der Leichenöffnung auch eine Vertiefung der Kenntnis von den Krankheiten durch Erforschung der Todesursache anstrebte, bekleidete die Stelle bis zu seinem Tode. Empfohlen hat ihn wahrscheinlich der deutsche Arzt und Botaniker Joachim Camerarius der Jüngere. 1575 wurde Coiter während eines Feldzugs gegen Frankreich als Militärarzt von Johann Kasimir von Pfalz-Simmern rekrutiert. Er starb auf dem Schloss des Grafen Brienne in der Champagne.
Coiter, der der erste war, der die Embryologie als eigenständige, vollwertige medizinische Disziplin behandelte, war aufgrund seiner Beobachtungen an Hühnerembryonen berühmt geworden, deren Entwicklung er bis zum Schlüpfen Tag für Tag beschrieb. Er beschrieb zudem die weiblichen Genitalien in Externarum et Internarum Principalium Humani Corporis von 1573. Zudem stellte er die Beobachtung an, dass frisch entnommene Herzgewebsportionen eine Zeit lang weiterschlagen, und dass das im Herzen tiefgelegene Gewebe am längsten weiter schlägt, wobei er mit großer Wahrscheinlichkeit der erste war, der dieses Phänomen beschrieb.
Coiter interpretierte im Gegensatz zu seinen Vorgängern den Zahn nicht als Knochen.
Er studierte außerdem intensiv die Anatomie und das Verhalten der Vögel und veröffentlichte Zeichnungen der Skelette der Kraniche, der Kormorane, der Papageien und der Grünspechte.
Schriften
- De ossibus et cartilaginibus corporis humani tabulae, Bologna 1566 (Digitalisat der Universitätsbibliothek Kiel)
- Externarum et internarum principalium corporis humani partium tabulae atque anatomicae exercitationes observationesque variae, novis et artificiosissimis figuris illustratae, Nürnberg 1572
- Diversorum animalium sceletorum explicationes, cum lectionibus Fallopii de partibus similaribus humani corporis, Nürnberg 1575
Literatur
- Julius Victor Carus: Coiter, Volcher. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 4, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 397.
- Artikel Coiter in Ersch/Gruber: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste. 18. Teil. Gleditsch, Leipzig 1828, S. 223 (Digitalisat)
- Robert Herrlinger: Coiter, Volcher. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 317 (Digitalisat).
- Robert Herrlinger: Volcher Coiter, 1534–1576. (Habilitationsschrift Universität Würzburg) Nürnberg 1952.
- Dominik Groß, Jan Steinmetzer: Strategien ärztlicher Autorisierung in der frühneuzeitlichen Medizin: Das Beispiel Volcher Coiters (1534-1576), Medizinhistorisches Journal 40 (2005), S. 275–320.
- Manfred Wenzel: Coiter, Volcher. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 267.
Anmerkungen
- ↑ In der Literatur werden z. T. abweichende Lebensdaten genannt, siehe z. B. im Dictionaire des sciences médicales (Digitalisat)
- ↑ Ein von Georg Marius mitgeschriebenes Kolleg Falloppios war genäß Robert Herrlinger als Nachschrift in den Besitz Coiters gelangt. Vgl. Rolf Heyers: Dr. Georg Marius, genannt Mayer von Würzburg (1533–1606). (Zahn-)Medizinische Dissertation Würzburg 1957, S. 1.
- ↑ Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 21–22.
- ↑ Ullrich Rainer Otte: Jakob Calmann Linderer (1771–1840). Ein Pionier der wissenschaftlichen Zahnmedizin. Medizinische Dissertation, Würzburg 2002, S. 18.