Gerhart Eisler (* 20. Februar 1897 in Leipzig; † 21. März 1968 in Jerewan, Armenische SSR, Sowjetunion) war ein österreichisch-deutscher kommunistischer Funktionär, Politiker und Journalist der DDR. Während des Stalinismus war er Mitglied der KPD, arbeitete für die Komintern in China und für den sowjetischen Geheimdienst GRU in den USA. Er war der Bruder des bekannten Komponisten Hanns Eisler und der zeitweise führenden KPD-Politikerin des linken Flügels Ruth Fischer.

Leben

Gerhart Eislers Eltern waren der bedeutende Kantforscher und Philosophiehistoriker Rudolf Eisler und Ida Maria Eisler, geb. Fischer. Eisler wuchs in Leipzig, und nach der Übersiedlung der Familie 1901, in Wien auf. Bereits in seiner von einem jüdisch-bürgerlichen Elternhaus geprägten Kindheit und Jugend entwickelte der junge Eisler vielfältige Interessen: Er begeisterte sich für Literatur, jedoch auch fürs Fußballspielen und Bergsteigen. Daneben engagierte er sich in der Jugendkulturbewegung, schrieb Gedichte und Theaterstücke. Obwohl Kriegsgegner, musste er im Ersten Weltkrieg in der österreichischen Armee dienen, wurde wegen seiner Tapferkeit mehrfach ausgezeichnet und stieg zum Leutnant der Reserve auf. Eisler schloss sich der Kommunistischen Partei Deutsch-Österreichs bei deren Gründung im November 1918 an und nahm als Mitglied der Roten Garde an der Revolution in Österreich teil. Er heiratete Ende 1919 seine erste Frau, die damalige Schauspielschülerin Hede Tune (1900–1981).

Weimarer Republik

1921 gingen sie nach Berlin, wo die Schwester Ruth eine führende Rolle in der KPD spielte. Gerhart Eisler wurde Redakteur der Roten Fahne. Seine erste Ehe scheiterte und Eisler heiratete 1923 seine Schwägerin Elli Tune, die als Stenotypistin bei der sowjetischen Handelsvertretung beschäftigt war. Ihre Tochter Anna wurde 1931 geboren. Seine zweite Frau verließ ihn 1933.

Auf dem Essener Parteitag der KPD 1927 wurde er zum Kandidaten des Zentralkomitees und gleichzeitig zum Kandidaten des Politbüros gewählt. Er gehörte 1927 bis 1929 zur Gruppe der sogenannten Versöhnler und war 1928 aktiv an der versuchten Entmachtung des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann (Wittorf-Affäre) beteiligt.

Kommunistische Internationale

1929 bis 1931 wurde Eisler zur Bewährung als Beauftragter der Kommunistischen Internationale nach China versetzt. Von 1933 bis 1936 war er unter dem Namen Edwards als Illegaler (Einwanderer) der Vertreter der Kommunistischen Internationale in den USA.

Während des Spanischen Bürgerkrieges übernahm er im Auftrag der Komintern die Leitung des Deutschen Freiheitssenders 29,8. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges befand sich Eisler in Frankreich, wo er im August 1939 in Paris verhaftet wurde. Drei Jahre befand er sich in den französischen Internierungslagern Le Vernet und Les Milles bei Marseille.

Im Mai 1941 konnte er als regulärer Immigrant in die USA entkommen. Er lebte in Queens und heiratete dort Hilde Rothstein (1942). Er schrieb für die Parteipresse unter Pseudonym. Mit Kurt Rosenfeld gab er den German American heraus und war bis 1946 dessen Chefredakteur.

Außerdem arbeitete er für den sowjetischen Geheimdienst in den USA. Nach Anschuldigungen seiner Schwester Ruth Fischer vor dem Ausschuss gegen unamerikanische Aktivitäten bezeichnete ihn das US-Magazin Time als top Soviet agent.

Flucht aus Amerika

Eisler durfte das Land nicht verlassen und wurde 1947 zu vier Jahren Haft wegen „Mißachtung des amerikanischen Kongresses und Paßfälschung“ verurteilt. Gegen Kaution kam er frei. Seine Schwester war Zeugin der Anklage. Seine erste Frau Hede Massing war später eine weitere prominente Antikommunistin und Zeugin der Tätigkeiten der Kommunistischen Internationale in den USA.

Eisler wurde im Februar 1948 erneut verhaftet und für acht Wochen auf Ellis Island interniert. Einer drohenden Verurteilung wegen Spionage entzog er sich im Mai 1949 durch Flucht nach Europa. Seine Frau wurde verhaftet, interniert und abgeschoben. Sie folgte ihrem Mann in die DDR. Hilde Eisler wurde 1956 die Chefredakteurin der Zeitschrift Das Magazin.

