Wadim Nikolajewitsch Krassikow (russisch Вадим Николаевич Красиков; * 10. August 1965) ist ein russischer Geheimdienstmitarbeiter. Krassikow reiste 2019 unter dem Decknamen Wadim Sokolow nach Berlin. Am 23. August 2019 erschoss er beim sogenannten Tiergartenmord den georgischen Offizier Selimchan Changoschwili. Er wurde vor dem Berliner Kammergericht wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Herkunft und Beruf
Krassikow wurde 1965 in der damaligen Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik geboren. Laut Bellingcat ist es wahrscheinlich, dass er später für den Geheimdienst FSB arbeitete. Außerdem gibt es Verbindungen zur Spezialeinheit Wympel. Er ist verheiratet.
Frühere Anschläge
Krassikow wurde zusammen mit dem FSB-Offizier Wladimir Fomenko im Zusammenhang mit einem Mord an einem Geschäftsmann in Karelien im Jahr 2007 angeklagt. Die Anklage wurde fallengelassen.
Bei einem Attentat auf einen Geschäftsmann 2013 in Moskau war Krassikow der Hauptverdächtige. Das Opfer wurde hier – wie im Kleinen Tiergarten – mit Pistolenschüssen ermordet, nachdem sich der Attentäter von hinten auf einem Fahrrad genähert hatte. Als Verdächtiger wurde am 29. Januar 2014 Wadim Krassikow zur Fahndung ausgeschrieben. Der Gesuchte wurde in eine Datenbank von Interpol eingestellt. Obwohl Krassikow mithilfe von Zeugen und Aufnahmen von Verkehrskameras als Tatverdächtiger identifiziert werden konnte, wurde die Interpol-Fahndung ein Jahr später kommentarlos gelöscht. Das Strafverfahren in Moskau wurde bisher nicht zu Ende geführt. Die Übereinstimmung der Fotos aus der damaligen Fahndung und dem Angeklagten Krassikow wurde von deutschen Ermittlern erkannt.
Mord in Berlin
Krassikow wird vorgeworfen, am 23. August 2019 im Kleinen Tiergarten den tschetschenischstämmigen Georgier Selimchan Changoschwili ermordet zu haben. Changoschwili war Leiter einer Kampfgruppe im Zweiten Tschetschenienkrieg gegen Russland und Offizier im Kaukasuskrieg 2008. Er war zuvor mehrfach Attentaten entkommen und hielt sich seit Dezember 2016 unter dem Namen Tornike K. in Berlin auf. Dort hatte er politisches Asyl beantragt. Ihm wird vonseiten Russlands vorgeworfen, an Kriegsverbrechen und Terrorakten beteiligt gewesen zu sein. Entgegen einer Aussage von Wladimir Putin wurde durch Russland aber nie eine Auslieferung von Changoschwili beantragt.
Ein vermeintlicher Bauingenieur der russischen Tarnfirma ZAO RUST mit einem Pass auf den Namen Wadim Sokolow (englische Transkription Vadim Sokolov) reiste Mitte August 2019 als Tourist mit einem französischen Visum über Paris und Warschau nach Berlin. Der Pass war zwar echt, einen Staatsbürger mit den entsprechenden persönlichen Daten gibt es in russischen Datenbanken jedoch erst seit 2015 (Ausstellung des Passes) bzw. 2019 (erstmalige Erfassung als Steuerzahler). Die Passnummer gehört zu einem Kontingent, das bereits in früheren Fällen vom Geheimdienst FSB für gefälschte Identitäten verwendet wurde. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich bei Sokolow und Krassikow um dieselbe Person handelt.
Laut Zeugen soll sich Krassikow dem Opfer von hinten auf einem Fahrrad genähert haben und ihm dreimal in Kopf und Rücken geschossen haben. Daraufhin sei er in Richtung der Lessingbrücke geflüchtet. Hier wurde von weiteren Zeugen beobachtet, wie er sich seiner Kleidung entledigte sowie das Fahrrad und die Tatwaffe in die Spree warf. Die Polizei konnte ihn kurz darauf festnehmen. Im Juni 2020 erhob der Generalbundesanwalt Anklage.
Auch ein Zeuge aus dem ukrainischen Charkiw identifizierte den Angeklagten als Wadim Krassikow, den Ehemann der Schwester seiner Frau. Bei einer früheren Aussage hatte der Zeuge noch angegeben, den Angeklagten nicht zu kennen. Er begründete diesen Widerspruch mit Angst vor dem russischen Geheimdienst. Zur Stützung seiner Aussage legte er Fotografien vor. Hier wurden unter anderem Übereinstimmungen mit zwei Tätowierungen des Angeklagten festgestellt. Zuvor hatte auch die Recherche-Plattform Bellingcat die wahre Identität des Angeklagten bestätigt.
Aufgrund von geheimdienstlichen Hinweisen, dass Krassikow in Haft vergiftet werden soll, wurde er im Jahr 2019 zunächst in ein Gefängniskrankenhaus, später in den Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt Tegel und schließlich in ein anderes Bundesland verlegt. Der Auftraggeber für den Mord war laut Bundesanwaltschaft der russische Staat.
Das Berliner Kammergericht verurteilte den Täter am 15. Dezember 2021 zu lebenslanger Haft und stellte die besondere Schwere der Schuld fest.
Vertreter der Nebenklage wiesen auf ein russisches Gesetz aus dem Jahr 2006 hin, das es dem Staat erlaube, Terroristen hinzurichten. Der Befehl hierzu müsse vom russischen Präsidenten erteilt werden. Der russische Staat beteiligte sich – trotz verschiedener Ersuchen – nicht an der Aufklärung des Falles.
Ersuchen um Gefangenenaustausch
Der Leiter für strategische Kommunikation des US-amerikanischen Sicherheitsrates, John Kirby, erklärte im Juli 2022, dass die Regierung Russlands bei Verhandlungen zu einem Gefangenenaustausch auch die Freilassung von Krassikow gefordert habe.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Auftrag für Tiergartenmord kam aus Russland Spiegel Online, 15. Dezember 2021.
- ↑ "V" For “Vympel”: FSB’s Secretive Department “V” Behind Assassination Of Georgian Asylum Seeker In Germany bellingcat.com, 17. Februar 2020.
- ↑ Berlin Assassination: New Evidence on Suspected FSB Hitman Passed to German Investigators bellingcat.com, 19. März 2021.
- ↑ Sylvia Stöber: "Ja, das ist er", tagesschau.de, 27. Oktober 2021.
- ↑ Identifying The Berlin Bicycle Assassin: From Moscow to Berlin (Part 1) bellingcat.com, 3. Dezember 2019.
- ↑ Silvia Stöber: Vergiftungsgefahr im Gefängnis? tagesschau.de, 4. Februar 2021.
- ↑ Claudia von Salzen: „Ein Auftragsmord staatlicher russischer Stellen“ Tagesspiegel, 7. Oktober 2020.
- ↑ Silvia Stöber: Alleingelassen vom russischen Staat tagesschau.de, 18. März 2021.
- ↑ Gesine Dornblüth und Sebastian Engelbrecht:Ein Verbrechen im Auftrag des Kreml? , Deutschlandfunk, 6. Oktober 2020.
- ↑ [United States National Security Council Russland will auch „Tiergarten-Mörder“ freibekommen] faz.net, 30. Juli 2022.