Die Studentenverbindung (frz. Société d’Étudiants) Germania Lausanne wurde 1887 im französischsprachigen Lausanne gegründet. Sie gehört keinem Korporationsverband an und ist aufgrund ihrer originären Grundsätze – unpolitisch, konfessionell neutral und tolerant – am stärksten mit den Corps des Kösener Senioren-Convents-Verbands (KSCV) verwandt. Bis 2009 waren etwa 50 Germanen auch Mitglied eines Corps im KSCV. Germania ist freischlagend, wie alle Verbindungen in der Romandie ficht sie jedoch keine Mensuren vor Ort. Ihre Mitglieder sind grösstenteils Jurastudenten der Université de Lausanne. Die übrigen vertreten andere Fachrichtungen der Université de Lausanne, der École polytechnique fédérale de Lausanne und der École hôtelière de Lausanne. Die Mitglieder werden Lausanner Germanen genannt.

Wappen und Farben

Das Wappen zeigt in der Mitte den Zirkel mit dem Buchstaben „G“. Heraldisch im oberen rechten Feld zeigt sich der Adler des Deutschen Kaiserreichs von 1871, womit die Mitglieder bei der Gründung im Jahre 1887 einen Bezug zu ihrem Herkunftsland herstellten. Heraldisch oben links befindet sich das Wappen der Schweiz. Heraldisch unten rechts befinden sich das Gründungsdatum (7. Juni 1887) und zwei gekreuzte, von Lorbeer umkränzte Korbschläger. Die studentischen Fechtwaffen stehen für die (1956 aufgegebene) unbedingte Satisfaktionsfähigkeit der Mitglieder. Unten links sind die Traditionsfarben Schwarz-Weiss-Rot. Das Fuchsband ist schwarz-rot, die Studentenmütze schwarz. Im Sommer wurde früher ein weisser Stürmer getragen.

Der Wahlspruch ist Furchtlos, selbstlos, rastlos!

Geschichte

Germania Lausanne wurde am 7. Juni 1887 von einigen Studenten unter massgeblicher Beteiligung Heinrich Ermans, des Professors für römisches Recht an der Académie de Lausanne, dem Vorläufer der Université de Lausanne, gegründet. Damit ist sie die älteste deutsche Studentenverbindung im Ausland. Zu den Gründern gehörten unter anderen die damaligen Studenten stud. jur. Paul Ikier, stud. jur. Fritz Bluhme, stud. phil. Curt Avenarius, stud. phil. George Runge und stud. theol. Georg Grützmacher. Die Gründung entsprang dem Bedürfnis der Studenten, sich in Lausanne einen Mittelpunkt akademischer Geselligkeit zu schaffen, und war aufgrund des Einflusses von Professor Erman zunächst keine Verbindung im deutsch-akademischen Sinne, sondern eine Studentengesellschaft der Art, wie die an der Université de Lausanne bestehenden wissenschaftlich geselligen Vereine. Schon im zweiten Semester der Verbindung nahmen die Tendenzen in Richtung auf eine Annäherung an das Corpsprinzip, insbesondere durch Annahme des Satisfaktionsprinzips und Aufnahme des Fechtunterrichts beim Universitätsfechtlehrer Dufour, Gestalt an. Seit der Gründung bestehen unverändert das Toleranzprinzip und der rein gesellschaftliche und unpolitische Charakter der Germania.

Die Geschichte der Germania steht im Zusammenhang mit der Gründung und Entwicklung der Université de Lausanne. Auslandsaufenthalte erfreuten sich infolge der Reichsgründung von 1871 und der damit verbundenen Zunahme der Internationalisierung von Industrie und Handel auch bei deutschen Studenten wachsender Beliebtheit. Es wurde üblich, einige Studiensemester im Ausland an den dortigen Hochschulen zu verbringen, um dort die eigenen Fremdsprachkenntnisse im Englischen oder Französischen zu verbessern. Im englischsprachigen Raum waren die Colleges in Cambridge oder Oxford gefragt. Ein bevorzugtes Ziel im französischsprachigen Raum wurde die Universitätsstadt Lausanne. Die Stadt lag ausgesprochen reizvoll, ausserdem bot die Juristische Fakultät am Sitz des schweizerischen Bundesgerichts viele Möglichkeiten. Nachdem die vormalige Académie de Lausanne um zahlreiche Fachbereiche und Fakultäten erweitert wurde und schliesslich 1890 Namen und Status einer Universität bekam, stieg die Zahl der Studierenden stetig an. 1895 gab es erstmals Feriensprachkurse für nicht-französischsprachige Studierende, welche von der philosophischen Fakultät (Faculté des lettres) angeboten wurden. Zudem hielt der Berliner Heinrich Erman, seit 1883 Professor in Lausanne, seit dem Wintersemester 1886/87 deutschsprachige Vorlesungen zum Römischen Recht und nachdem 1896 in Deutschland das BGB verabschiedet worden war, erstmals auch zum neuen deutschen Zivilrecht. Fortan konnten neben dem Studium des Schweizer Rechts das in Deutschland begonnene Jurastudium während des Sprachaufenthalts in Lausanne fortgesetzt werden. Aus diesen Vorlesungen entwickelte sich eine Tradition, die bis in die Gegenwart anhält. Nachdem der Lehrstuhl für deutsches Recht an der Université de Lausanne gegründet wurde, wurden kleine und grosse Scheine gleichermassen angeboten. Damit war es möglich, das Jurastudium in Lausanne nicht nur fortzusetzen, sondern direkt dort zu beginnen.

