Albrecht Theodor Emil von Roon, ab 1871 Graf von Roon (* 30. April 1803 in Pleushagen bei Kolberg; † 23. Februar 1879 in Berlin), war ein preußischer Generalfeldmarschall. Als Kriegsminister hatte er wesentlichen Anteil am Erfolg Preußens in den Deutschen Einigungskriegen. Er gehört zu den bedeutendsten Heeresreformern seiner Zeit.

Leben

Herkunft und Entwicklung

Albrecht von Roon war der Sohn des Heinrich Friedrich von Roon (* 17. Oktober 1768 in Berlin; † 15. Oktober 1808 in Pleushagen), preußischer Sekondeleutnant a. D., herzoglich-braunschweigischer Kammerjunker sowie Herr auf Pleushagen, Kreis Fürstenthum, und dessen Ehefrau Johanna Constantia Ulrike Albertine, geborene von Borke, verwitwete Schmied von Schmiedeseck (* August 1773 in Schwochow; † 4. Oktober 1823 in Friedensburg).

Roon lebte nach dem Tode des Vaters seit 1811 in Stettin, kam 1816 in die Kadettenanstalt der Preußischen Armee in Kulm und 1819 in die Hauptkadettenanstalt in Berlin. Ab dem 9. Januar 1821 war er Sekondleutnant im 14. Infanterie-Regiment. 1824 bis 1827 besuchte er die Allgemeine Kriegsschule in Berlin und Universitätsveranstaltungen des Geografen Carl Ritter sowie des Historikers Friedrich von Raumer. 1833 arbeitete er als Geograf für das topographische Büro des Großen Generalstabs, in den er 1836 im Rang eines Hauptmanns eintrat. Im selben Jahr heiratete er Anna Rogge, die ältere Schwester von Bernhard Rogge. Seine als Schüler Ritters veröffentlichten Arbeiten hatten den Ruf von Standardwerken. In den Jahren 1846 bis 1848 unterrichtete Roon den Prinzen Friedrich Karl und begleitete ihn während des Studiums in Bonn und auf mehreren Reisen in Deutschland, Frankreich und Italien.

Im Sommer 1849 diente Roon in Köln als Chef des Generalstabs der 15. Division unter Generalleutnant Moritz von Hirschfeld. Als dieser die Führung des Ersten der beiden von Preußen zur Niederschlagung der Revolution in der Pfalz und in Baden aufgestellten Armeekorps übernahm, blieb Roon in seinem Stab. Während des Feldzugs machte er die Bekanntschaft des Oberkommandierenden Prinz von Preußen, zu dessen ideellem Kreis er von nun an gehörte. Roon wurde an wechselnden Stellen im Generalstab und im Truppendienst eingesetzt. Im Jahr 1851 folgte die Beförderung zum Oberst, 1856 die Ernennung zum Generalmajor und 1858 die zum Kommandeur der 14. Division, immer verbunden mit Versetzungen in verschiedene Regionen der preußischen Monarchie.

Auf Anregung des Prinzen von Preußen hatte Roon, zurückgezogen in Kolberg, im Sommer 1858 eine Denkschrift zu Fragen der Modernisierung des preußischen Kriegswesens verfasst. Sie fiel ganz im Sinne Otto von Bismarcks und des Prinzen im heraufziehenden preußischen Verfassungskonflikt aus. Nach dem Beginn seiner Regentschaft berief der Prinz von Preußen Roon 1859 in die Kommission zur Reorganisation des Heeres, ernannte ihn im Dezember 1859 zum Kriegsminister und nach seiner Thronbesteigung als Wilhelm I. 1861 zusätzlich zum Marineminister. Als fraktionsloser Abgeordneter im preußischen Abgeordnetenhaus, dem er in den Jahren 1859 bis 1860 und 1863 bis 1870 angehörte, verteidigte Roon die Heeresreform gegen die Mehrheit kompromisslos und rhetorisch gewandt.

Als Wilhelm im Kampf um die Heeresreform aufgeben wollte, sandte Roon an Bismarck am 18. September 1862 ein denkwürdiges Telegramm mit dem Satz: „Periculum in mora. Dépêchez-vous!“ („Gefahr im Verzug! Beeilen Sie sich!“). Das Telegramm veranlasste Bismarck, von seinem Pariser Botschafterposten nach Berlin zurückzukehren, wo der König ihn zum Ministerpräsidenten ernannte.

