Grundchemikalien (auch Basis- oder Schwerchemikalien) sind in großem Maßstab industriell hergestellte Chemikalien, die als Ausgangsmaterial für viele andere Industrieprodukte verwendet werden. Es handelt sich meistens um chemisch sehr einfach aufgebaute Substanzen, die in verfahrenstechnisch optimierten Großanlagen in Mengen von oft über einer Million Tonnen pro Jahr produziert werden. Grundchemikalien bilden die Rohstoffe für wichtige Massenprodukte wie zum Beispiel Kunststoffe, Farbmittel, Tenside und Düngemittel sowie Spezialprodukte wie Klebstoffe, Pestizide, Anstrichmittel, Konservierungsmittel und Feinchemikalien. Der Herstellungspreis für Grundchemikalien ist durch die Massenproduktion wesentlich geringer als für die Folgeprodukte, aber stark abhängig von Rohstoff- und Energiepreisen. Grundchemikalien auf Basis nachwachsender Rohstoffe werden auch als Plattformchemikalien bezeichnet.

Wirtschaftliche Aspekte

Je nach Kostenlage für Rohstoffe und Güternachfrage werden neue Chemieanlagen für Grundchemikalien sehr langfristig geplant. Bis in die 1960er Jahre basierten viele Verfahren der technischen Chemie für die Herstellung organischer Grundstoffe noch auf dem Ausgangsmaterial Kohle. Später wurden nahezu alle Verfahren auf Basis von Kohle durch eine sauberere Erdölproduktion ersetzt. Viele chemisch-technische Verfahren zur Herstellung von organischen Grundchemikalien auf Basis von Kohle sind deutlich weniger vorteilhaft und belasten die Umwelt stärker als die Verfahren auf Erdölbasis. Durch preiswertere anorganische und organische Grundstoffe wurden in der Folge auch viele Industriechemikalien, Spezialprodukte sowie letztlich auch diverse Konsumgüter für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich. Falls sich die Rohstofflage im Bereich der Erdölversorgung (das zu 90 % als reiner Heizstoff bzw. als Kraftstoff verwendet wird) in Zukunft entscheidend verschlechtert oder verändert, wären natürlich auch die organischen Grundchemikalien (ca. 25 Mio. Tonnen pro Jahr allein in Deutschland), Industriechemikalien, Spezialprodukte und damit auch viele andere Wirtschaftsbereiche betroffen, da viele Chemieanlagen auf Erdölbasis geplant und gebaut wurden und der Einsatz von anderen Ausgangsmaterialien – wie Erdgas oder Kohle – mit diesen Anlagen nicht möglich ist. In der chemischen Reaktions- und Verfahrenstechnik müssten rechtzeitig andere Anlagen konzipiert und hergestellt werden, damit in der Wirtschaft nicht erhebliche Versorgungsengpässe auftreten.

Ein Großteil der organischen Grundchemikalien wurde bis in die achtziger Jahre hauptsächlich in den Industrienationen USA, Japan, Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten erzeugt, da die Kosten für Rohstoffe und Transport gering waren. Als sich 1973 der Ölpreis deutlich erhöhte, wurden viele Anlagen direkt in den Rohstoffländern aufgebaut, obwohl die Kosten für Bau und Betrieb von Anlagen mitunter deutlich höher als in den Industrieländern waren. Die USA, Japan und europäische Länder waren durch Kapitaleinsatz am Aufbau der Anlagen beteiligt.

Übersicht über wichtige Grundchemikalien

Die mengenmäßig wichtigste Grundchemikalie war lange Zeit die Schwefelsäure, bis sie von dem aus Erdöl gewonnenen Ethylen abgelöst wurde.

Genaue statistische Angaben zu Produktionsmengen von Grundchemikalien unterliegen mitunter der Geheimhaltung (beispielsweise in Deutschland, falls weniger als drei Unternehmen eine bestimmte Chemikalie herstellen). Manchmal werden sie geschätzt. Wichtige anorganische und organische Grundchemikalien der chemischen Industrie in Deutschland können den folgenden Tabellen entnommen werden:

Anorganische Grundchemikalien

Anorganische
Grundchemikalien
Tonnen/Jahr
Chlor4.800.000
Natronlauge4.100.000
Schwefelsäure4.000.000
Ammoniak2.700.000
Salzsäure2.100.000
Schwefel1.700.000
Natriumcarbonat1.500.000
Aluminiumhydroxid1.440.000
Silicate960.000
Siliciumdioxid280.000
Wasserstoffperoxid230.000

Das Umweltbundesamt hat ein Merkblatt zu den besten verfügbaren Techniken zur Herstellung von festen anorganischen Grundchemikalien herausgegeben, das auf einem Dokument der Europäischen Kommission basiert. Demnach gibt es in den relevanten Dokumenten keine Definition der Begriffe „Grundchemikalie“ und „large volume inorganic chemical“, es wird aber darauf hingewiesen, dass neben dem Produktionsumfang auch weitere Kriterien wie wirtschaftliche Bedeutung für die Einstufung herangezogen werden. Als Beispiele für feste anorganische Grundchemikalien werden genannt: Aluminiumfluorid, Calciumcarbid, Schwefelkohlenstoff (ist flüssig), Eisenchlorid, Eisensulfat, Bleioxid, Magnesiumchlorid und Magnesiumoxid, Natriumsilicat, Siliciumcarbid, Zeolithe, Calciumchlorid, Calciumcarbonat, Natriumchlorat, Natriumperborat, Natriumpercarbonat, Natriumsulfit und Zinkoxid.

Organische Grundchemikalien

Organische
Grundchemikalien
Tonnen/Jahr
Ethylen5.200.000
Propen3.400.000
1,2-Dichlorethan3.000.000
Benzol2.100.000
Methanol2.100.000
Vinylchlorid2.000.000
Formaldehyd1.400.000
1,3-Butadien1.200.000
Butene1.100.000
Cumol1.000.000
Propylenoxid900.000
Phenol840.000
Styrol800.000
Ethylenoxid800.000
Toluol780.000
p-Xylol780.000
Dimethylterephthalat680.000
Ethylbenzol600.000
Adipinsäure520.000
Anilin460.000
1-Butanol450.000
Ameisensäuresalze410.000
Propylenglycol380.000
Fettalkohol340.000
Ethylenglycol280.000
Cyclohexan260.000
Phthalsäureanhydrid240.000
Chlormethan200.000
Essigsäure150.000
Dichlormethan100.000
Chloroform80.000

Literatur

  • Hans-Bernd Amecke: Chemiewirtschaft im Überblick. VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim 1987, ISBN 3-527-26540-6.

Einzelnachweise

  1. Fachserie 4, Reihe 3.1, Produzierendes Gewerbe nach Güterarten, 2. Vierteljahr 2006; Hochrechnung aus der Halbjahresproduktion bezogen auf ein Jahr. Statistisches Bundesamt, archiviert vom Original am 14. November 2012; abgerufen am 5. Dezember 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  2. 1 2 3 Arnold Müller, Anita Goverdhan-Löbbert: „Anorganische Grundchemikalien“ – Feststoffe und andere – August 2007. In: www.umweltbundesamt.de. Umweltbundesamt (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit), Dessau, August 2007, abgerufen am 25. April 2021 (deutsch, englisch).
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