Die sogenannte consultatio veteris cuiusdam iurisconsulti (verkürzt: consultatio, abgekürzt: Cons.) ist eine mutmaßlich um 450 n. Chr. im weströmischen Gallien erschienene Schriftensammlung von Rechtsgutachten und sonstigen Bescheiden von Rechtsgelehrten (Juristenliteratur). Sie überträgt diokletianisches Rechtsgedankengut in die posttheodosianische Rechtswirklichkeit. Zugeordnet wird das Werk dem nachklassischen Recht. Über den Verfasser ist nichts bekannt. Seinen hier vorgestellten Namen trägt die Sammlung seit Jacques Cujas, auf dessen Ausgabe die späteren Forschungen beruhen.
Inhaltlich und formal unterscheidet sich die Sammlung von anderen spätantiken Privatwerken. Diese hatten häufig die Gestalt von Bescheiden (responsae). Die consultatio hingegen ist eine Ansammlung von Argumenten, die für Hilfestellungen zur Vorbereitung von Gerichtsvorträge gedacht waren. Die in der Sammlung aufgeworfenen Rechtsfragen gehen teils auf die Initiative eines Sachwalters zurück, teils schaltet sich der Verfasser selbst ein. Die Argumente werden mittels klassischen Rechts (iura) belegt, beziehungsweise aus bestehenden Gesetzen (leges) hergeleitet. Die Kraft des Vortrags sollte unterstützt werden. Andere Werke sind autoritativ geprägt, da im Vordergrund stets die richterliche Belehrung steht.
Aufgrund der großen historischen Bedeutung des kurz zuvor im Jahr 438 n. Chr. entstandenen Codex Theodosianus werden diverse in der Folge entstandene Werke, wie die Constitutiones Sirmondianae, die leges novellae oder auch die consultatio zur sogenannten posttheodosianischen Rechtsliteratur gezählt. Ein neues Zeitalter für das römische Rechtswesen eröffneten dann die iustinianischen Rechtskompilationen.
Der französische Kirchenreformer und Heilige Ivo von Chartres soll die Sammlung im 11./12. Jahrhundert verwendet haben. Dem vielen als Begründer einer „historischen Schule“ des römischen Rechts – nicht zu verwechseln mit der Historischen Rechtsschule des 19. Jahrhunderts – geltende französische Experte Jacques Cujas gelangte um 1563 an eine Handschrift der Sammlung, die er unter dem Titel veteris cuiusdam iurisconsulti consultatio herausgab. Mit der Veröffentlichung lichtete sich, dass in den Schriften viele Gesetzesstellen und Rechtshinweise angemerkt waren, die sich auf aktuell schwebende Verfahren bezogen hatten und Bedeutung auch für zukünftige Gerichtsverfahren erfuhren. Wer die Verfasser der an Advokaten (causidici) gerichteten Bescheide waren und welchen Rechtsschulen sie zugehörten, ist bis heute ungewiss. Allein die in der Sammlung angeführten Belege sind nachgewiesen worden. Sie entstammen den Primärquellen der diokletianischen Kodizes Gregorianus und Hermogenianus einerseits, andererseits aus derivativem Recht. So kommen auch Florilegien der pseudopaulinischen Sentenzen zum Tragen, die herangezogen wurden, weil sich eine Anspruchshaltung an die Simplifizierung von Recht breit machte.
Literatur
- Gustav Ernst Heimbach: Die Consultatio veteris cuiusdam iurisconsulti, Leipziger Repetitorium 3, 1843, S. 154.
- Paul Jörs: Consultatio veteris cuiusdam iuris consulti. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV,1, Stuttgart 1900, Sp. 1143–1145.
- Paul Krueger (Hrsg.), Theodor Mommsen (Bearb.): Consultatio veteris cuiusdam iurisconsulti codices gregorianus et hermogenianus alia minora. Berolini: Weidmann, 1890. (Hochschule Berlin).
Anmerkungen
- ↑ Vgl. für altertumswissenschaftliche Abkürzungen etwa Sebastian Schmidt-Hofner, Hans-Ulrich Wiemer: Die Politik der Form: Das Edictum Theoderici, das Prätorische Edikt und die Semantiken königlicher Rechtsetzung im postimperialen Westen. Band 52, 2022, hrsg. von Christof Schuler, Rudolf Haensch und Simone Killen, Berlin, Boston. De Gruyter, 2023. S. 335.
- ↑ Gesichert ist, dass Gallien mit Narbonne (Colonia Narbo Martius) und Lyon (Lugdunum ) zwei juristische Kulturzentren besaß; vgl. zu Narbonne: Sidonius Apollinaris, Leo und Marcellinus in Carmina 23, Einleitung, Text und Kommentar von Norbert Delhey. Berlin 1993 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte 40), S. 446 ff. und 465 ff; zu Lyon: Sidonius Apollinaris, Philomathius in Epistulae 1, 3 und 5, 17, 2 und 7.
- ↑ Eine andere Auffassung vertritt Franz Wieacker, der in einem Otto Lenel gewidmeten Aufsatz auf Rom verweist.
- ↑ Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n.Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 175 f.
- 1 2 3 4 Martin Schanz, Carl Hosius: Geschichte der römischen Literatur. Vierter Teil, 2. Band: Die Literatur des fünften und sechsten Jahrhunderts. C. H. Beck, München 1920, ISBN 3-406-01398-8, S. 175.
- ↑ So etwa die Forschung von Otto Karlowa: Römische Rechtsgeschichte. Band 1: Staatsrecht und Rechtsquellen. Leipzig 1885. Guinea-Bissau Als Reprint: Keip, Goldbach 1997, ISBN 978-3-8051-0677-1. S. 973.