An Bismarcks Seite führte Roon anschließend gegen eine starke liberale Opposition die Modernisierung des Heeres durch. In der deutschen Öffentlichkeit stieg Roons Ansehen wie das Bismarcks und Helmuth von Moltkes, als sich seit 1864 in den Kriegen gegen Dänemark und Österreich Erfolge in der Lösung der Deutschen Frage durch Blut und Eisen bemerkbar gemacht hatten. Der Preußische Landtag bewilligte ihnen Dotationen. Nach der Schlacht bei Königgrätz erhielt Roon den Schwarzen Adlerorden.

Der König erhob Roon am 16. Juni 1871, am Tag der glänzenden Berliner Siegesparade, für seine Verdienste um die siegreichen Einigungskriege in den preußischen Grafenstand und berief ihn 1872 als lebenslanges Mitglied ins Herrenhaus. Der Reichstag, dessen Vorgänger, dem Norddeutschen Reichstag, Roon als Mitglied der konservativen Fraktion für den Wahlkreis Teltow-Beeskow-Storkow bis 1868 angehört hatte, sprach ihm eine Dotation von 300.000 Talern zu.

Am 1. Januar 1873 berief Wilhelm I. Roon zum preußischen Ministerpräsidenten und ernannte ihn zum Generalfeldmarschall. Es kam jedoch infolge der auch aus gesundheitlichen Gründen offenkundigen Überforderung Roons im Amt des preußischen Ministerpräsidenten während des Kulturkampfes nicht zu der erhofften Entlastung Bismarcks als Reichskanzler. Zum wiederholt erbetenen Abschied am 9. November 1873 verlieh ihm Wilhelm I. die Brillanten zum Schwarzen Adlerorden.

Roon hatte 1868 das Schloss Gütergotz bei Potsdam erworben, es verschönert und den Park neu angelegt. Nach seinem Abschied verkaufte er das Anwesen und zog sich auf das Schloss Neuhof bei Coburg in Franken zurück. In Reichenbach kaufte er am 6. September 1873 das Schloss Krobnitz. Dort verbrachte Roon seine letzten Lebensjahre und fand in der Familiengruft seine letzte Ruhe.

Familiengründung

Albrecht von Roon entstammte der calvinistischen Familie de Ron bzw. van Ron (auch Deron bzw. de Rhon/Rhoon oder de Rohn), welche Mitte des 16. Jahrhunderts aus konfessionellen Gründen aus Wallonien in die Reichsstadt Frankfurt am Main emigriert war, wo sich die Angehörigen der Familie als Kaufleute niederließen, später auch als Beamte und Offiziere in Berlin und Frankfurt (Oder). Der Stammvater in Frankfurt am Main war Isaak de Ron (urkundlich 1589–† 1603), der ein Sohn des Färbers Blaise de Ron war, der 1559 urkundete, und Schwiegersohn des Seidenfärbers Adrian Lernou. Dessen Sohn war Isaak de Ron, 1620 Schwiegersohn des Johann Ploiart, Spezereihändler, dann Gasthalter zum weißen Schwan, Vater des Frankfurter Bankiers Johann Martin de Rhon (1645–1722), dessen gleichnamiger Sohn mit Reneé Susanne d'Orville verheiratet war. Roons Großvater Johann Noah de Ron (1732–1820) war Kaufmann; erst in Frankfurt am Main, dann in Berlin.

Roon heiratete am 2. September 1836 Anna Rogge (1818–1885) in Groß Tinz bei Liegnitz. Sie war die Tochter des preußischen Militärpfarrers Wilhelm Rogge (1790–1870) und dessen Ehefrau Auguste Wolfram. Sein Schwager Bernhard Rogge (1831–1919) war Hofprediger und wurde 1906 Ehrenbürger von Potsdam. Roon hatte folgende Kinder:

  • Waldemar (1837–1919), preußischer Generalleutnant ⚭ Magdalene von Blanckenburg (1845–1915), Tochter des Moritz von Blanckenburg (1815–1888)
  • Bernhard (1838–1870), preußischer Hauptmann, erlag am 3. September 1870 im Lazarett La Moncelle einer Verwundung in der Schlacht von Sedan
  • Arnold (1840–1906), preußischer General der Infanterie ⚭ Helene von Langenbeck (1848–1907), Tochter des Bernhard von Langenbeck (1810–1887)
  • Elisabeth (1842–1908) ⚭ Heinrich von Brauchitsch (1831–1916)
  • Hedwig (1843–1927) ⚭ Eugen von Wißmann (1841–1912), preußischer Rittmeister
  • Wilhelm (1844–1890) ⚭ Emmy (Wally) Karoline Helene Amalie von Zeschau (* 1857), Tochter des Hugo Balthasar von Zeschau (* 1826)
  • Josua (1852–1859)

Albrecht von Roon ist durch seine Urenkelin Benita von Roon (1922–2010) ein Ururgroßvater des deutsch-türkischen Journalisten und Autors Hasan Cobanli.

