Colle Santa Lucia
ladinisch: Col
Staat Italien
Region Venetien
Provinz Belluno (BL)
Lokale Bezeichnung Col Santa Łuçia / Col (roa)
Koordinaten 46° 27′ N, 12° 1′ O
Höhe 1453 m s.l.m.
Fläche 15 km²
Einwohner 353 (31. Dez. 2022)
Fraktionen Villagrande (Gemeindesitz), Rucavà, Rovei, Tie, Colcuc, Canazei, Sopradaz Soppause, Costa, Riz, Pallua, Pezzei, Pian, Costalta, Pont, Fossal, Posalz, Codalonga, Rù, Coltoront, Passo Giau
Postleitzahl 32020
Vorwahl 0437
ISTAT-Nummer 025014
Bezeichnung der Bewohner Collesi
Schutzpatron Santa Lucia
Website comune.collesantalucia.bl.it

Colle Santa Lucia (ladinisch Col, deutsch veraltet Verseil) ist eine italienische Gemeinde mit 353 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2022) in der Provinz Belluno, Region Venetien.

Die Gemeinde gehört zum dolomitenladinischen Gebiet. Mehr als 95 Prozent der Bevölkerung sind Ladiner und sprechen eine rätoromanische Sprache.

Geographie

Die Streugemeinde liegt etwa 38 km nordwestlich von Belluno auf der orographisch rechten Seite des Val Fiorentina auf 1453 m s.l.m. an den Südhängen des Monte Pore (2405 m). Die Gemeinde ist von mehreren Dolomitengruppen umgeben, im Norden von der Nuvolaugruppe, im Osten von der Croda-da-Lago-Gruppe und dem Stock des Monte Pelmo, im Süden von der Civettagruppe und im Westen von der Marmolatagruppe.

Die Nachbargemeinden sind die ladinischen Gemeinden Cortina d’Ampezzo (lad. Anpezo, dt. Hayden), Livinallongo del Col di Lana (lad. Fodom, dt. Buchenstein) und die italienischen Gemeinden Alleghe, Rocca Pietore, San Vito di Cadore und Selva di Cadore.

Verwaltungsgliederung

Colle Santa Lucia besteht aus insgesamt 21 Fraktionen, wobei kein einziger Ortsteil den Namen Colle Santa Lucia trägt. Der Gemeindesitz liegt in der Fraktion Villagrande.

Geschichte

Die Gegend um Colle Santa Lucia wurde erstmals 1145 als Puchberg erwähnt und unterstand möglicherweise dem Fürstbischof von Brixen. 1177 wurde die Gegend dem Kloster Neustift bei Brixen unterstellt. Mit der weltlichen Herrschaft wurde der auf der nahen Burg Andraz ansässige Burgherr betraut. Im gleichen Jahr wurden die Eisenerzmine Wersil (ital. Miniera del Fursil) zu Füßen des Monte Pore erstmals erwähnt.

In der Folge kam es wegen der Ausbeutung der Mine immer wieder zu Streitigkeiten zwischen dem Fürstbischof und den Klosterherren in Neustift, so dass 1490 sogar Papst Innozenz III. als Schlichter einschreiten musste. Aber auch die Republik Venedig, die unmittelbar an das Gebiet von Colle Santa Lucia angrenzte, machte wegen der Minen immer wieder Ansprüche laut. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden der Abbau erstmals eingestellt.

Mit der Säkularisation und der Auflösung des Fürstbistums Brixen infolge des Reichsdeputationshauptschlusses fiel das Gebiet 1804 zum Kaisertum Österreich und es wurde erstmals ein Gemeindevorsteher eingesetzt. In den Wirren der napoleonischen Epoche gehörte die Gemeinde von 1806 bis 1810 zum Eisackkreis des Kurfürstentums Bayern, danach zum Königreich Italien bevor es 1814 Teil des österreichischen Kronlands Tirol wurde.

Nach dem Dritten italienischen Unabhängigkeitskrieg und dem Verlust Venetiens grenzte die Gemeinde seit 1866 unmittelbar an das Königreich Italien. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 wurden die wehrfähigen Männer der Gemeinde zwischen 21 und 41 Jahren von der österreichisch-ungarischen Armee eingezogen und an die Ostfront geschickt. Mit der italienischen Kriegserklärung an Österreich-Ungarn am 23. Mai 1915 wurden auch die Männer zwischen 18 und 51 Jahren eingezogen und dem k.k. Landsturm und den Standschützen zugeteilt. Zugleich waren von den österreichischen Behörden, die offen mit Italien sympathisierenden Personen sowie solche, die man für italienfreundlich hielt, in das Internierungslager Katzenau gebracht worden.

