Ein Hafenkran ist ein Kran, der zum Be- und Entladen von Schiffen am Kai steht.

Geschichte des Hafenkrans

Stationäre Hafenkrane – nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand in der Antike unbekannt – werden als eine Neuentwicklung des Mittelalters angesehen. Der typische Hafenkran war eine drehbare Konstruktion, die mit zwei Treträdern ausgestattet war. Diese Kräne wurden zum Laden und Löschen von Frachtgut direkt auf dem Kai errichtet, wo sie ältere Hebemethoden wie Winden, Wippen und Rahen ersetzten oder ergänzten. Aus strömungstechischen Gründen wurden vereinzelt Tretradkräne auf ein mehrere Meter hohes Basaltfundament (Bastion, Rondell, Werft) auf in den Uferschlick gerammten Eichenpfählen errichtet (Andernach, Trier).

Drei Typen von Hafenkräne mit unterschiedlichen geographischen Schwerpunkten lassen sich identifizieren: Zum einen Bockkräne, deren gesamte Konstruktion sich um eine zentrale, vertikale Achse drehte, und die gewöhnlich in flandrischen und holländischen Küstenorten zu finden waren (Brügge, Nieuwpoort, Antwerpen, Mechelen, Gent). Zum anderen Turmkräne, bei denen Seilwinde und Laufräder sich in einem festen Turm befanden, und nur Ausleger (auch mit Doppelausleger für Ballast (Trier) oder als zweites Hebezeug (Würzburg)) und Dach sich mit der Last drehten. Dieser Typus war in deutschen See- und Binnenhäfen verbreitet, aber auch in Schweden. Zum dritten Kräne, bei denen Kranhaus mit den Antriebstreträdern vom Ausleger getrennt waren. Letzter stand separat als drehbarer Galgenausleger vor dem Kranhaus. Solche Kräne waren in England verbreitet (Guildford, Harwich), aber auch auf dem Kontinent. So gehörte der zweite Kran von St. Goar (erbaut 1658 unter Landgraf Ernst I.) diesem Typus an: Im achtkantigen vierstöckigen Steinturm liefen die Treträder, während der eigentliche Ausleger als Galgen zwischen Kranhaus und Kai stand, im Kaiboden und einer überdachten Holzkonstruktion vom Kranhausdach ausgehend, einem starren Ausleger nicht unähnlich, eingespannt war.

Neben den Tretradkränen gab es auch Wellradkräne. Hier wurde die Trommel oder das Rundholz zur Aufnahme des Seils mit meist zwei Wellrädern an beiden Rollenenden und darüber laufendem Endlosseil per Hand angetrieben. Ein solcher Kran steht als Nachbau in Otterndorf. Eine weitere Variante ist der Haspelkran, bei dem die Laufräder durch zwei gewaltige Haspeln ähnlich einem Gangspill mit vertikaler Achse ersetzt sind, wie der Nachbau in Vlaardingen, Südholland, zeigt.

Interessanterweise wurden Kaikrane nicht im Mittelmeerraum und in den hochentwickelten italienischen Hafenstädten übernommen, wo die Behörden über das Mittelalter hinaus Gebrauch von der arbeitsintensiveren Methode des Löschens über Rampen machten. Eine Mischung aus Rampe und Tretradkran findet sich im Kloster Mont Saint-Michel, ein Tretradschrägaufzug.

Im Gegensatz zu Baukränen (in einigen Kirchendachstühlen noch vorhanden wie im Nordturm der Frauenkirche München, im Freiburger und Gmünder Münster), bei denen die Arbeitsgeschwindigkeit durch den relativ langsamen Arbeitsrhythmus der Maurer bestimmt wurde, besaßen Hafenkräne gewöhnlich ein Doppeltretrad, um den Verladeprozess zu beschleunigen. Die zwei Treträder, deren Durchmesser über 4 m lag (bis 6,5 Meter im Krantor, bis 7,4 m am früheren Mecheler Kran), waren an beiden Seiten der Kranachse angebracht und drehten sich zusammen zum Aufnehmen bzw. Ablassen der Kette oder des Seils. Heutzutage existieren nach einer Untersuchung noch neunzehn (fünfzehn originale) Tretradhafenkräne, ein Wellradkran und ein Haspelkran aus vorindustrieller Zeit in Europa. Neben diesen stationären Kränen kamen bereits im 14. Jahrhundert Schwimmkrane oder Kranschiffe auf (Düsseldorf, Köln, Andernach, Trier u. a.), die im ganzen Hafenbecken flexibel eingesetzt werden konnten, aber bei Hochwasser, Eisgang und Sturm gefährdet waren.

