Emergent

Emergenten (lateinisch emergere „auftauchen“, „herauskommen“, „emporsteigen“; englisch emergent [island, rock, tree] „aufragend“) – populärwissenschaftlich auch Urwaldriesen, selten Übersteher genannt, oder auch mit den „sprechenden“ forstwirtschaftlichen Ausdrücken Überständer (sehr häufig) oder Überhälter (selten) bezeichnet – sind einzelne ausgewachsene, lichthungrige Bäume oder Baumgruppen in mehrschichtigen Regen- oder Feuchtwäldern, deren Kronen sich (im Verlauf einer ungestörten Entwicklung) deutlich über das Kronendach des Waldes erheben.

Urwaldriesen sind vor allem ein typisches Merkmal für immergrüne tropische Tieflandregenwälder, wo sie nach der Boden-, Kraut-, Strauch- und Kronenbaumschicht das fünfte „Stockwerk“ bilden. Sie erreichen dort im Durchschnitt Höhen von 45–65 Metern und ragen damit meistens zwischen 10 und mehr als 20 Meter über das Kronendach hinaus. Der höchste bisher entdeckte Emergent ist ein Gelber Merantibaum in Borneo, der fast 101 Meter hoch ist. Nach geltender Lehre liegt er damit nahe an der maximal erreichbaren Baumhöhe, die physikalisch durch den Wassertransport in Pflanzen begrenzt ist.

Je kühler das Klima, je ausgeprägter die jahreszeitlichen Schwankungen und (vor allem) je geringer die Niederschläge – sowohl aufgrund von Höhenklimaten (Montane Höhenstufe) als auch durch höhere geographische Breiten (Rand- und subtropische Feuchtklimate hin zu wintermilden, feuchten Klimaten der kühlgemäßigten Klimazone) –, desto seltener und niedriger sind im Allgemeinen die Übersteher in geeigneten Waldtypen. Bei tropisch wechselfeuchten und außertropischen Wäldern ist nicht immer eindeutig zu klären, ob es sich um echte Emergenten oder um Restbestockung oder Reliktarten handelt.

Je ausgeprägter die Emergenten eines Waldes sind, desto größer ist ihre Bedeutung für dessen Artenvielfalt und Biodiversität, unter anderem durch die zusätzlich entstehenden ökologischen Nischen im Kronenbereich. Ihre enorm große Holzmenge und ihre sehr widerstandsfähigen Holzqualitäten machen sie häufig zu begehrten Objekten der Holzindustrie. Bei den Arten, die zu Urwaldriesen heranwachsen, handelt es sich nur zum Teil um speziell hochwüchsige Spezies; häufig werden sie auch von Arten gebildet, die anderswo zu den niedrigeren Kronendacharten gehören.

Die Existenz von Emergenten gibt der Wissenschaft Rätsel auf – bekannt als „Phänomen der überproportionalen Flächenproduktivität“: Für einige Beispiele ist dokumentiert, dass am Standort solcher Urwaldriesen deutlich mehr Biomasse gebildet wird, als man erwarten würde.

Bei vielen Völkern stehen Urwaldriesen als heilige Bäume im Zentrum religiöser Baumkulte, so etwa der Kapokbaum bei den Maya, der Kauri-Baum bei den Māori und die Sicheltanne bei den Shintō-Anhängern Japans.

Während „emergent tree“ im englischen Sprachraum auch unabhängig von der Art des Waldes die Bäume der kronenbildenden Schicht bezeichnen kann, ist die deutsche Ableitung Emergent geschlossenen Wäldern mit einem vielschichtigen Stockwerkbau vorbehalten, für die eine offene oberste „Schicht“ aus solchen überstehenden Baumriesen typisch sind.

Die Bezeichnungen Überhälter/Überständer, die in der Fachliteratur oft in Anführungszeichen oder durch das Adjektiv sogenannte als „behelfsmäßig“ gekennzeichnet sind, werden zwar bisweilen verwendet, beziehen sich aber in erster Linie auf die forstwirtschaftliche Methode, einzelne Bäume oder Baumgruppen bei der Waldpflege oder Holzernte als zukünftige Samenbäume stehen zu lassen.

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.