Wappen

Das Wappen derer von Roon ist im Adelslexicon der Preußischen Monarchie von 1856 verzeichnet: es ist mit einem Herzschild belegt, darin ein von einem Balken überdeckter Bär; der Hauptschild ist gespalten und rechts geteilt, oben ein gekrönter Löwe, links zwei ins Andreaskreuz gestellte geastete Baumstämme. Das gebesserte Wappen wurde 1871 mit dem preußischen Grafenstand an Albrecht von Roon verliehen.

Ehrungen

Orden, Namensvergaben

Wilhelm I. dekorierte Roon während des Deutsch-Französischen Krieges am 28. Oktober 1870 mit dem Pour le Mérite. Neben der Standeserhöhung im Jahr 1871 zeichnete er ihn mit den höchsten preußischen Orden aus: neben dem Schwarzen Adlerorden (1866) mit dem Großkreuz des Roten Adlerordens mit Eichenlaub und Schwertern und mit Schwertern am Ring. Roon trug Orden zahlreicher deutscher und europäischer Staaten, darunter das Großkreuz der Ehrenlegion (1864).

Wilhelm II. benannte in seiner Eigenschaft als König von Preußen im Jahre 1889 das Füsilier-Regiment „Graf Roon“ (Ostpreußisches) Nr. 33, dessen Chef Roon seit dem 23. April 1864 gewesen war. Außerdem wurde der 1903 vom Stapel gelaufene Große Kreuzer SMS Roon und, damit verbunden, die Roon-Klasse nach ihm benannt.

Eine Insel im Spitzbergen-Archipel heißt Roonøyane, ein Gletscher Roonbreen.

In zahlreichen deutschen Städten gibt es nach Roon benannte Straßen. So befindet sich die Synagoge Köln an der Roonstraße in Köln.

Büsten, Standbilder und Denkmäler

Am Bismarckturm in Aachen befindet sich eine Büste, die von dem Bildhauer Karl Krauß entworfen wurde.

Das Roon-Denkmal in Berlin am nordwestlichen Rand des Großen Sterns im Großen Tiergarten von Harro Magnussen war 1904 zunächst am Anfang der Mittelpromenade der Alsenstraße am nördlichen Rand des Königsplatzes aufgestellt worden. Es war rund neun Meter hoch, die fünf Meter große in Bronze gegossene Plastik zeigt Roon aufrecht stehend in Uniform mit herabgesunkenem Mantel und abgenommener Pickelhaube. Den Denkmalsockel aus schwarzem schwedischen Granit mit einem an der Vorderseite herausgemeißelten Eisernen Kreuz zierte ein halbkreisförmiger Umbau mit zwei bronzenen Lorbeerkranz an den Enden. In den Jahren 1938–1939 ließ Albert Speer im Zuge der Umformung Berlins zur „Reichshauptstadt Germania“ die Monumente für Roon, Bismarck und Helmuth von Moltke sowie die Siegessäule vom Königsplatz an den heutigen Standort versetzen, der als „Forum des Zweiten Reiches“ gedacht war. Dabei verlor das Roon-Denkmal seinen Unterbau und kam auf einen schlichten, etwas erhöhten Muschelkalksockel, um es an das Moltke-Denkmal anzugleichen.

In Görlitz wurde auf dem Wilhelmsplatz am 25. Juni 1895 ein Bronzestandbild Roons eingeweiht. Dort stand es fast 44 Jahre, bis es im Mai 1939 in den Otto-Müller-Park (heute Park des Friedens) umgesetzt wurde, um dem Reiterdenkmal für Kaiser Wilhelm I. Platz zu machen. Im Jahr 1942 gab Görlitz die Statue für Rüstungszwecke an die Metallspende des deutschen Volkes ab.

Eine ebenfalls von der Stadt Görlitz 1902 durch Harro Magnussen in der Oberlausitzer Ruhmeshalle errichtete Bronzestatue Roons entfernten 1945 polnische Soldaten anlässlich der Inbesitznahme des östlich der Neiße gelegenen Gebäudes durch die Volksrepublik Polen.

Die Deutsche Burschenschaft ehrte Roon 1902 durch den Bildhauer Selmar Werner im Burschenschaftsdenkmal in Eisenach mit einer Statue.