Bereits zwei Tagen nach Kriegsausbruch besetzten am 26. Mai italienische Truppen Colle Santa Lucia. Die österreichisch-ungarische Armee hatte sich zuvor auf leichter zu verteidigende Positionen zurückgezogen. Mit dem weiteren Vormarsch der Italiener durch das Buchensteiner Tal musste die hinter der Front liegende Gemeinde Kriegsflüchtlinge aufnehmen. Zugleich wurde einige näher an der Front liegende Ortsteile von den Italienern evakuiert und auf die anderen Ortsteile verteilt. Wie die österreichischen Behörden vertrauten die Italiener ihrerseits nicht blind der Bevölkerung und internierten 40 Einwohner, die man für österreichfreundlich hielt in italienischen Lagern, darunter den Bürgermeister, der Dorflehrer und der Dorfpfarrer. Des Weiteren wurde mit der Italianisierung der Bevölkerung begonnen. Eine der ersten Maßnahmen war die Anpassung des Schulunterrichts nach italienischen Schulplänen. Um ihren guten Willen zu zeigen und um für Sympathien zu werben, elektrifizierte die italienische Armee 1916 die Gemeinde. Nach der italienischen Niederlage in der 12. Isonzoschlacht bei Karfreit und dem damit verbundenen Rückzug der italienischen Truppen, wurde Colle Santa Lucia Anfang November 1917 von österreichisch-ungarischen Truppen besetzt. Nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes von Villa Giusti am 3. November 1918 kehrten die italienischen Truppen zurück.

Mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Saint-Germain 1920 fiel Colle Santa Lucia auch formal zum Königreich Italien und wurde der Provinz Belluno eingegliedert. Die zwischen Hitler und Mussolini 1939 ausgehandelte Option, die auch die ladinisch sprachige Bevölkerung von Colle Santa Lucia einschloss, fand nur geringe Zustimmung in der Gemeinde. Lediglich 20 % der wahlberechtigten Bevölkerung stimmte für eine Übersiedlung in das Deutsche Reich.

1964 wurde die nach wie vor zur Diözese Brixen gehörende Gemeinde dem Bistum Belluno-Feltre unterstellt, damit brach nach über 800 Jahren die letzte offizielle Verbindung zu Brixen ab. Sowohl nach dem Ersten Weltkrieg wie nach dem Zweiten Weltkrieg forderte die Bevölkerung den Verbleib bzw. die Rückkehr zu Tirol und Österreich. Am 27. und 28. Oktober 2007 stimmten bei einem nicht bindenden Referendum mehr als 90 Prozent der Bevölkerung für den Anschluss an die Autonome Provinz Bozen.

Bevölkerungsentwicklung

Jahr192119311951196119711981199120012011
Einwohner 745719677623603556480418391

Quelle: ISTAT

Verkehr

Durch das Gemeindegebiet führen die Strada provinciale 251 zum Passo Staulanza sowie die Strada provinciale 20 zum Passo di Giau.

Sehenswürdigkeiten

  • Pfarrkirche Santa Lucia im Ortsteil Villagrande
  • Palazzo Chizzali-Bonfadini (Cesa de Jan), Sitz des Istitut Cultural Ladin “Cesa de Jan”, dem ladinischen Kulturinstituts der Provinz Belluno. Ehemals Sitz der Minenverwaltung.
  • Casa Piazza, historisches Gebäude im Ortskern von Villagrande
Commons: Colle Santa Lucia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bilancio demografico e popolazione residente per sesso al 31 dicembre 2022. ISTAT. (Bevölkerungsstatistiken des Istituto Nazionale di Statistica, Stand 31. Dezember 2022).
  2. 1 2 3 Colle Santa Lucia e la storia. In: comune.collesantalucia.bl.it. Abgerufen am 25. Juni 2021 (italienisch).
  3. La storia delle Miniere del Fursil. In: comune.collesantalucia.bl.it. Abgerufen am 25. Juni 2021 (italienisch).
  4. Luciana Palla: Vicende di profughi nelle valli ladine dolomitiche (1914–1918). In: Istitut Ladin Micura de ru (Hrsg.): Ladinia. Nr. 11, 1987, S. 67–111 Digitalisat hier S. 71.
  5. Romina Darman: Popolazioni dolomitiche in guerra. I comuni di Colle Santa Lucia, Livinallongo del Col di Lana, Rocca Pietore e Selva di Cadore (1914 – 1919). Tesi di laurea, Università Ca’ Foscari, Venedig 2016 Digitalisat S. 79.
  6. Zona di appostamento di Colle Santa Lucia. In: venetograndeguerra.it. Abgerufen am 25. Juni 2021 (italienisch).
  7. Il Comune di Livinallongo del Col di Lana. In: eugubininelmondo.com. Abgerufen am 25. Juni 2021 (italienisch).
  8. Romina Darman: Popolazioni dolomitiche in guerra. I comuni di Colle Santa Lucia, Livinallongo del Col di Lana, Rocca Pietore e Selva di Cadore (1914 – 1919). Tesi di laurea, Università Ca’ Foscari, Venedig 2016 Digitalisat S. 41, 80–81.
  9. Carlo Romeo: Le scelte degli altri. La memoria italiana delle opzioni del 1939. In: Eva Pfanzelter (Hrsg.): Option und Erinnerung – La memoria delle opzioni. (= Geschichte und Region/Storia e regione. 22. Jahrgang, 2013, Heft 2). Studienverlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2014, ISSN 1121-0303, S. 47. PDF
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