Ingrid und Klaus
Ingrid und Klaus sind zwei Tieftaucher im Marianengraben des deutschen Rundfunk- und Fernsehniveaus, die mittlerweile noch unter die RTL-See vorgestoßen und am Dschungelcamp vorbeigezogen sind. Dank einem Knebelvertrag mit ProSieben haben sie eine lebenslange Rubrik in der Unterhaltungskatastrophe Werbung total, des Barth-Bruders Stefan Raab. Als Brainpool und Raab TV, beides Gaugruppen von Raab Entertainments, auf die Idee kamen, als kleinen Gag in ihrer "Show" ein neues Herpesvirus zu entwickeln, das Raab aber an seine intellektuellen und medizinischen Grenzen brachte, verfielen die Mitproduzenten auf die spontane Eingebung, etwas zu verpflichten, was ungefähr genauso hartnäckig, lästig und unerträglich wie Herpes ist. Leider wird man es auch genauso schlecht wieder los. In einem hinterletzten Kaff fanden Raab und sein Humorhenkerverein bei einem Provinztheater schließlich zwei Vorhangzieherassistenten, die auf den ersten Blick so hässlich waren, dass sie der Zielgruppe der 14-jährigen Sonderschulabbrecher durchaus zusagen konnten und die auf den zweiten Blick auch zu ganz passablen Statisten weitergebildet werden konnten. Das Konzept: man setze die beiden Geschwister auf eine Couch, lasse sie Mann und Frau spielen und mit viel qequirrlter Sülze und riesigen Niveauklatschen die Zeit totschlagen.
Wie aus Scheiße Grauen wurde
Zunächst hatten die Produzenten zwei tabuli rasae vor sich, denen sie in mehrmonatiger Seminarschulung beizubringen suchten, wie das prototypische Arbeiterrentnerpaar heutzutage seinen Alltag bestreitet. Vom Normen- und Wertesystem her hatten es die beiden Kinder der 30er nicht schwer, allerdings mussten sie präzise die Verhaltensmuster, Bewegungs- und Gesprächsabläufe einer (west)deutschen Musterfamilie einstudieren, die in ihrer widersprüchlichen Spießerwelt wohl dem Ottonormalbürger, dem Max Mustermann des Alltags lachend den Spiegel vorhalten sollte.
Wer weiß, was schief gelaufen ist. Vielleicht waren es die 20 Pauschalreisen am Stück, die der Sender für die beiden in einer All-Inclusive-Ranche an der türkischen Ägais mit Mumienanimation und angeschlossenem Bocciaclub gebucht hat, vielleicht waren es die endlosen QVC-Marathons mit denen der Sender die beiden im Kampf um ein Zweitfernsehgerät auf das Balzverhalten von Aspiranten auf die Goldene Hochzeit schulen wollte. Der Sex war es zumindest nicht. Jedenfalls hatte Brainpool in Verbindung mit dem Sender schließlich zwei hirntote Aufziehpuppen geschaffen, die, wie der Golem von Prag, alles taten, was man ihnen in den Mund legt. Ihre Rollen konnten sie allerdings nun perfekt zu jeder Gelegenheit abrufen.
Als sie bereit zu sein schienen, gab man ihnen eine seperate Rubrik in Raabs, ja sagen wir mal, "Show", in der sie über das Wetter, die Welt und das neueste aus der BILD-Zeitung schwadronieren konnten und damit leider nicht das Humorempfinden sondern genau den Nerv der Prosiebenzuschauer trafen, die gebannt an ihren Lippen hingen.
Ingrid
Ingrid (van Bergen) ist die Zwillingsschwester von Ingrid van Bergen. Sie trägt gerne Horrormasken aus dem Hause Hängebacken & Co KG, die sie aus Unkenntnis manchmal mit Sekundenkleber am Gesicht befestigt. Sie hat die Rolle des gutbürgerlichen Heimchens, groß geworden mit Adolfs Familienpolitik und in den 50er Jahren verheiratet in der Hoffnung, nur noch von einem Mann geschlagen zu werden. Ingrid konnte sich nie richtig als Persönlichkeit verwirklichen, wie sie es noch im Kinderchor beim BDM konnte und die traumatischen Erfahrungen hat sie bis ins hohe Alter nie verarbeitet. Daher wimmert sie auch leidenschaftlich gern Heinos alte Hits und sorgt mit einer Mischung aus deutscher Selbstverständlichkeit und stressartiger Selbstfolter für großartige Fremdschämmomente.
Sie ist die leibhaftige Inkarnation einer QVC-Kundenrezensentin und lässt sich auch das Leid der Welt einiges angehen. Bloß nicht auffallen, ist dabei ihr Motto, sondern immer dem Flagschiff des Damenkreises in der dienstäglichen Frauengemeinderunde nach. Die Rolle des Anstandspudels beherrscht sie indes vorzüglich. So vorzüglich, dass sie ihre stereotypen Klischees und Rollenbilder mindestens so dick aufträgt wie ihr Make-up. Ihre peinlichen Seitenhiebe auf ihren Mann, ihre Schläge und ihre Empörung über vollkommen andersgeartete Meinungen, sind so echt, dass sie kein Tarantino besser schreiben könnte, zumindest nicht, wenn er nicht vorhat, eine GZSZ-Laienversion als Film herauszubringen.