In der Stadt Herford-Laar wurde ein Gedenkstein mit einem Bronzebildnis Roons errichtet. Dies ist ein Werk des Bildhauers Heinrich Wefing.

Werke (Auswahl)

  • Grundzüge der Erd-, Völker- und Staatenkunde. 1832, 1839–1844 erweitert auf 3 Bände
  • Die Anfangsgründe der Erd-, Völker- und Staatenkunde. Berlin 1834.
  • Militärische Länderbeschreibung von Europa. Berlin 1837. (veröffentlicht als Militairische Länderbeschreibung von Europa)
  • Die iberische Halbinsel. 1837.
  • Das Kriegstheater zwischen Ebro und Pyrenäen. Berlin 1839.

Literatur

  • Guntram Schulze-Wegener: Albrecht von Roon. Kriegsminister – Ministerpräsident – Generalfeldmarschall. be.bra wissenschaft verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-937233-84-0.
  • Steffen Menzel: Schloss Krobnitz. Geschichte eines Rittergutes und seiner Besitzer, in: Krobnitzer Hefte 1, Hrsg.: Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverband, Verlag Gunter Oettel, Zittau 2008, ISBN 978-3-938583-33-3
  • Kurt von Priesdorff: Soldatisches Führertum. Band 7, Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg, o. O. [Hamburg], o. J. [1939], DNB 367632829, S. 223–237, Nr. 2267.
  • B.: Roon, Albrecht Theodor Emil v. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 29, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 138–143.
  • Rainer Paetau: Roon, Albrecht von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 30–32 (Digitalisat)., HTML
  • N.N.: General-Feldmarschall Albrecht Graf von Roon – ein kurzes Lebensbild, Gütersloh, Bertelsmann, 1888, Online
  • Waldemar Graf von Roon: Denkwürdigkeiten aus dem Leben des General-Feldmarschalls Kriegsministers Grafen von Roon. 3 Bände, E. Trewendt, Breslau 1887.

Genealogie

Commons: Albrecht von Roon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Kurt von Priesdorff: Soldatisches Führertum. Band 7, Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg, o. O. [Hamburg], o. J. [1939], DNB 367632829, S. 223, Nr. 2267.
  2. Albrecht von Roon bei geneanet.org
  3. Bernhard Mann (Bearb.) unter Mitarbeit von Martin Doerry, Cornelia Rauh, Thomas Kühne: Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus 1867–1918 (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 3). Droste, Düsseldorf 1988, ISBN 3-7700-5146-7, S. 327.
  4. Schloss Gütergotz in der Sammlung Duncker: www.zlb.de – Digitale Sammlung (Memento vom 15. Juni 2012 im Internet Archive) (PDF; 343 kB)
  5. Auf Schloss Neuhof befindet sich gegenwärtig eine sozialtherapeutische Einrichtung für Suchtkranke, siehe www.schlossneuhof.de – Historie (Memento vom 6. Dezember 2013 im Internet Archive)
  6. Finden Sie ein Stück Preußen in Sachsen (Memento vom 29. Januar 2009 im Internet Archive), abgerufen am 8. August 2012
  7. Alexander Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte, Band 2, Frankfurt am Main 1921, S. 20.
  8. Rainer Paetau: Roon, Albrecht von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 30–32 (Digitalisat).
  9. „Die Familie Rogge“, aus den Erinnerungen von Johannes Dittrich
  10. Friedrich Wilhelm von Varchmin: Walhalla: Deutschlands Opfer aus den Feldzügen der Jahre 1870 und 1871. S. 297 Todesanzeige
  11. Hasan Cobanli, Stephan Reichenberger: Der halbe Mond, 2016, Personenglossar
  12. Leopold von Ledebur: Adelslexicon der Preußischen Monarchie, Band 2, L–S, Berlin 1856, S. 309.
  13. Roonøyane. In: The Place Names of Svalbard (Erstausgabe 1942). Norsk Polarinstitutt, Oslo 2001, ISBN 82-90307-82-9 (englisch, norwegisch).
  14. Roonbreen. In: The Place Names of Svalbard (Erstausgabe 1942). Norsk Polarinstitutt, Oslo 2001, ISBN 82-90307-82-9 (englisch, norwegisch).
  15. Großer Stern mit Siegessäule, Denkmälern und Torhäusern (Memento vom 16. November 2020 im Internet Archive) in der Denkmaldatenbank des Landesdenkmalamts Berlin
  16. Susanne Kähler, Jörg Kuhn: Roon-Denkmal. Information zum Roon-Denkmal bei Bildhauerei in Berlin.
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