Der Bayerische Senat war nach der Bayerischen Verfassung von 1946 bis 1999 eine zweite Kammer neben dem Bayerischen Landtag als der Volksvertretung.

Struktur und Geschichte

Die 60 Mitglieder des Bayerischen Senats, die mindestens 40 Jahre alt sein mussten, wurden von sozialen, wirtschaftlichen, gemeindlichen und kulturellen Körperschaften für sechs Jahre gewählt bzw. im Fall der Religionsgemeinschaften ernannt. Jeder der Gruppen stand eine festgelegte Anzahl von Sitzen zu. Da der Senat ein ständiges Organ war, wurde alle zwei Jahre ein Drittel der Sitze neu bzw. wieder besetzt. Senatsmitglieder durften nicht zugleich Landtagsabgeordnete sein und genossen ähnliche Rechte wie diese. Der Senat wirkte in gewissem Umfang an der Landesgesetzgebung mit, hatte aber im Wesentlichen beratende und gutachterliche Aufgaben. Ein Einspruch des Senats konnte vom Landtag mit einfacher Mehrheit überstimmt werden.

1977/78 gab es Bestrebungen zur Vergrößerung des Senats, Neuordnung der Zusammensetzung und Berücksichtigung weiterer Körperschaften; die entsprechende Mehrheit zur Änderung der Bayerischen Verfassung kam nicht zustande.

Der Senat kam im Zuge der allgemeinen Bürokratiediskussion in den 1990er-Jahren in die Kritik. Das im Juni 1997 abgehaltene Volksbegehren „Schlanker Staat ohne Senat“, das von der ÖDP initiiert wurde, verlangte schließlich die Abschaffung des Bayerischen Senats. Es wurde durch 927.047 Eintragungen (= 10,5 % des bayerischen Stimmvolks) unterstützt. An dem danach notwendigen Volksentscheid vom 8. Februar 1998 beteiligten sich 39,9 % der Stimmberechtigten. Von den gültigen Stimmen votierten 2.412.944 (69,2 %) für die Abschaffung des Senats. Für den von der CSU getragenen Gegenentwurf des Landtages, der eine veränderte Zusammensetzung des Senats vorsah, stimmten 23,6 %. Im September 1999 erklärte der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Regelungen des Volksentscheids für verfassungskonform. Damit trat zum 1. Januar 2000 das Gesetz zur Abschaffung des Senats in Kraft.

Zusammensetzung

Der Senat setzte sich aus Vertretern folgender Gruppen zusammen:

Präsidenten und Vizepräsidenten

Präsidenten

NameGruppeParteiAmtszeit (Beginn)Amtszeit (Ende)
Josef SingerGenossenschaften-4. Dezember 19479. Januar 1968
Hippolyt Freiherr Poschinger von FrauenauLand- und ForstwirtschaftCSU9. Januar 196814. Januar 1982
Hans WeißGemeinden und GemeindeverbändeCSU14. Januar 198231. Dezember 1993
Walter Schmitt GlaeserHochschulen und AkademienCSU11. Januar 199428. November 1996
Heribert ThallmairGemeinden und GemeindeverbändeCSU28. November 199631. Dezember 1999

Erste Vizepräsidenten

NameGruppeParteiAmtszeit (Beginn)Amtszeit (Ende)
Gustav SchieferGewerkschaftenSPD4. Dezember 19478. Januar 1954
Hans HörnerGewerkschaften-8. Januar 195422. Dezember 1960
Theo EppigWohltätigkeitsorganisationen-22. Februar 196112. Mai 1964
Hippolyt Poschinger von FrauenauLand- und ForstwirtschaftCSU8. Juli 196410. Januar 1968
Josef ListlGemeinden und GemeindeverbändeCSU10. Januar 196831. Dezember 1969
Robert SauerHochschulen und Akademien-8. Januar 197022. August 1970
Audomar ScheuermannReligionsgemeinschaften-1. Oktober 197031. Dezember 1987
Ernst WredeIndustrie und Handel-12. Januar 198831. Dezember 1993
Ekkehard SchumannHochschulen und Akademien-11. Januar 199411. Januar 1996
Heribert ThallmairGemeinden und GemeindeverbändeCSU11. Januar 199628. November 1996
Hans HaibelIndustrie und Handel-28. November 199631. Dezember 1999

Zweite Vizepräsidenten

NameGruppeParteiAmtszeit (Beginn)Amtszeit (Ende)
Alexander RodenstockIndustrie und Handel-4. Dezember 194730. August 1953
Konrad PöhnerIndustrie und HandelCSU25. September 195329. November 1958
Hans BornkesselGemeinden und GemeindeverbändeSPD29. Dezember 195810. Januar 1968
Ludwig LinsertGewerkschaftenSPD10. Januar 19688. Januar 1970
Walter RothGewerkschaften-8. Januar 197031. Dezember 1985
Ernst WredeIndustrie und Handel-9. Januar 198612. Januar 1988
Ekkehard SchumannHochschulen und Akademien-12. Januar 198811. Januar 1994
Christel BeslmeislGewerkschaftenSPD11. Januar 199431. Dezember 1999

Vergleichbare Institutionen in anderen Ländern

Die Zusammensetzung des Bayerischen Senats kann international mit dem irischen Seanad Éireann oder dem französischen Conseil économique, social et environnemental verglichen werden.

Siehe auch

Literatur

  • Hansjürgen Jendral: Der Bayerische Senat: Sonderfall im Föderalismus – und parlamentarisches Modell für Korporatismus? Ein Theorie-Ansatz zur verfassungsrechtlichen Institutionalisierung von organisierten Interessen. Haag und Herchen, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-86137-089-1 (Zugleich: Hagen, Fernuniversität, Diss., 1993).
  • Helga Schmöger: Der Bayerische Senat. Biographisch-statistisches Handbuch 1947–1997 (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. 10). Droste, Düsseldorf 1998, ISBN 3-7700-5207-2.
Commons: Bayerischer Senat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Andreas Nigl: Passauer Senatsglocke bekommt einen Ehrenplatz im Präsidentenflur (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis..
  2. Die Zeit vom 16. September 1977, abgerufen am 28. Mai 2018.
  3. Hans F. Zacher: Verfassungsrechtliche Bedingungen der Veränderung der Zusammensetzung des Bayerischen Senats abgerufen am 28. Mai 2018.
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