Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei

Der sogenannte Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei (griechisch Ἡ Ἀνταλλαγή I Antallagí, osmanisch مبادله Mübâdele) war eine Zwangsumsiedlung, die nach dem Ersten Weltkrieg und dem folgenden Griechisch-Türkischen Krieg vertraglich vereinbart wurde. Diese Zwangsumsiedlung betraf alle griechisch-orthodoxen Staatsangehörigen des Osmanischen Reiches, die im Gebiet der heutigen Türkei (damals noch ohne Provinz Hatay) lebten, sowie alle muslimischen Staatsangehörigen Griechenlands (damals noch ohne die Dodekanes). Die Betroffenen erhielten die Staatsangehörigkeit des Aufnahmelandes. Bleiben und ihre Staatsangehörigkeit behalten durften die in Istanbul und auf den Dardanellen-Inseln Imros (türkisch: Gökçeada) und Tenedos (türkisch: Bozcaada) lebenden Griechen sowie die im griechischen Teil Thrakiens lebenden Westthrakientürken. Sowohl die Regierung der Großen Nationalversammlung der Türkei als auch die griechische Regierung befürworteten diese Zwangsumsiedlung.

Ausschlaggebendes Kriterium für die Zwangsumsiedlung war nicht die Sprache der betroffenen Personen, sondern ihre Staatsangehörigkeit und die Glaubensgemeinschaft, der sie angehörten. Der Bevölkerungsaustausch führte zum Ende der seit der Antike existierenden griechischen Gemeinschaft in Anatolien sowie zum Ende der seit fast 500 Jahren bestehenden muslimischen Gemeinden in Griechenland. Aus beiden Staaten wurde somit eine religiöse Gruppe, die durch das Ende des Osmanischen Reiches zur Minderheit in dem jeweiligen Nationalstaat geworden war, ausgewiesen, während gleichzeitig Menschen, die man als Angehörige der jeweiligen Titularnation ansah, zur Einwanderung gezwungen wurden.

Die Konvention über den Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei wurde in Lausanne am 30. Januar 1923 von den Regierungen Griechenlands und der Regierung der Großen Nationalversammlung der Türkei unterzeichnet. Sie betraf 1,6 Millionen Personen (etwa 1,2 Millionen anatolische Griechen und 400.000 Muslime in Griechenland).

Der Vertrag hatte für die meisten Betroffenen rückwirkende Bedeutung: Er galt auch für alle muslimischen Griechen bzw. griechisch-orthodoxen Osmanen, die seit dem Ausbruch des Ersten Balkankrieges am 18. Oktober 1912 ins andere Land geflohen waren (Artikel 3). Nach der Niederlage der griechischen Armee in West-Anatolien im September 1922 und dem Brand von Smyrna war bereits die große Mehrheit der kleinasiatischen Griechen vertrieben worden. Die Vertreibung der Pontosgriechen von der türkischen Schwarzmeerküste dauerte zu Beginn der Verhandlungen in Lausanne noch an. Nach Berechnungen von Nikolaos Andriotis kamen im Herbst 1922 über 900.000 Flüchtlinge in Griechenland an (darunter 50.000 Armenier).

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