Die Wahl zur verfassungsgebenden Volkskammer im Freistaat Hessen fand am 26. Januar 1919 statt.

Ausgangssituation

Im Großherzogtum Hessen war die Macht nach der Novemberrevolution zunächst faktisch durch Arbeiter- und Soldatenräte übernommen worden. Der amtierende Großherzog Ernst Ludwig wurde am 9. November 1918 vom Darmstädter Arbeiter- und Soldatenrat abgesetzt und die Republik ausgerufen. Zeitgenössisch wurde „Freistaat“ als Synonym für Republik verwendet, so auch im Titel der vorläufige Verfassung. Die Wahlverordnung sprach dann von der Republik Hessen, schließlich setzte sich Volksstaat Hessen durch.

Rechtsgrundlage für die Wahl war die Verordnung über die Wahlen zur verfassungsgebenden Volkskammer der Republik Hessen vom 3. Dezember 1918. Diese bedeutete gegenüber dem bisherigen Wahlrecht der Landstände des Großherzogtums Hessen gravierende Neuheiten. Aus den zwei hessischen Kammern wurde ein Einkammernsystem. Die Wahl der 70 Abgeordneten erfolgte in freier, gleicher, geheimer und direkter Wahl im Verhältniswahlrecht. Erstmals wurde das Frauenwahlrecht eingeführt. Der ganze Freistaat Hessen bildete einen Wahlkreis.

Die Wahl wurde auf den 26. Januar 1919 terminiert. Dieser Termin lag eine Woche nach der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung. Für die allgemeine politische Lage siehe Wahl zur Deutschen Nationalversammlung#Vorgeschichte.

Wahlergebnis

Wahl zur verfassunggebenden Volkskammer
Wahlbeteiligung: 81,17 %
 %
50
40
30
20
10
0
44,5 %
18,9 %
17,6 %
10,1 %
7,4 %
1,5 %
Ergebnis der Wahl zur verfassunggebenden Volkskammer
vom 26. Januar 1919
Gegenstand der
Nachweisung
Stimmen Sitze
Anzahl in %
Wahlberechtigte 760.053 100,0
Wähler 616.954 81,2
Ungültige Stimmen 1.761 0,3
Gültige Stimmen 615.193 100,0 70
davon
Sozialdemokratische Partei Deutschlands 273.468 44,5 31
Deutsche Demokratische Partei (Demokratische Partei in Hessen) 116.252 18,9 13
Christliche Volkspartei (hessische Zentrumspartei) 108.539 17,6 13
Deutsche Volkspartei 62.072 10,1 7
Deutschnationale Volkspartei (Hessische Volkspartei) 45.785 7,4 5
Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands 9.077 1,5 1

Für die gewählten Abgeordneten siehe die Liste der Mitglieder des Landtages (Volksstaat Hessen) (1. Wahlperiode).

Es ergaben sich folgende Ergebnisse der Wahlen auf Provinzebene (in %, Abweichungen zur Summe durch Rundung möglich)

ProvinzUSPDSPDDDPZentrumDVPHVP (*)Summe
Starkenburg1,951,217,1169,54,3100
Provinz Oberhessen2,142,6215,76,522,1100
Rheinhessen0,235,42029,8140,6100
Hessen1,544,518,917,610,17,4100
  • Hessische Volkspartei

Es ergaben sich folgende Ergebnisse der Wahlen auf Kreisebene (in %, Abweichungen zur Summe durch Rundung möglich)

LandkreisUSPDSPDDDPZentrumDVPHVP (*)Summe
Kreis Darmstadt0,84724,25,819,33,4100
Kreis Bensheim0,144,913,826,510,54,6100
Kreis Dieburg145,614,720,48,69,7100
Kreis Erbach0,357,523,23,69,16,3100
Kreis Groß-Gerau1,857,720,88,64,96,7100
Kreis Heppenheim0,642,111,237,57,41,2100
Kreis Offenbach4,757,512,319,23,82,5100
Kreis Gießen2,742,520,92,38,523,8100
Kreis Alsfeld033,620,95,44,535,6100
Kreis Büdingen1,65322,51,1318,8100
Friedberg3,848,616,213,55,417,5100
Kreis Lauterbach040,825,9512,515,8100
Kreis Schotten0,137,732,60,33,825,5100
Kreis Mainz0,645,117,7334,10,1100
Kreis Alzey025,833,419,821,50,5100
Kreis Bingen022,822,146,77,90,5100
Kreis Oppenheim025,727,529,416,50,9100
Kreis Worms034,613,921,628,51,4100

Das Zentrum hatte seine Parteihochburgen in den katholischen Gebieten Rheinhessens und Südhessens. Die Schwerpunkte der SPD lagen in den großen, industrialisierten Städten, allen voran Offenbach am Main.

Folgen

Die Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung wurde durch die SPD gewonnen. In der Folge wurde das Kabinett Ulrich II gewählt, eine Regierung in der Zusammensetzung der Weimarer Koalition. Der erste Landtag des Volksstaates Hessen beschloss die Hessische Verfassung vom 12. Dezember 1919. Die nächste Landtagswahl in Hessen war die Landtagswahl im Volksstaat Hessen 1921.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Manfred Knodt: Die Regenten von Hessen-Darmstadt. Verlag H. L. Schlapp, 2. Auflage, Darmstadt 1977, S. 149.
  2. Hess.Reg.Bl. S. 245
  3. Der Volksstaat Hessen: Volkskammerwahl 1919 auf www.gonschior.de
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