Verteidigung einer Kultur
Verteidigung einer Kultur (japanisch 文化防衛論, Bunka Bōei-ron) ist ein am 25. April 1969 veröffentlichter Essay von Yukio Mishima.
Neben seiner Arbeit als zeitgenössischer Autor japanischer Nachkriegsliteratur war Mishima auch nationalistischer politischer Aktivist und gründete die Tatenokai (japanisch 楯の会), eine private Miliz. Motiviert durch die linken Studentenunruhen der linksextremen Zengakuren, Japans rasanter wirtschaftlicher Aufstieg bei gleichzeitiger Verwestlichung und der Ablehnung linker Politiker des Tennō verfasste Mishima ab dem Jahr 1960 mehrere Zeitungsartikel, in denen er die Philosophie der Neuen Linken, einschließlich ihrer offen formulierten Affinität für Materialismus, Globalismus und Kommunismus kritisierte und als „staatszersetzend“ bezeichnete. Im Gegenzug propagierte er Ideen des japanischen Nationalismus wie kokutai („Volkscharakter“) und yamato-damashii („Volksgeist“) sowie die kulturellen Ausprägungen des Shintō, die er durch die Popularisierung westlicher Strömungen bedroht sah.
Sein hieraus resultierendes komplexes, politisches Weltbild fasste Mishima in der umfassenden Abhandlung Verteidigung einer Kultur zusammen. In dieser bedient sich Mishima eines Konglomerats verschiedener wissenschaftlicher Fachrichtungen, allen voran Rechtswissenschaft, Soziologie, Philosophie, Kunstwissenschaft und Anthropologie, um für die Reetablierung des Kaisers als politisches Symbol, die Bewahrung der traditionellen japanischen Kultur, die Bekämpfung von Kommunismus und Verwestlichung und das Wiederaufleben des Militarismus zu argumentieren. Gleichzeitig seien aber auch ultranationalistische und rechtsextremistische Strömungen abzulehnen, welche den Kaiser als „Einheit der ganzheitlichen japanischen Kultur“ zu sehr politisieren und die Notwendigkeit der Meinungs- und Kunstfreiheit verkennen würden.
Der Essay sorgte bei seinem Erscheinen für viel Aufsehen und verstärkte Mishimas Rolle als Enfant terrible der Literaturwelt. Durch seine bisweilen harsche Kritik an der politischen Linken und Rechten gleichermaßen entwickelte er durch seine Abhandlung einen „einzigartigen Nationalismus“, der bei beiden politischen Lagern Empörung verursachte. Trotz seines Status als erfolgreichster japanischer Autor aller Zeiten weigerten sich lokale Zeitschriften und Verleger, das Werk zu veröffentlichen. Selbst politisch rechtsgerichtete Zeitschriften für die Mishima zuvor vermehrt tätig war, darunter Controversy Journal, kündigten diesem die Zusammenarbeit. Dass sich mit Chūōkōron letztlich doch ein Verlag fand, ist wohl vor allem den guten Kontakten von Mishimas Mentor Yasunari Kawabata zu der Chefetage zu verdanken.
Die Popularität des Werkes stieg nach Mishimas gescheitertem Putschversuch und anschließenden ritualisierten Suizid zu neuen Höhen an. Bis heute ist es weltweit, aber vor allem innerhalb Japans, Gegenstand zahlreicher Analysen, Interpretationen und Abhandlungen. Hierbei dient es als wichtigster Bezugspunkt, um Mishimas Radikalisierung zum Ende seines Lebens sowie die dubiosen Umstände seines Suizides zu begründen.
Zusammen mit Sonne und Stahl, einer ausführlichen Begründung von Mishimas Affinität für das Bodybuilding, gilt Verteidigung einer Kultur als wichtigstes essayistisches Werk im Œuvre des Autors. Die französische Übersetzung Défense de la culture wurde 1973 von der Zeitschrift Esprit als „bedeutendste Darstellung des japanischen Nachkriegsnationalismus“ bezeichnet.