Ein Bündelleiter ist eine parallele und räumlich eng benachbarte Anordnung von zwei oder mehr Leiterseilen gleichen Potentials. Bündelleiter werden bei Freileitungen zur Energieübertragung mit Hochspannungen ab 110 kV verwendet, um die Leitungsverluste zu reduzieren. Die einzelnen Leiterseile eines Bündels werden dabei mit elektrisch leitfähigen Abstandshaltern zusammengefasst, um einen nahezu konstanten räumlichen Abstand der einzelnen Leiterseile zueinander zu gewährleisten.
Ähnliche konstruktive Merkmale hat die zur Übertragung von Antennensignalen genutzte Reusenleitung. Innen- und Außenleiter dieser koaxialen Leitung bestehen jeweils aus einzelnen Leiterseilen, die mit Abstandhaltern gehalten werden.
Kompaktfreileitungen sehen ähnlich aus, doch werden bei derartigen Leitungen als Abstandshalter Isolatoren verwendet, weil die Leiter unterschiedliche Potentiale haben.
Allgemeines
In Deutschland kommen für die Höchstspannung von 380 kV in der Regel Dreier- oder Viererbündel zum Einsatz. Die 380-kV-Leitung Mecklar–Vieselbach wurde auf hessischer Seite auf ganzer Länge mit Viererbündeln konstruiert, auf der thüringischen Seite mit Dreierbündeln – die Schnittstelle befindet sich auf freier Trasse an der Landesgrenze bei Herleshausen wenige Meter südlich der BAB 4, der Übergang erfolgt in den Stromschlaufen eines Abspannmastes. In manchen Fällen, wie dem 380-kV-Stromkreis der Leitung Hoheneck–Herbertingen, sowie bei einigen nach Leitungshavarien oder während Baumaßnahmen aufgebauten provisorischen Leitungsmasten kommen aus statischen Gründen auch Zweierbündel zum Einsatz. Einzelleiter kommen in der 380-kV-Ebene nur bei manchen Freileitungskreuzungen breiterer Wasserwege mit großer Spannweite, wie bei den ehemaligen Freileitungskreuzungen des Kleinen Belt bei Middelfart in Dänemark, zum Einsatz, da Bündelleiter leichter zu windinduzierten Schwingungen neigen als Einzelleiter. Im 220-kV-Übertragungsnetz kommen überwiegend Zweierbündel zum Einsatz. Dreier- und Viererbündel sind hier meist nur dann anzutreffen, wenn in Zukunft eine Umstellung der Leitung auf 380 kV geplant ist. Hingegen existieren zahlreiche, im Regelfall ältere, 220-kV-Leitungen mit Einfachleitern. Im 110-kV- und im Bahnstromnetz findet man Bündelleiter (meist Zweierbündel, seltener Dreier- und Viererbündel) nur bei stark belasteten Leitungen.
Gleiches gilt auch für Leitungen niederer Spannung, wo Bündelleiter nur in Sonderfällen bei hochbelasteten Leitungen wie Erdrückstromleitungen von Eisenbahn-Neubaustrecken oder HGÜ-Leitungen zu finden sind. Bei Leitungen für extrem hohe Spannungen kommen auch Bündel mit mehr als 4 Teilleitern zum Einsatz. So verwendet die Drehstromleitung Ekibastus–Kökschetau in Kasachstan, die mit Spannungen bis zu 1150 kV betrieben werden kann, Bündel aus acht Einzelleitern in kreisförmiger Anordnung.
Berechnungsgrundlagen und Vorteile von Bündelleitern
Aus der Leitungsgleichung lässt sich die so genannte natürliche Leistung ableiten. Je geringer die Wellenimpedanz einer Leitung ist, desto höher ist die natürliche Leistung, die den optimalen Betriebsfall einer Leitung beschreibt. Die Wellenimpedanz der Leitung lässt sich durch eine Erhöhung des Leiterdurchmessers reduzieren – diese Erhöhung erreicht man zweckmäßigerweise mit Bündelleitern.
Die Verwendung von Bündelleitern führt zur Reduzierung der Randfeldstärke entlang der Oberfläche der Leitung. Eine zu große Randfeldstärke führt zu erhöhten Verlusten aufgrund von Koronaentladungen, welche Störgeräusche und elektromagnetische Störungen entlang der Leitung verursachen. Ein Bündelleiter mit n Einzelleitern, welche einen Abstand R und einen Seilradius r0 aufweisen, ist einem zylindrischen Leiter mit dem Radius R′ mit folgenden Zusammenhang gleichwertig:
Die elektrische Randfeldstärke wird dadurch gegenüber dem einzelnen Leiterseil, bei Vernachlässigung des Erdpotentials, um den Faktor
reduziert. Der Parameter a drückt den Abstand der Außenleiter am Masten zueinander aus.
Beispiel: Bei einem Bündelleiter mit vier Einzelseilen (n = 4), welche im Schnitt an den Ecken eines Quadrates mit 20 cm Seitenlänge angeordnet sind und einem Seilradius von r0 = 5 mm aufweisen, und bei einem Abstand der Außenleiter von a = 10 m, wird die Randfeldstärke an der Oberfläche des Bündelleiters auf den Faktor 0,4 im Vergleich zu einem einzelnen Leiterseil reduziert. Der zylindrische Seilradius R′ des Ersatzleiters mit gleicher Randfeldstärke beträgt in diesem Fall 86,5 mm, was gegenüber dem Radius nur eines Leiterseils von 5 mm mehr als eine Verzehnfachung bedeutet.
Ein weiterer Vorteil von Bündelleitern besteht darin, dass ein Bündelleiter bei gleichem Querschnitt eine größere Oberfläche hat als ein Einzelleiter, was eine bessere Wärmeabfuhr ermöglicht, wodurch der Bündelleiter mehr Strom transportieren kann als ein querschnittgleicher Einzelleiter. Ein Beispiel einer Freileitung mit Bündelleitern und hoher Strombelastung ist die Kompaktfreileitung Luzk.
Anwendungsbeispiele
- Bündelleiter (Vierer-Bündel) auf einem Hochspannungsmast für 380 kV, im europäischen Verbundsystem.
- Sechser-Bündelleiter mit einer Betriebsspannung von 765 kV. Betreiber Eskom in Südafrika.
- Vierer-Bündelleiter auf einer 735-kV-Hochspannungsleitung der Hydro-Québec.
- Sechser-Bündelleiter für Hochstrom-Freileitung zwischen Generator und Maschinentransformator, die drei Phasen sind wiederum mit isolierenden Abstandshaltern voneinander getrennt
- Bündelleiter und Stromschienen in einem Umspannwerk
Literatur
- Karl Küpfmüller, Wolfgang Mathis, Albrecht Reibiger: Theoretische Elektrotechnik. 18. Auflage. Springer, 2008, ISBN 978-3-540-78589-7, S. 184 bis 187.