Diverses:Menü mit zehn Gängen

Wer hätte jemals gedacht, dass ich einmal die Möglichkeit bekomme (und sie natürlich auch angenommen habe), ein raffiniertes, gewitztes und würziges Zehn Gänge-Menü zu testen? Ich jedenfalls nicht. Meine bisherige Laufbahn als Essenstester beschränkte sich lediglich auf das Essen meiner Mutter und meiner Tanten, und meine Testberichte darüber hat kein Magazin jemals angenommen. Umso besser, dass ich jetzt sogar für das Magazin Essens-Time schreiben kann. Das ist unsere Dorfessenszeitschrift. Mit den 103 Einwohnern unseres Dorfes hat sie schon eine beträchtliche Anzahl an Abonnenten. Jetzt ist ein neues Restaurant in unserer Straße, und ich darf auf Kosten der Essens-Time ein Zehn Gänge-Menü testen. Dieser Testbericht richtet sich an alle Besucher dieses Restaurants: Testet das Zehn Gänge-Menü, ihr werdet es nicht bereuen! Nein, ich verrate euch lieber nichts, sonst ist die Spannung ja schon weg. Ich wünsche euch viel Hunger Spaß beim Lesen!

Hier wird's eklig...

Leute, die nicht viel abkönnen sollten hier nicht weiterlesen, sondern eher hier.

Vielleicht auch erst mal was Süßes?
Zum Vergleich: Menü ohne Gänge.

Erster Eindruck

Ein schönes Gebäude, mir fehlt aber das Restaurantschild über der Tür
Der werte Koch wirkt ein wenig überarbeitet

Das Gebäude macht einen guten Eindruck, jedoch fehlt das Restaurantschild über der Tür. Vielleicht liegt es daran, dass das Restaurant ja noch neu ist. Beim Hineingehen begrüßt mich der Koch. Er sieht ein wenig wirr aus, jedoch glaube ich persönlich ja daran, dass man Menschen nicht nach ihrem Äußeren beurteilen sollte. Um vorweg zu greifen: Er kann sehr gut kochen. Der Preis für das Menü beträgt 200 Euro, ansonsten steht auch nicht viel auf der schon vergilbten Speisekarte. Ich bekomme einen Tisch angeboten; diesem fehlt ein Bein - und der Stuhl bricht unter mir zusammen. Dafür muss ich bezahlen, was ja auch logisch ist. Schließlich habe ich den Stuhl ja kaputt gemacht. Das Restaurant wirkt sparsam eingerichtet, an der Wand laufen nicht abgedeckte Rohre entlang und die Tische und Stühle sind meistens kaputt. An den anderen Besuchern sehe ich, dass offensichtlich nur auf Blechtellern serviert wird. Nach nur etwa zwei Stunden Wartezeit kommt der Koch bereits mit dem ersten Gang.

Das Menü

Erster bis zweiter Gang: Vorspeise

Erster Gang: Brot mit Kräuterbutter. Serviert wird tatsächlich auf einem Blechteller. Auf dem Brot sind einige grüne Flecken und ein großer Schimmelpilz. Der Koch kommentiert das als speziell für Brot gezüchteten Schimmel, vergleichbar mit Schimmelkäse. Das Brot schmeckt gut, der Schimmelpilz flauschig. Die Kräuterbutter verursacht Jucken auf der Zunge, was auf die Brennesseln zurückgeführt werden kann, die dem Schildchen zufolge in der Kräuterbutter enthalten sind. Der Gesamteindruck ist durchaus positiv.

Nette kleine Tierchen

Zweiter Gang: Weberknechtsuppe. Weberknechte sind spinnenartige Tiere, wird mir gesagt. Die Hälfte der Suppe wird auf dem Weg zu meinem Tisch verschüttet. In der Suppe schwimmen viele Weberknechte - lebendige und bereits tote. Die Suppe schmeckt ziemlich dick, die Weberknechte sind etwas viele im Verhältnis zur Flüssigkeit. Einfach herrlich.

Dritter bis achter Gang: Hauptspeise

Dritter Gang: Rattenleber. Mir wird mitgeteilt, dass sich das Garen verzögert hat. Nach einer halben Stunde kommt der Koch, entschuldigt sich vielfach und serviert das Essen. Die Leberstreifen sehen ziemlich klein aus. Sie schmecken herzhaft und knusprig, hinterlassen jedoch einen schalen Nachgeschmack. Doch von der Frau erfahre ich, dass dieses Essen international als Delikatesse angesehen wird. Diese Auswahl rückt den Gesamteindruck auch hier wieder nach positiv.

Aus diesen Tierchen kann man schöne Sachen machen

Vierter Gang: Frittierte Schnecken mit Kartoffeln. Schnecken kenne ich ja aus meinem Garten, aber dass man aus diesen widerlichen Tieren etwas Gutes machen kann, war mir bisher noch nicht bewusst. Frittiert sehen sie aus wie kleine fettige Minibällchen. Sie schmecken ziemlich rußig und ölig. Die Kartoffeln sind schwarz. Das Verhältnis Schnecken - Kartoffeln ist akzeptabel. Die Kartoffeln waren ausgezeichnet und ich bin einfach nur begeistert.