Deutschland

Sankt Goar: achteckiger Steinkran
von 1658, um 1860

In der Schifffahrt kamen beim Betrieb der seit dem Mittelalter verbreiteten Hafenkräne zwecks Zeitgewinns gewöhnlich Doppeltreträder zum Einsatz, die an beiden Seiten eines drehbaren Turms befestigt waren. Diese Turm-Tretkräne waren entweder aus Holz oder Stein gebaut und konnten beim Verladen eine Last von bis 2,5 Tonnen bewältigen. Es wird geschätzt, dass circa 80 Tretkräne an 32 Kranstandorten am Rhein mit Nebenflüssen im Einsatz waren, im gesamten deutschsprachigem Raum sogar ca. doppelt so viele.

Hafenkräne kamen ab Mitte des 13. Jahrhunderts als Ersatz oder Ergänzung des Haspelantriebs in Hafenstädten wie Hamburg, Brügge, Gent oder Antwerpen auf sowie in Städten mit Stapelrecht, wie z. B. in Straßburg, Trier oder Köln, wo es im 16. Jahrhundert vier Tretkräne gab (Kölner Stadtansicht von 1531 des Anton Woensam), von denen einer 20 m hoch war. Es war zudem ein landesfürstliches (kurfürstliches wie erzbischöfliches) Privileg, einen Kran zu errichten und durch einen Kranmeister zu betreiben bzw. dessen Genehmigung zum Bau und Betrieb eines Krans seitens einer Stadt war erforderlich. In Koblenz ist noch das achtkantige Steinhaus des ehemaligen Koblenzer Rheinkrans (1611 von Johann II. von Pasqualini errichtet) als Pegelhaus am Rhein zu sehen (250 m nördlich der Schlossanlage), in St. Goar stand bis Ende 1869 der achtkantige steinerne Rheinkran aus dem 17. Jahrhundert (Vorgänger 1484 urkundlich erwähnt) südlich des damaligen Hafenbeckens. Wenzel Hollar hat ihn um 1635 gezeichnet, eine Farblithographie St. Goar & Rheinfels von François Stroobant zeigt den fast gleichen Nachfolgebau von 1658 im Jahre 1860.

Ein vorindustrieller Tretradkran benötigte inklusiv vereidigtem Kranmeister, der in den Diensten des Kranpächters oder des Stadtrates stand und für Bezahlung der Bediensteten (darunter Kranschreiber, Seilschmierer) im und am Kran sowie Ablauf der Krangeschäfte verantwortlich war, und den in den Rädern laufenden Windenknechten eine 15–25 Mann umfassenden Mannschaft, die der eigenen Zunft der Aufläder oder Kärrner angehörte. Der Aufläder oder Kranknecht – nicht zu verwechseln mit dem Windenknecht, Windenfahrer, Radläufer, Krantreter oder Kranarbeiter in den Treträdern bzw. an der Deichsel im Kranhaus, arbeitete außerhalb des Krans an der Kranlast auf dem Kai oder im Schiff.

Schweiz

In Basel sind am Rheinhafen Hafenkräne keine Besonderheit. Vom April 2014 bis Januar 2015 stand am Limmatquai in Zürich ein Hafenkran als Kunstinstallation der Gruppe um Jan Morgenthaler: Lange Zeit in den Medien heftig diskutiert, überragte ein Rostocker Hafenkran aus dem Jahr 1963 als Teil des Projekts Zürich Transit Maritim für einige Monate die Zürcher Altstadt.

Liste historischer Hafenkräne

Im Folgenden eine Liste erhaltener Hafenkrane im (ehemals) deutschsprachigen Raum. Auch moderne Rekonstruktionen sind aufgeführt.

