Russisch-Türkische Kriege
Als Russisch-Türkische oder Russisch-Osmanische Kriege bezeichnet man Kriege zwischen dem Zarentum Russland, beziehungsweise ab 1721 dem Russischen Kaiserreich und dem Osmanischen Reich. Dabei vermischten sich religiöse Motive mit Großmachtstreben. Die Russisch-Türkischen Kriege standen oft in Wechselwirkung mit den Türkenkriegen anderer europäischer Großmächte.
Das christlich-orthodoxe Russland sah sich in der geistigen Nachfolge des Byzantinischen Reiches, das 1453 nach der Belagerung von Konstantinopel von den Osmanen erobert worden war. Traum religiöser Fanatiker und später auch von Nationalisten in Russland war eine „Rückeroberung“ Konstantinopels. Russland verstand sich ferner als Schutzmacht der orthodox-christlichen Bewohner des Osmanischen Reichs vor allem auf dem Balkan und auch in Palästina. Die Christen im Osmanischen Reich mussten fast die gesamte Steuerlast tragen, ihr Wort galt vor Gericht nicht, und von Zeit zu Zeit kam es zu Massakern und Plünderungen (zum Beispiel auf Chios 1822). Sie machten im frühen 19. Jahrhundert immerhin rund vierzig Prozent der Gesamtbevölkerung aus.
Außerdem strebte Russland Zugang zum Schwarzen Meer an. In einem längeren Prozess von 1774 bis 1783 kam die Halbinsel Krim an Russland; dies war nicht nur für Hafenanlagen bedeutsam, sondern auch ideologisch: Von der Krim ging der Legende nach die Christianisierung Russlands im frühen Mittelalter aus. Ein wichtiger Punkt für Russland blieb die Möglichkeit, durch den Bosporus in die Ägäis und damit ins Mittelmeer zu gelangen, sowohl für Handels- als auch für Kriegsschiffe.
Ein weiterer Faktor waren jedoch noch die anderen Großmächte Europas, neben Frankreich und Großbritannien auch Österreich. Sie alle hatten ebenso wie Russland Interesse daran, sich bei einer eventuellen Zerschlagung des Osmanischen Reiches Gebiete einzuverleiben. Daher haben unterschiedliche Seiten das Reich diplomatisch oder anders unterstützt, da sie befürchtet haben, dass von einem Ende eher eine andere Großmacht profitiert hätte. Aufgrund der Niederlagen, aber auch wegen fehlender Modernisierung wurde das Reich „kranker Mann am Bosporus“ genannt. Es verlor im 19. Jahrhundert Nordafrika an europäische Kolonialmächte, während auf dem Balkan mehreren Gebieten die Unabhängigkeit gelang.
Besondere Bedeutung erhielt derjenige Russisch-Osmanische Krieg, der in den Krimkrieg (1853–1856) mündete, die größte militärische Auseinandersetzung in Europa im Zeitraum zwischen Napoleon und dem Ersten Weltkrieg. Frankreich, Großbritannien und Österreich stellten sich auf die Seite der Osmanen, was das Verhältnis zwischen ihnen und Russland nachhaltig zerrüttete. Der Erste Weltkrieg wird nicht zu diesen Kriegen gezählt; damals schloss sich umgekehrt das Osmanische Reich den Gegnern Russlands an. Nach Kriegsende kam es dann großteils zu einer Zerschlagung des Reichs und zur Entstehung der modernen Türkei.