Gottlob Giacomo Engelhard (* 18. Dezember 1812 in Kassel; † 13. April 1876 in Münster) war ein deutscher Architekt und kurhessischer bzw. preußischer Baubeamter in Kassel und Münster.
Leben und Wirken
Engelhards Vater war der Kasseler Landbaumeister Daniel Engelhard, seine Mutter Annunciata geb. Bossi. Er wuchs in Kassel auf und studierte an der Architekturabteilung der Kasseler Akademie der bildenden Künste. Direktor der Abteilung war damals Johann Conrad Bromeis. Nach Abschluss des Studiums lebte und arbeitete Engelhard von 1834 bis 1841 in Rom. Dort rekonstruierte er den Tempelgrundriss innerhalb des Palazzo Caffarelli, dem damaligen Sitz der preußischen Botschaft. Bei verschiedenen Projekten arbeitete er mit anderen deutschen Architekten in Rom zusammen, so mit Georg Jatho († 1851) und Johann Michael Knapp.
Nach seiner Rückkehr aus Italien arbeitete er in der kurhessischen Bauverwaltung. Ab 1851 bewohnte er als Oberhofbaumeister eine Dienstwohnung im Wilhelmshöher Platz 2, die 1864 von seinem Nachfolger Heinrich von Dehn-Rothfelser übernommen wurde. Er plante den Umbau des Schlosses Hořovice, das dem Kasseler Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. gehörte.
Später wechselte Engelhard zur Bauabteilung der Regierung in der preußischen Provinzialhauptstadt der Provinz Westfalen in Münster. Dort wurde er zum Geheimen Regierungsrat ernannt. Er starb 1876 in Münster.
Engelhard war Mitglied des Berliner Architektenvereins und korrespondierendes Mitglied des archäologischen Vereins in Rom. Neben seinen Leistungen als Architekt und Baumeister ist auch seine Tätigkeit als Maler und Zeichner beachtenswert. Im Jahr 2003 fand in Kassel eine Ausstellung mit Werken von ihm statt: Von Kassel nach Konstantinopel – Landschaften und Architekturzeichnungen von Gottlob Engelhard. In Kassel wurde auch eine Straße nach ihm benannt.
Bau des Kasseler Hauptbahnhofs
Als bedeutendstes der von Engelhard geschaffenen Bauwerke gilt der Kasseler Hauptbahnhof. Er wurde von 1854 bis 1857 als ein Kopfbahnhof im Rundbogenstil des romantischen Klassizismus in der damaligen Oberstadt errichtet.
An der Stelle des neuen Bahnhofs hatten sich bereits vorher zwei provisorische Bahnhofsbauten befunden. Der Architekt und spätere geheime Referent für Eisenbahnangelegenheiten im kurhessischen Kabinett Julius Eugen Ruhl hatte diese getrennten Holzgebäude für zwei Eisenbahnlinien, die private Friedrich-Wilhelms-Nordbahn-Gesellschaft und die staatliche Main-Weser-Bahn gebaut. Ab 1848 wurden hier Züge abgefertigt. Im selben Jahr fiel auch die kurfürstliche Entscheidung zum Bau eines neuen Zentralbahnhofs. Dieser Bahnhof sollte als Gemeinschaftsbahnhof auch noch zur Abfertigung der Hannoverschen Südbahn dienen. Vor dem Baubeginn standen vier verschiedene Varianten für den Standort zur Diskussion, davon war eine der vom Kurfürsten abgelehnte Vorschlag von Engelhards Vater – am Möncheberg. Der Bahnhof wurde mit drei Bahnsteigen und vier Gleisen konzipiert. Durch Drehscheiben konnten die angekommenen Lokomotiven gedreht und über ein Seitengleis wieder an die nunmehrige Spitze des Zuges gesetzt werden. In den Seitenflügeln des Baus befanden sich die Wartesäle und ein Fürstenzimmer. Der Bahnhof gehörte zu den ersten Hauptbahnhöfen Deutschlands und entwickelte sich bald zu einem bedeutenden Eisenbahnknotenpunkt. Der Backsteinbau wurde zunächst als „Oberstadt-Bahnhof“ bezeichnet. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bahnhof stark zerstört und danach weitgehend durch ein neues Gebäude ersetzt.
Familie
Engelhard heiratete Elisabeth Clara Mathilde (* 1816), eine Tochter seines ehemaligen Lehrers Bromeis. Das Paar hatte mehrere Kinder, darunter Philipp Engelhard, der im Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 fiel, und August Felix Gottlob Engelhard (1854–1931), der in Hannover Architektur studierte und später Stadtbaumeister in Eschwege und ab 1897 Baurat in Aurich/Ostfriesland war.
Werke
- Entwurf zu einem deutschen Künstlerhaus in Rom, sign. 1837, in: Erinnerungsbuch der Deutschen Künstler in Rom (Zweites Künstleralbum), Deutscher Künstler-Verein (Hrsg.), Rom
Literatur
- Gottfried Ganßauge: Gottlob Engelhard (1812-1876), Architekt und Maler. In: Lebensbilder aus Kurhessen und Waldeck 1830-1930. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck. Ingeborg Schnack (Hrsg.), Band 5, Marburg 1955, S. 83 ff.