Fünfter Gang: Walrossaugen in Speck. Eine Spezialität der Inuits. Sie sind nicht größer als Glasmurmeln. Dafür sind es aber vier, nicht wie ich erwartet habe, zwei. Beim Hineinstechen kommt eine blaue Flüssigkeit heraus. "Das ist nicht schlimm, sie ist nur hochgiftig" ist der Kommentar der Frau. Der Speck ist ziemlich hart und erinnert an eine Metallplatte bei einer Konservendose. Vermutlich amerikanisches Garen. Der Gesamteindruck ist wieder positiv. Nach dem Gang ist bereits das Magenvolumen gefüllt und der Koch empfiehlt eine klärende Diskussion mit der Kloschüssel zur Pause, der mein Körper aus unerklärlichen Gründen, nach denen ich mich wohl vergeblich fragen werde, auch folgt.

Sechster Gang: Krokodilhoden mit Käsesoße. Eine tropische Spezialität. Die Auswahl der Gerichte ist klar unübertrumpfbar. Ein internationales Meisterwerk! Die Kugeln sind nicht sehr groß und außerdem ziemlich fettig. Die Käsesoße dazu schmeckt ziemlich ranzig. Die Kombination ist einzigartig. Die Krokodilhoden schmecken außerdem sehr gut. Innen ist eine weiße Flüssigkeit enthalten. Das verleiht dem Gang noch extra Originalität. Ein unvergleichbarer Gaumenschmauß.

Siebter Gang: Schimpansengehirn. Es ist eine graue Masse, die ungewohnt, aber lecker schmeckt. Das Gehirn schmeckt zart. Ähnliches müsste es auch vom Menschen geben, da ist das Gehirn ja weiter entwickelt. Das Gehirn scheint gekocht und danach leicht dem Rost ausgesetzt worden sein, so entfaltet es sein volles Aroma. Auch dieser Gang ist einfach nur perfekt.

Achter Gang: In Essig eingelegte Rabenschnäbel. Die Schnäbel sind gar nicht verformt, sie sehen so aus wie bei lebenden Raben. Eine sehr tolle Sache der Originalität Die Schnäbel schmecken aufgeweicht und erinnern an eingelegte Gurken. Auf einmal fühlt sich meine Zunge so weg an. Die Erklärung von Seiten des Kochs lautet, dass der Essig vielleicht sauer geworden sei. Im Normalfall hat er den pH-Wert von 1. Das scheint nicht schädlich zu sein. Also ist auch dieser Gang ein Wunder der Kochkunst.

Neunter bis zehnter Gang: Nachspeise

Neunter Gang: Erdbeerquark. Der Quark ist sauer und die Erde, die zu Beeren gerollt wurde, bröselt etwas und schmeckt und riecht nach Sumpf. Die Kombination ist einfach unglaublich und es gibt deutlich genug, aber auch nicht zu viele Erdbeeren im Quark. Der Quark ist nicht sehr dickflüssig und passt zu den Erdbeeren, die allem ein sumpfiges Aroma geben. Es gibt eine Schüssel voll und das ist genug. Der Gesamteindruck erhöht sich noch durch einige kleine Wurzeln in der Erde und ist auch hier wieder positiv.

Zehnter Gang: Maus au Chocolat. Mäuse mit Schokoladensoße. Die Maus ist nicht auseinandergenommen, so dass ich sie selbst aufschneiden kann. Sie ist noch vollständig behaart, das ist wohl noch ein Extra-Spezial. Der Koch hat 5 Sterne verdient. Es ist eine richtige Gaumenfreude. Man spürt die Haare und die warme Schokoladensoße im Hals. Dieser Gang ist ein krönender Abschluss eines unübertrumpfbaren Menüs. Man kann es nicht besser machen!

Fazit

Bewertungen
Essen: Ambiente: Bedienung: Kundenservice: Gesamt:

Eine Gaumenfreude ohne Gleichen, dieses Menü. Es ist ein Mix vieler Spezialitäten aus aller Welt und zeigt, dass der Koch ein Mann von Welt ist und sein Fach durchaus beherrscht. Die Gänge bekamen alle einen positiven Gesamteindruck und haben ihn auch durchaus verdient. Auch die Folge von zwei Vorspeisen, sechs Hauptspeisen und zwei Nachspeisen ist passend. Alles in allem ist dieses Menü eine gelungene Gerichtefolge. Nachdem ich dem Koch gratuliert habe, falle ich ohnmächtig um.

Epilog

Als ich nach meiner Ohnmacht aufwache, liege ich im Krankenhaus. Ich erfahre, dass ich vier Tage im Koma lag und im Moment auf der Intensivstation bin. Der Chirurg teilt mir meine Diagnose mit: Blutvergiftung durch hochprozentige Aufnahme von Atropin, welches als Augensekret bei Walrossen vorkommt und beim Menschen Herzschäden und Magendarmstörungen hervorruft und bei fehlender Behandlung innerhalb von einer Woche zum Tod führen kann, außerdem eine weggeätzte Zunge durch eine sehr starke Säure, eine starke Schimmelpilzvergiftung und ein Schneckenschleimball im Hals. Das Menü hat also auch Nebenwirkungen. Doch ich lasse mich durch sie nicht von der positiven Seite des Menüs ablenken und betrachte sie als kleinen Kaufpreis für die Gaumenfreude. Und damit ist mein Testbericht zu Ende und es bleibt die Empfehlung: Einen Besuch in diesem Restaurant werdet ihr nicht bereuen!

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