Nephropathie
Nephropathie (von altgriechisch νεφρός nephros „Niere“, und πάθος pathos „Leiden“, „chronische Krankheit“) oder Nierenerkrankung bzw. Nierenkrankheit sind Bezeichnungen für Erkrankungen der Niere.
Der Begriff wird meist für Nierenerkrankungen degenerativer Natur verwendet. Er wurde 1905/1917 von Friedrich von Müller als Kennzeichnung einer eigenen Gruppe von Nierenerkrankungen eingeführt (welche nach Hugo Ribbert auch mit dem Wort Nephrosen bezeichnet werden). Gemeint sind nicht entzündliche, zum Beispiel auch toxische oder erbliche, Nierenschädigungen wie:
- Analgetikanephropathie: durch langjährigen Missbrauch bestimmter Analgetika (früher „Phenazetin-Niere“, heute zum Beispiel Diclofenac).
- Lithium-Nephropathie: eine Nierenerkrankung, die bei der Lithiumtherapie bipolarer Störungen auftreten kann.
- Cast-Nephropathie: klassische Form der Nierenschädigung bei Multiplem Myelom.
- Chronische Transplantatnephropathie: eine häufig durch bestimmte Immunsuppressiva verursachte Funktionseinbuße einer Spenderniere nach einer Nierentransplantation.
- Diabetische Nephropathie: Spätkomplikation nach jahrelangem Diabetes mellitus. Die diabetische Nephropathie ist kein klar definiertes Krankheitsbild, sondern die Summe unterschiedlichster Veränderungen, die im Gefolge der diabetischen Stoffwechsellage in den Nieren entstehen können: Papillennekrosen, Entzündungen, Gefäßveränderungen, Erkrankungen des Filterapparates der Niere. − Oft wird die Diagnose einer diabetischen Nephropathie nicht histologisch gesichert. Diabetiker haben oft zahlreiche Organschäden mit der Folge eines reduzierten Herzzeitvolumens. Dadurch verkleinern sich die Nierendurchblutung und damit parallel auch die glomeruläre Filtration.
- Hypertensive Nephropathie: nicht selten führen Nierenerkrankungen zu Erhöhungen des Blutdrucks, die wiederum zu einer weiteren Nierenschädigung führen können.
- Balkan-Nephropathie: eine endemisch in einigen Regionen des Balkan auftretende chronisch-toxische Nierenerkrankung, die hauptsächlich durch Aristolochiasäuren verursacht ist.
- HIV-assoziierte Nephropathie: eine durch das HI-Virus synergetisch beförderte Nierenerkrankung
- Kontrastmittel-Nephropathie (auch Kontrastmittel-induzierte oder Kontrastmittel-assoziierte Nephropathie): Verschlechterung der Nierenfunktion nach intravasaler Applikation iodhaltiger Kontrastmittel
Im Jahr 1826 unterschied der deutsche Arzt Georg König bei seinem Versuch, die Nierenkrankheiten nach pathologisch-anatomischen Befunden zu ordnen, in seinen Praktischen Abhandlungen über die Krankheiten der Nieren 17 verschiedene Formen von organischen Nierenveränderungen. König stellte sich seinerzeit noch die Frage, ob es sich bei den Nieren um harnausscheidende oder um harnbildende Organe handelt. Obwohl Friedrich von Müller bereits 1905 die nephrotischen von den nephritischen Krankheitsformen getrennt hatte, werden entzündliche (immunologische bzw. autoimmunologische) Nierenerkrankungen oft mit Nephropathie bezeichnet, beispielsweise die zu den idiopathischen Glomerulonephritiden zählende IgA-Nephropathie oder die IgG4-assoziierte Nephropathie, eine Autoimmunerkrankung.
Allgemein wird unter einer Nephrose jede histologisch nachweisbare Nierenkrankheit (Nierenparenchymkrankheit mit Veränderung des Parenchyms, mit Entartung der Epithelien) verstanden. Klinisch werden dagegen die nephrotischen (Adjektiv von Nephrose) von den nephritischen (Adjektiv von Nephritis) Nierenerkrankungen abgegrenzt, insbesondere seit die Virchowsche Lehre von der parenchymatösen Entzündung durch einen konkreteren Entzündungsbegriff abgelöst wurde; Unterscheidungsmerkmale sind die Entzündungszeichen. Analog wird zwischen einem nephritischen Syndrom und einem nephrotischen Syndrom unterschieden.
Eine klassische Beschreibung doppelseitiger Nierenerkrankungen mit den Symptomen Ödeme, Herzhypertrophie und Augenhintergrundveränderungen erfolgt 1827 durch Richard Bright. Der Engländer Samuel Wilks (1824–1911) vom Guy’s Hospital beschrieb 1862 Formen von Nierenschrumpfung und sah einen Zusammenhang mit einer Erkrankung der Arterien. Weitere Pioniere in der Erforschung der Nierenkrankheiten waren Franz Volhard und Theodor Fahr, Thomas Addis sowie Donald D. Van Slyke und Homer Smith.
A. Ellis unterteilte die Nierenerkrankungen in einen Typ I (Nephritiden) und einen Typ II (Nephrosen). Zu den Nephrosen zählen etwa die Minimal-Change-Glomerulonephritis (Lipoidnephrose), die Amyloidnephrose, die Plasmozytom-Niere (Cast-Nephropathie), die Glomerulosklerose und weitere Nierenerkrankungen mit tubulären Ablagerungen.
Nach Wilhelm Nonnenbruch (1887–1955) werden die (seltenen) renalen von den (häufigen) extrarenalen Nierensyndromen unterschieden. Unterscheidungskriterium ist hier die Nachweisbarkeit beziehungsweise das Nichtvorhandensein von histologischen, parenchymatösen oder epithelialen Veränderungen im Nierengewebe als hinreichende kausale Ursache einer Niereninsuffizienz. Man muss also an die Niereninsuffizienz ohne Nierenkrankheit denken. Carl-Erich Alken spricht diesbezüglich von einer Nierenbeteiligung bei nichtrenalen Nierenerkrankungen. 70 bis 80 Prozent der Fälle von akutem Nierenversagen beruhen auf solchen Extrarenalsyndromen („zirkulatorisch-ischämisches Nierenversagen“).