Wer ist Jude?
Die Frage Wer ist Jude? (hebräisch מיהו יהודי mihu jehudi) steht für eine innerjüdische Kontroverse, die weltweit von Bedeutung ist.
Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts schienen in der jüdischen Diaspora religiöse und nationale Komponenten untrennbar. Ab 1770 wurde im Zuge der Haskala und später der jüdischen Emanzipation das Thema zunehmend virulent. Juden in Deutschland waren Deutsche jüdischen Glaubens und waren als solche anerkannt.
Die Problematik ist spätestens seit 1962 offensichtlich, als sich mehrere Gerichte in Israel mit der Zugehörigkeit zum Judentum auseinandersetzten, sowie später dann mit der Einwanderungswelle russischer Juden. Gemäß dem Rückkehrgesetz haben alle Männer und Frauen mit mindestens einem jüdischen Großelternteil das Recht auf Einwanderung nach Israel. In der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten wurde die jüdische Nationalität in der Regel über den Vater weitergegeben. Nach den staatlich sanktionierten Regeln des orthodoxen Oberrabbinats gilt als Jude im religiösen Sinne aber nur, wer eine jüdische Mutter hat oder nach den orthodoxen Regeln zum Judentum konvertiert ist. Das führt dazu, dass Vaterjuden in Israel verpflichtet sind, ihren dreijährigen Wehrdienst, auch in Kriegszeiten, abzuleisten, aber wenn sie als Soldaten sterben, nicht neben ihren Kameraden nach jüdischem Ritus bestattet werden. Zudem dürfen Vaterjuden in Israel nicht heiraten. Da es in Israel keine Zivilehe gibt, sondern die Ehe nur unter Angehörigen derselben Religion unter Aufsicht der jeweiligen Geistlichkeit geschlossen werden kann, führt das zu großen praktischen Problemen. Nach einer Schätzung aus dem Jahr 2016 können 660.000 Menschen in Israel nicht heiraten.
Betroffen von dieser Diskrepanz sind Vaterjuden wie Theodor W. Adorno, Juden deren Väter Juden sind, während ihre Mütter nach Ansicht orthodoxer Rabbiner dem Judentum nicht angehören, sowie Juden, die bei einem Rabbiner des liberalen Judentums zum Judentum konvertierten.