Im Juni 1949 kehrte Eisler als blinder Passagier eines polnischen Frachters über London nach Berlin zurück.

Leitender SED-Funktionär

Eisler wurde Mitarbeiter des Parteivorstandes der SED und Abgeordneter der Volkskammer, dem Parlament der DDR. Im Zuge der Errichtung der SED-Herrschaft teilte er im Rahmen der Parteivorstandssitzung vom 4. Oktober 1949 seinen Kollegen mit, dass sie als Marxisten wissen müssen: „Wenn wir eine Regierung gründen, geben wir sie niemals wieder auf, weder durch Wahlen noch durch andere Methoden“. Bis 1953 war er in der DDR-Regierung verantwortlich für die Lenkung der Presse und des Rundfunks. Wegen Sympathisierens mit den Gegnern von SED-Parteichef Walter Ulbricht vor und während des Aufstandes am 17. Juni 1953 wurde er abgesetzt, aber 1955 rehabilitiert.

Von 1956 bis 1962 war Eisler stellvertretender Vorsitzender und danach bis zu seinem Tode Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Rundfunk der DDR, seit 1967 Mitglied des Zentralkomitees der SED. Dort war er einer der innovativsten Führungsfiguren im DDR-Medienapparat: In seine Zeit fällt zum Beispiel die Einrichtung des Jugendstudios DT 64, das er auch vor Angriffen aus der Partei schützte. In Hörfunk und Fernsehen moderierte Eisler jede Woche das Sonntagsgespräch des Deutschlandsenders.

In der DDR wurden mehrere Straßen und Schulen nach ihm benannt, die jedoch nach der Wende neue Namen erhielten wie die heutige Nossener Straße im Berliner Ortsteil Hellersdorf.

Ihm wurde 1957 der Vaterländische Verdienstorden in Silber und 1964 in Gold verliehen. 1962 erhielt er den Karl-Marx-Orden.

Gerhart Eisler starb 1968 auf einer Dienstreise in Armenien an den Folgen eines Herzinfarkts. Seine Urne wurde in der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg beigesetzt.

Mit der Gerhart-Eisler-Plakette wurden seit 1975 journalistische Leistungen sowie allgemeine Verdienste um den Rundfunk der DDR ausgezeichnet. Die Deutsche Post der DDR gab 1977 zu Gerhart Eislers Ehren eine Sondermarke in der Serie Persönlichkeiten der deutschen Arbeiterbewegung heraus.

Darstellung Eislers in der bildenden Kunst der DDR

Werke

  • Auf der Hauptstraße der Weltgeschichte. Artikel, Reden und Kommentare 1956–1968. Dietz, Berlin 1981

Literatur

  • Ronald Friedmann: Ulbrichts Rundfunkmann. Eine Gerhart-Eisler-Biographie. 2007, ISBN 3-360-01083-3
  • Ronald Friedmann: Walter Ulbricht und Gerhard Eisler – Skizze einer seltsamen Freundschaft, in: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, H. 3, 2009
  • Nathan Notowicz: "Wir reden hier nicht von Napoleon. Wir reden von Ihnen!" Hanns Eisler – Gerhart Eisler, Gespräche. Hrsg. Jürgen Elsner. Verlag Neue Musik Berlin, Leipzig 1971
  • Jürgen Schebera: Eisler (d. i. Hanns Eisler). Schott, Mainz 1998
  • Bernd-Rainer Barth: Eisler, Gerhart. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Mario Keßler: Westemigranten. Deutsche Kommunisten zwischen USA-Exil und DDR., Böhlau Verlag Köln, Göttingen, 2019, ISBN 978-3-412-50044-3.
Commons: Gerhart Eisler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 Arnold, Klaus: Rezension zu: R. Friedmann: Ulbrichts Rundfunkmann. Abgerufen am 25. Februar 2021.
  2. Ronald Friedmann: Gerhart Eisler als Agent in China: Vorbild für Die Maßnahme?, Vortrag, 29. März 2008 ronald-friedmann.de
  3. Gerhart Eisler. Bundesstiftung Aufarbeitung, abgerufen am 18. März 2021.
  4. The Man from Moscow, 27. Februar 1947. Time, abgerufen am 18. März 2021.
  5. Nossener Straße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
  6. Für große Verdienste geehrt, In: Neues Deutschland, 28. Februar 1957, S. 1
  7. Neues Deutschland, 6. Oktober 1964, S. 5
  8. Staatsrat würdigt hohe Verdienste, In: Neues Deutschland, 15. Februar 1962, S. 1
  9. Asmus; Burschik Steuerlein: Porträt Gerhart Eisler (Journalist). 1971, abgerufen am 29. September 2022.
  10. auf der Website Friedmanns im Bereich „Dokumentation“ gibt es zwei bislang unbekannte Dokumente zu Eisler in den USA, in Englisch
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