Klaus
Klaus ist der verwirrte Schrebergärtner-Underdog, in dem die Seele eines SS-Sturmführers ruht. Sein charmanter Augenzwinkerrassismus karikiert gekonnt den Topos des spießbürgerlichen Provinztölpes, dessen geschmacklose, rassistische Kommentare auch nach der 26. Wiederholung so lustig sind, wie beim ersten mal. Dabei schwankt seine politische Einstellung zwischen den Extremen oder vielmehr, sie besteht nur aus Extremen.
Aus Prinzip hat Klaus immer eine andere Meinung als Ingrid, die er, wenn nötig auch kindisch laut aufschreiend unaufhaltsam dem gesamten Publikum verkünden muss, zumal er ja von seiner Frau "kleingehalten" wird. Wer bei dieser Beschreibung noch nicht eingeschlafen ist, tut es vielleicht beim Betrachten seines Kurt Georg Kiesinger-Gedächtnisblazers oder seines sichtbar unsichtbaren Schnauzbartes, an dem er häufig nervös herumzupft, bevor er sich mal wieder anschickt, den Holocaust zu leugnen. Haha, witzig! Wieso nicht auch noch etwas mit popeln und furzen?
Stereotypes Beispiel
Werfen wir nun einen kleinen Blick auf Ingrid und Klaus bei ihrer haha...Arbeit. Nein, natürlich nur ein Spaß, jeder weiß, dass diese Inanspruchnehmer von Maßnahmen nur die Statistik schönen. Wir stellen uns also eine ganz natürlich hingestellte Couch im Charme der späten 80er vor einer kotzhässlichen Gänseblümchentapete vor, ein geradezu perfekt eingefangener, zufälliger Moment.
Total lustige Off-Stimme: Na ihr beiden, wie gehts?
Ingrid: Jaaaa, wir haben euch schon erwartet. Wir waren nämlich letzte Woche das erste mal bei IKEA und haben eine neue Schrankwand gekauft. (Totenstille, ein schwacher Huster ist vernehmbar)
Total lustige Off-Stimme: (versucht, die Situation zu retten) ...und?, da hat sich der Klaus wieder nicht benehmen können.
Ingrid: Na, der kann sich doch nie benehmen. (eine Windhexe rollt vorrüber)
Total lustige Off-Stimme: (peinlich berührt): OK, dann kommen wir jetzt mal zu der ersten Meldung.
(eine willkürlich ausgewählte Bildschlagzeile wird verlesen)
Total lustige Off-Stimme: Was haltet ihr davon?
Ingrid: Schlimm, ganz schlimm, was in der Welt passiert.
Klaus: (hat mit fast schauspielerischer Geduld auf seinen Einsatz warten müssen): Na überhaupt nicht! Im Grunde ist das doch, ist doch alles Schrott! Alle wie sie sind, diese verwirrten Muselmanen, gehören alle weggesperrt...
Ingrid:(schlägt Klaus auf eine vorher mit Klebeband markierte Stelle) Also, bist du wohl still?
Klaus: Na ist doch wahr, Mensch. (die Windhexe hält betroffen an, die Grillen hören auf, zu zirpen)
Total lustige Off-Stimme: OK. (übergeht das und verliest noch ein Schlagzeile) und wie findet ihr das?
(Stille, einige Sekunden verstreichen)
Ingrid und Klaus (wildes Durcheinanderreden, wobei Klaus Ingrid überschreit): ALSO ICH, ICH sage dazu,...
Ingrid: (schlägt erneut auf die markierte Stelle): Jetzt sei doch mal still, das interessiert gar keinen.
Klaus: Doch! Die ganze Politik von heute, ich habe NPD gewählt, aus Protest! (Ingrid fängt an, ein Lied zu summen)...
Total lustige Off-Stimme: OK. (übergeht das und spult den restlichen Mist ab)
Ingrid: Also das ist ja nun, das geht ja mal gar nicht oder was sagst du dazu?
Klaus: Ich sage gar nichts mehr.
Ingrid: Da, jetzt bockt er wieder.
Klaus: Na, du schlägst mich ja sofort, wenn ich was sage.
Ingrid: Da, und sowas muss ich immer ertragen!
Total lustige Off-Stimme: OK, Ihr zwei, dann bis zum nächsten mal.
Ingrid und Klaus (ganz unauffällig in die Kamera): Ja, tschüüüüs.
...und was sagt das Publikum?
Zukunft
Wie lange muss Deutschland diese Schande noch ertragen? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass Raab bereits zur TV-Total Langlebigkeit ausgerufen hat und wieder mal bestrebt ist, den Titel als am längsten Überlebender zu holen und solange Ingrids und Klaus Sohn Stefan noch lebt, der irgendwas mit Medien macht, wird wohl diese Bürde, an dem nicht einmal mehr der Produzent der Sendung noch Freude hat weiter zu schleppen sein, als Geschwür einer schlechten Idee überbezahlter Fernsehmacher, bis sie vermutlich eines Tages ins feuchte Grab des ARD-TV-Friedhofs absinken. Bitte Gott! Lass es vor der Fertigstellung des Berliner Flughafens geschehen!
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