Das erste feste Lokal war seit dem Wintersemester 1891 ein angemieteter Nebenraum im Café de l'Université an der Place de la Palud in der Nähe des Hôtel de Ville der Stadt Lausanne, grössere Veranstaltungen fanden unter anderem im Château de Chillon bei Montreux statt. Das zweite Lokal befand sich von 1892 bis 1914 in einem Nebenraum der Brasserie du Cardinal in der Rue de la Tour nahe der Place de la Riponne, an der sich damals die Universität und im Palais de Rumine die Universitätsbibliothek befand.

Ein im SS 1892 von den Aktiven der Germania unternommener Versuch, ihre Verbindung als „Corps Hansea“ Mitglied im KSCV werden zu lassen, scheiterte an der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit unter den Alten Herren und Inaktiven; die verantwortlichen Aktiven wurden noch im SS 1892 exkludiert. Die Germania Lausanne blieb aber, wie schon seit den Gründungssemestern üblich, durch gegenseitige Mitgliedschaften mit bestimmten Corps mit dem KSCV verbunden. Mehrere Mitglieder traten später u. a. den Corps Borussia Bonn, Bremensia Göttingen, Franconia Jena, Franconia München, Guestphalia Heidelberg, Hansea Bonn, Hasso-Borussia Freiburg, Masovia Königsberg, Pommerania Greifswald, Rhenania Freiburg und Suevia Tübingen bei.

In den beiden Weltkriegen musste die Germania suspendieren. Die erste Suspension während des Ersten Weltkrieges dauerte von 1914 bis 1925. Dies erfolgte aus Mitgliedermangel, da viele Studenten zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Wegen der niedrigen Studentenzahlen kam zudem der deutschsprachige Rechtsunterricht über 10 Jahre lang zum Erliegen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde über weniger als ein halbes Jahr der erfolglose Versuch unternommen, die Germania in Hamburg zu rekonstituieren. In Würzburg kam es 1924/25 als „Lausanner Gesellschaft“ zu einem zweiten Versuch. Im Sommersemester 1925 konnte sie in Lausanne wiederentstehen, was insbesondere von den schweizerischen Verbindungen des Lausanner Turnus, der offiziellen Vertretung an der Université de Lausanne, lebhaft begrüsst wurde. Bis zur Wiederaufnahme der Vorlesungstätigkeit durch Heinrich Erman im Jahre 1928 und den Einsatz Otto Rieses, welcher 1931 an die Université de Lausanne berufen wurde und den Lehrstuhl für deutsches Recht wieder etablieren konnte, fanden zunächst allgemeine rechtswissenschaftliche Vorlesungen in französischer Sprache statt.

1925 wurde ein Lokal in der Strasse Escaliers du Grand Pont No. 4 in der Innenstadt an der Place du Flon bezogen. In der Zeit des Nationalsozialismus war anfangs die Devisenbewirtschaftung in Deutschland der entscheidende Grund, der es deutschen Studenten finanziell nahezu unmöglich machte im Ausland zu studieren. Auch wurde ein Auslandsstudium staatlicherseits mit Argwohn betrachtet, war Weltoffenheit doch nicht mit den Vorstellungen des Regimes zu vereinbaren. Die vom NS-Studentenbund von Deutschland aus gesteuerte Lausanner Deutsche Studentenschaft (DSt) betrachtete mit Argwohn die von der Germania beanspruchte Unabhängigkeit von staatlichen Einflüssen. Zu Beginn des WS 1937/38 vermochte die DSt neue Studenten an einem Eintritt in die Verbindung zu hindern, so dass diese suspendieren musste. Diese Suspension dauerte bis 1956. Der deutsche Rechtsunterricht bestand aber weiter. Obwohl der NS-Staat die jungen Männer mehr und mehr für den Kriegsdienst beanspruchte, konnte die Vorlesungstätigkeit in deutschem Recht in Lausanne durch Otto Riese trotz niedriger Studentenzahlen bei allerdings verändertem Programm aufrechterhalten werden. Ein weiterer prominenter Lausanner Germane in dieser Zeit war der zum engeren Kreis des Attentats vom 20. Juli 1944 zählende Kurt Freiherr von Plettenberg.