- Jacob Hoffmeister: Jacob Hoffmeister's gesammelte Nachrichten über Künstler und Kunsthandwerker in Hessen seit etwa 300 Jahren. G. Prior (Hrsg.), Meyer, Hannover 1885
- Gottlob Engelhard. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 34, Saur, München u. a. 2002, ISBN 3-598-22774-4, S. 30.
- Friedrich Noack: Engelhard, Gottlob. In: Ulrich Thieme (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 10: Dubolon–Erlwein. E. A. Seemann, Leipzig 1914, S. 538 (Textarchiv – Internet Archive).
Weblinks
- Literatur von und über Gottlob Engelhard im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Engelhard, Gottlob. Hessische Biografie. (Stand: 14. Januar 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Bildindex, vorwiegend Skizzen Gottlob Engelhards von diversen Bauwerken im Bildarchiv von Foto Marburg (Philipps-Universität Marburg)
- „Ansicht der neuen Bürgerschule, um 1840“; Gottlob Engelhard (Zeichner). Historische Ortsansichten, Pläne und Grundrisse. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- „Ansicht von Fürstenhaus und Wilhelmshöher Tor, um 1840“; Gottlob Engelhard (Zeichner). Historische Ortsansichten, Pläne und Grundrisse. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- „Blick von Wolfsanger nach Kassel und Wilhelmshöhe, um 1840“; Gottlob Engelhard (Zeichner). Historische Ortsansichten, Pläne und Grundrisse. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
- ↑ Auch Engelhardt geschrieben; gem. Hugo Brunner: Geschichte der Residenzstadt Cassel, 913–1913, Zur Feier des tausendjährigen Bestehens der Stadt im Auftrage des Magistrats verfasst. Wolfgang Weidlich, 1978 (books.google.pl).
- ↑ Wolfgang Ollrog (Bearbeitung): Johann Christoph Gatterer, der Begründer der wissenschaftlichen Genealogie. Eine Untersuchung der bisher bekannten Quellen und Veröffentlichungen über seine Herkunft, sein Leben und Werk sowie seine Nachkommen. Im Auftrag der Genealogisch-Heraldischen Gesellschaft mit dem Sitz in Göttingen, Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete mit Praktischer Forschungshilfe. 47. Jahrgang, Heft 81/82, Februar 1981, C. A. Starke Verlag (Hrsg.), Limburg/Lahn, 1981 (S. 41.)
- ↑ Kunst in Hessen und am Mittelrhein. Band 23, Hessisches Landesmuseum und Staatliche Kunstsammlungen Kassel (Hrsg.), E. Roether, 1984, S. 14
- ↑ Wolfgang Beyrodt: Gottfried Kinkel als Kunsthistoriker, Darstellung und Briefwechsel. Band 23 der Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn, Röhrscheid, 1979
- ↑ Jürgen Krüger: Rom und Jerusalem. Kirchenbauvorstellungen der Hohenzollern im 19. Jahrhundert. ISBN 3-05-002427-5, Akademie, Berlin 1995, S. 47 books.google.pl (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven.) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Maler, Architekt und Hofmaler in Rom und Kassel
- ↑ Friedrich Noack: Das Deutschtum in Rom seit dem Ausgang des Mittelalters, Deutsche Verlagsanstalt, 1927, S. 389 und S. 618 (books.google.pl).
- ↑ C. Presche: Kulturhistorischer Rundgang, Das Fürstenhaus
- ↑ Heidede Becker: Geschichte der Architektur- und Städtebauwettbewerbe. Band 85 der Schriften des Deutschen Instituts für Urbanistik, W. Kohlhammer, 1992, S. 46 (books.google.pl).
- ↑ Jahrbuch der Brüder Grimm-Gesellschaft. Bände 13–14, Brüder Grimm-Gesellschaft Kassel (Hrsg.), Die Gesellschaft, 2006, S. 136 (Eröffnung am 24. August 2003)
- ↑ Günter Kozica: Erinnerungen an das alte Rothenditmold und dessen Untergang am 22. Oktober 1943, ISBN 978-3-931691-42-4, M. Faste, S. 61 (Memento vom 13. März 2010 im Internet Archive)
- ↑ Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. Band 107, Verein für hessische Geschichte und Landeskunde (Hrsg.), Druckerei Neumeister, 2002, S. 224 (books.google.pl). Andere Quellen nennen eine Bauzeit von 1851 bis 1856.
- ↑ Kassel vor 1939. Der Hauptbahnhof auf Kassel.de (Memento des vom 19. Januar 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Johann Conrad Bromeis, 1788-1855. Ein kurhessischer Architekt, Staatliche Kunstsammlungen Kassel (Hrsg.), Kassel 1988, S. 23
- ↑ Begleittext (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven.) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. zu dem Gemälde Doppelporträt Philipp und August Engelhard, Studie aus dem Katalog der Museumslandschaft Hessen Kassel.