Werner Feldscher (* 24. Juli 1908 in Hagen; † 1979 in Dortmund) war ein deutscher Oberregierungsrat im Reichsministerium des Innern und dort als Judenreferent tätig.
Werdegang
Feldscher studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Berlin, Königsberg und Münster. Von 1925 bis 1926 gehörte er dem Jungdeutschen Orden an. Während seines Studiums war er Mitglied des NS-Studentenbundes und trat zum 1. Januar 1931 der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 445.528). Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Feldscher Anfang Oktober 1934 in Recklinghausen Politischer Partei-Leiter und dort ab Anfang Februar 1935 im Bereich Organisation und Propaganda tätig. Feldscher trat 1938 seinen Dienst im Reichsinnenministeriums an.
Kenntnisse vom Judenmord
Laut Geschäftsverteilungsplan des Reichsinnenministeriums arbeitete Feldscher 1941 gemeinsam mit Bernhard Lösener als Rassereferent im Sachgebiet „Allgemeine Judenfragen“.
Angeblich erfuhr Feldscher durch einen Augenzeugen von einem Massenmord im Wald von Rumbula, bei dem 1.053 Berliner Juden eines Deportationszuges am 30. November 1941 ermordet worden waren. Dieses Wissen gab er noch vor Ende des Jahres 1941 an Lösener weiter.
Am 13. August 1941 nahm Feldscher an einer kurzfristig einberufenen Sitzung im Reichssicherheitshauptamt teil, bei der Adolf Eichmann das Schreiben Hermann Görings verlas, mit dem Reinhard Heydrich beauftragt worden war, die Endlösung der Judenfrage vorzubereiten. Mit einem „Überrumplungsversuch“ versuchte Eichmann, in den Niederlanden einen „neuen Judenbegriff“ einzuführen, durch den „Halbjuden“ wie „Volljuden“ zu behandeln seien. Dies sei – so Lösener – durch die Besonnenheit Feldschers zunächst verhindert worden, der eine abverlangte Zustimmung versagte.
Feldscher war über die Ergebnisse der Wannseekonferenz informiert und nahm an den beiden Folgekonferenzen am 6. März 1942 und am 27. Oktober 1942 teil.
Ab dem 20. Juli 1943 leitete Feldscher die Abteilung Osteinsatz im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete.
Nach Kriegsende
Wie alle deutschen Beamtenverhältnisse erlosch auch dasjenige Feldschers am 8. Mai 1945. Später führte er in einer Veröffentlichung seine vormalige Amtsbezeichnung mit dem im G 131 vorgesehenen Zusatz z.Wv. (zur Wiederverwendung). Im Wilhelmstraßen-Prozess stellte er sich als Entlastungszeuge für Wilhelm Stuckart zur Verfügung. Im Januar 1946 gelangte Feldscher in die Stellung eines Justitiars und Abteilungsleiters beim Ev. Hilfswerk Westfalen des diakonischen Unternehmers Karl Pawlowski. Werner Feldscher baute für das Ev. Hilfswerk Westfalen eine effiziente Verwaltungsstruktur auf und ermöglichte eine starke Expansion der Hilfsorganisation. Damit gelang ihm die berufliche Rehabilitation in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Ab Ende 1950 war Feldscher als Prokurist bei der Westfälischen Ferngas-AG tätig und bekleidete dort später bis zu seinem Ruhestand den Posten eines Direktors. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde 1959 eingestellt.
Autor
Feldscher promovierte 1936 an der Universität Münster mit der Dissertationsschrift „Über den Begriff der Zueignung im deutschen Strafgesetzbuch“.
Im Deutschen Rechtsverlag erschien 1943 sein Buch Rassen- und Erbpflege im deutschen Recht, in dem er zur rechtlichen Stellung der „Zigeuner“ feststellte: „Ihre politische, biologische, kulturelle und berufliche Trennung von dem deutschen Volk ist jetzt durch die Ausschaltung Fremdblütiger ebenso erfolgt wie für Juden.“
Schriften
- Dynamik und Ordnungsbild in der Energiebereitstellung, Essen : Vulkan-Verl., 1963
- Rassen- und Erbpflege im deutschen Recht, Berlin : Deutscher Rechtsverl., 1943
- Über den Begriff der Zueignung im deutschen Strafgesetzbuch, Bottrop i. W. : W. Postberg, 1936 (Münster, Rechts- und Staatswissenschaftliche Diss. vom 16. März 1936)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Andrea Löw, Deutsches Reich und Protektorat September 1939–September 1941, Band 3, S. 201
- ↑ Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/8510229
- 1 2 3 Cornelia Essner: Die ‘Nürnberger Gesetze’ oder Die Verwaltung des Rassenwahns 1933–1945. Paderborn 2002. ISBN 3-506-72260-3, S. 330
- ↑ Cornelia Essner: Die „Nürnberger Gesetze“ oder die Verwaltung des Rassenwahns 1933–1945. Paderborn & München 2002, ISBN 3-506-72260-3, S. 124.
- ↑ Das Reichsministerium des Innern und die Judengesetzgebung. Die Aufzeichnungen von Dr. Bernhard Lösener: Als Rassereferent im Reichsministerium des Innern. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 9 (1961) S. 310
- ↑ Cornelia Essner: Die "Nürnberger Gesetze" oder die Verwaltung des Rassenwahns 1933–1945. Paderborn & München 2002, ISBN 3-506-72260-3, S. 115.
- ↑ Alfred Gottwald, Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941–1945. Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-059-5, S. 121.
- ↑ Das Reichsministerium des Innern und die Judengesetzgebung. Die Aufzeichnungen von Dr. Bernhard Lösener: Als Rassereferent im Reichsministerium des Innern. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 9 (1961) S. 297.
- 1 2 Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, aktual. Ausgabe Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-596-16048-0, S. 147.
- ↑ BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 1953 – 1 BvR 147 – BVerfGE 3, 58 ff.
- ↑ The Theorie of the fourth Power. In: Annals of collective Economy. Vol. XXIV No. 2, April - September 1953
- ↑ vgl. § 5 Absatz 2 und § 10 G 131
- ↑ Hans-Christian Jasch: Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik – Der Mythos von der sauberen Verwaltung, Oldenbourg, München 2012. ISBN 978-3-486-70313-9. Kurzbio auf S. 468 f. und passim
- ↑ Gerald Schwalbach, "Der Kirche den Blick weiten", Karl Pawlowski (1898–1964)-diakonischer Unternehmer an den Grenzen von Kirche und Innerer Mission, Bielefeld 2012, S. 310 ff.
- ↑ Gas Wärme international: Gas heat international, Band 21, Vulkan-Verlag, 1972, S. 79 f.
- ↑ Zitiert nach Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, aktual. Ausgabe Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-596-16048-0, S. 147.