Nach der Wiedergründung 1956 bestand die Verbindung ohne weitere Suspensionen fort, und es wurde der gemeinnützige Verein ehemaliger Studenten an der Universität Lausanne e.V., der sog. Förderverein ins Leben gerufen. Zu den Aktivitäten des Vereins gehört u. a. die Herausgabe der Festschrift Gratiae Fructus zu Ehren der Universität Lausanne (1997) und seit 2005 die jährliche Auslobung eines Preises für eine am Lehrstuhl für deutsches Recht angefertigte, herausragende Promotion. Seitens der Université de Lausanne wurde der Unterricht im deutschen bürgerlichen Recht auf benachbarte Rechtsgebiete bis zum deutschen Öffentlichen Recht ausgeweitet. Darüber hinaus erstreckt sich das Angebot der juristischen Fakultät auch auf die Rechtsvergleichung, das Internationale Privatrecht, als auch auf weitere Studiengänge, die vorwiegend in französischer Sprache, seit einigen Jahren zum Teil auch auf Englisch angeboten werden.

Seit 2016 ist eine umfangreiche, vom Förderverein unterstützte Arbeit zur gemeinsamen Geschichte von deutschem Rechtsunterricht und Germania Lausanne in Arbeit.

Bekannte Mitglieder

Diplomaten

Industrielle und Unternehmer

Minister, Parlamentarier und Staatsbeamte

Wissenschaftler und Hochschullehrer

Literatur

  • Erwin Garvens: Germania-Lausanne 1887–1937. Selbstverlag, Hamburg 1937.
  • Olivier Meuwly: Histoire des sociétés d'etudiants à Lausanne (= Études et documents pour servir à l'histoire de l'Université de Lausanne. Vol. 18, ZDB-ID 915557-0). Université de Lausanne 1987.
  • Georg Theuerkauf (Hg.): Reimbold in memoriam. Gedenkschrift für Ernst Thomas Reimbold. (1907–1994). Im Auftrag des Altherrenverbandes der Studentenverbindung Germania Lausanne, Regensburg 1995.
  • Georg Theuerkauf: Lausanner Verbindungsleben vor 70 Jahren. Einst und Jetzt 41 (1996), S. 243–246. ISSN 0420-8870
  • Altherrenverband der Korporation Germania Lausanne (Hg.): Gratiae Fructus. Festschrift zu Ehren der Universität Lausanne. 100 Jahre deutscher Rechtsunterricht an der Universität Lausanne. 110 Jahre Korporation Germania Lausanne. Donau-Druck, Regensburg 1997, ISBN 3-927529-46-X, Beiträge ehemaliger Inhaber des Lausanner Lehrstuhls für deutsches Recht, Professoren Karl Heinz Neumayer, Ulrich Immenga und Fritz Sturm.
  • Helmut Gebhardt: 100 Jahre deutsches Recht an der Universität Lausanne. Einst und Jetzt 43 (1998), S. 66.
  • Paulgerhard Gladen: Die Kösener und Weinheimer Corps. Ihre Darstellung in Einzelchroniken. WJK-Verlag, Hilden 2007, ISBN 978-3-933892-24-9, S. 77.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1 2 Handbuch des Kösener Corpsstudenten, Bd. 2. 6. Auflage, 1985 (dort wird die Germania Lausanne unter „mit dem KSCV verbunden durch gegenseitige Mitgliedschaften“ geführt)
  2. Vgl. Garvens, 1937, S. 12 ff.
  3. Otto Gerlach: Kösener Corpslisten. Eine Zusammenstellung der Mitglieder der bestehenden und der nach dem Jahre 1892 suspendierten Corps mit Angabe von Farben, Zirkel, Jahrgang, Chargen und Personalien. Selbstverlag des Verbandes Alter Corpsstudenten e.V. (VAC), Hamburg 1960.
  4. Mitglieder des „Lausanner Turnus“ sind u. a. die französischsprachigen Verbindungen Société d’Étudiants Zofingue section vaudoise, die Société d’Étudiants de Belles-Lettres und die Société d’Étudiants Helvetia section vaudoise.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.