Eine allgemeine formale Herleitung

Die genaue Herleitung legt die verallgemeinerte Form der Unschärferelation für den Hamilton-Operator ${\displaystyle {\hat {H}}}$ und einen beliebigen anderen Operator ${\displaystyle {\hat {A}}}$ zugrunde (Herleitung im Artikel Heisenbergsche Unschärferelation):

${\displaystyle \Delta H\;\Delta A\geq {\frac {1}{2}}\left|\left\langle \left[{\hat {H}},{\hat {A}}\ \right]\right\rangle \right|}$

Darin ist ${\displaystyle \Delta H=\Delta E}$ die Standardabweichung der Energie und ${\displaystyle \Delta A}$ die Standardabweichung der Observablen ${\displaystyle A}$ im betrachteten Zustand. Da aber für ${\displaystyle {\hat {A}}}$ nicht die Zeit gewählt werden darf, weil diese im Gegensatz zu Ort, Impuls, Drehimpuls, Energie etc. nicht durch einen Operator dargestellt werden kann, wird der Umweg über die zeitliche Änderung des Erwartungswerts von ${\displaystyle {\hat {A}}}$ genommen. Die Änderungsgeschwindigkeit ist nach dem Ehrenfest-Theorem (hierbei werden ${\displaystyle {\hat {A}}}$ und ${\displaystyle {\hat {H}}}$ als stationär, d. h. als nicht explizit zeitabhängig vorausgesetzt):

${\displaystyle \left|{\frac {d}{dt}}\left\langle {\hat {A}}\right\rangle \right|={\frac {1}{\hbar }}\left|\left\langle \left[{\hat {H}},{\hat {A}}\right]\right\rangle \right|}$,

Schreiben wir ${\displaystyle \Delta E}$ statt ${\displaystyle \Delta H}$, so gilt also

${\displaystyle \Delta E\;\Delta A\geq {\frac {\hbar }{2}}\left|{\frac {d}{dt}}\left\langle {\hat {A}}\right\rangle \right|}$.

Die Zeitspanne ${\displaystyle \Delta t_{A}}$ wird eingeführt, indem

${\displaystyle \Delta A=\left|{\frac {d}{dt}}\left\langle {\hat {A}}\right\rangle \right|\Delta t_{A}}$.

gesetzt wird. ${\displaystyle \Delta t_{A}}$ ist also kein Maß für eine Streuung, sondern die Zeit, die verstreichen muss, damit der Erwartungswert der Observablen ${\displaystyle {\hat {A}}}$ sich wesentlich, d. h. um eine Standardabweichung ${\displaystyle \Delta A}$ ändert. Wenn die letzte Ungleichung mit ${\displaystyle \Delta t_{A}}$ multipliziert wird, lässt sich ${\displaystyle \Delta A}$ herauskürzen. Übrig bleibt die gesuchte Unschärferelation:

${\displaystyle \Delta E\;\Delta t\geq {\frac {\hbar }{2}}}$.

Da die rechte Seite der Ungleichung nicht von der Wahl von ${\displaystyle {\hat {A}}}$ abhängt, gilt sie allgemein und kann bei keiner Observablen unterschritten werden. Daher kann der Index bei ${\displaystyle \Delta t_{A}}$ weggelassen werden. Gleichwohl sollte man sich des Kontextes bei der Interpretation der Ungleichung und des Zeitintervalls ${\displaystyle \Delta t}$ stets bewusst sein.

Energieunschärfe und Lebensdauer

Mit einer anderen physikalischen Interpretation gilt eine ähnliche Energie-Zeit-Unschärferelation beim Zerfall eines Systems in einem metastabilen Zustand in zwei Teilchen, also auch bei jeder Art von Emission. Hier ist die Relation durch eine Gleichung gegeben:

${\displaystyle \Delta E\;\tau =\hbar }$.

Darin steht ${\displaystyle \Delta E}$ nicht für die Standardabweichung, sondern für die Halbwertsbreite der kinetischen Energie der Zerfallsprodukte, und ${\displaystyle \tau }$ nicht für eine Zeitunschärfe, sondern für die wohlbestimmte mittlere Lebensdauer des metastabilen Zustands. Allerdings kann man ${\displaystyle \tau }$ auch als eine Zeitunschärfe ansehen, weil bei einem Ensemble gleicher Systeme die einzelnen Zerfallszeiten eine exponentielle Verteilung zeigen, und deren Standardabweichung ist auch gleich dem Mittelwert. Die Herleitung erfolgt im Rahmen der Resonanztheorie für die Streuung an einem Potentialtopf. Sie gilt für jedes zerfallende System, denn dieses lässt sich als Resonanz in der Umkehrreaktion auffassen, wenn also die Zerfallsprodukte aufeinander treffen.

Weitere Einzelbeispiele

Es gibt eine Reihe weiterer Einzelbeispiele, an denen sich eine ähnliche Energie-Zeit-Unschärferelation finden lässt. Unter anderem:

• Bezieht sich ${\displaystyle \Delta t}$ auf die Unsicherheit in der Bestimmung des Zeitpunkts, an dem ein Teilchen einen Ort passiert, dann wird die Wellenfunktion des Teilchens als Wellenpaket mit einer gewissen Ausdehnung und damit auch Energieunschärfe modelliert. Bei gegebener (mittlerer) Geschwindigkeit ist ${\displaystyle \Delta t}$ proportional zur Länge des Wellenpakets, die ihrerseits umgekehrt proportional zur Energieunschärfe ist. Es ergibt sich ${\displaystyle \Delta E\;\Delta t\sim \hbar }$.
• Daraus abgeleitet ergibt sich, dass eine Energiemessung mit der Genauigkeit ${\displaystyle \Delta E}$ mindestens die Zeit ${\displaystyle \Delta t=\hbar /\Delta E}$ erfordert.
• Befindet sich das System in einem Überlagerungszustand aus zwei Energieniveaus mit Energieabstand ${\displaystyle \Delta E}$, dann schwingt die Wellenfunktion mit der Periode ${\displaystyle \tau =h/\Delta E}$ zwischen der symmetrischen und der antisymmetrischen Form hin und her.