NameStadtGewässerGeschichteMaterialBild
Krantor Danzig Mottlau 1367, Umbau 1442–1444; älteste Hebeeinrichtung im (ehem.) deutschsprachigen Raum Stein und Holz
Moselkran, Alter Krahnen Trier Mosel 1413, bis 1910 in Betrieb (497 Jahre) Stein
Rheinkran Bingen Rhein 1487, 1819 erneuert, bis um 1890 in Betrieb (~400 Jahre). Nach umfänglicher Sanierung seit 2008 wieder in Betrieb für touristische Vorführungen durch die Denkmalgesellschaft Bingen am Rhein. Holz auf Steinsockel
Rheinkran, Alter Krahnen Andernach Rhein 1554–1561 als Ersatz für Schwimmkran von ca. 1400, bis 1911 in Betrieb (350 Jahre) Stein
Oestricher Kran Oestrich-Winkel Rhein 1744–1745, bis 1926 in Betrieb (181 Jahre) Holz
Mainkran, Kran Marktsteft Marktsteft Main 1764 (Vorgängerbau durch Eisgang zerstört), heute nur noch in Form des Sockels erhalten Stein
Mainkran, Alter Kranen Würzburg Main 1767–1773 von Franz Neumann, bis 1846 in Betrieb (73 Jahre) Stein
Historischer Kran Hanau Main 1869, bis 1924 in Betrieb (55 Jahre) Gusseisen und Stein (Sockel)
Zollkran Trier Mosel 1774, bis ca. 1900 in Betrieb (126 Jahre) Stein
Mainkran, Alter Kranen Marktbreit Main 1784 (Holzvorgängerbau durch Eisgang zerstört), bis 1900 in Betrieb (116 Jahre) Stein
Pegelhaus (Koblenz) Koblenz Rhein 1609–11, bis 1900 in Betrieb Stein
Holzkran (Wellrad) Otterndorf Medem ~1780 (1942 abgebrochen, später Nachbau) Holz
Alter Kran Lüneburg Ilmenau 1330, 1379 und 1797 Neubau (Eisgang) bis 1860 in Betrieb (530/63 Jahre (Neubau)) Holz
Hafenkran Rostock Warnow ~1620 Steinkran, 1780–1887 Holzkran vor dem Burgwalltor; 1996 Rekonstruktion Holz
Alter Salzkran Stade Schwinge 1661–1898 (Abriss; 237 Jahre), 1977 Rekonstruktion nach dem Lüneburger Kran Holz
Alter Saarkran Saarbrücken Saar 1762 von F. J. Stengel, 1784 erneuert; seit 1865 Verfall (103 Jahre); 1989–1991 Nachbau Holz auf Steinsockel
Bamberger Kran Bamberg Regnitz auf den Stadtansichten von Braun/Hogenberg und Matthäus Merian (Stich 1640) zu sehen; Abbruch im 19. Jahrhundert Achteckiger Fachwerkbau auf Steinfundament Aquarell von 1818
Kampnagel Krane Hamburg-Altona-Altstadt Norderelbe 1939 von Kampnagel gebaut und am Lübecker Ufer eingesetzt. 1989 an den Altonaer Holzhafen umgesetzt. Stahl (Rollwippdrehkran)
Stadskraan, Havenkraan Vlaardingen Nieuwe Waterweg Vorgänger 1626; Original 1858 erbaut, 1909 durch Stahlkran ersetzt; 1996 Nachbau Doppelhaspelbockkran, Holz auf Holzbock
Stadskraan (Havenkraan) Mechelen Dijle 1311 Holzkran nahe Kranbrücke (Kraanbrug), Neubau 1346, 1369, 1430, 1455, 1765, 1886 abgebrochen Doppeltretradbockkran, Holz auf Holzbock Photo ca. 1870

Siehe auch

Literatur

  • Brian Cotterell, Johan Kamminga: Mechanics of Pre-industrial Technology. Cambridge University Press, Cambridge 1992, ISBN 0-521-42871-8
  • Hans-Liudger Dienel, Wolfgang Meighörner: Der Tretradkran. In der Reihe: Technikgeschichte (Veröffentlichungen des Deutschen Museums), München 1995 und 1997; ISBN 3-924183-33-3.
  • Alexander Grebel: Geschichte der Stadt St. Goar. Verlag Carl Sassenroth, St. Goar 1848.
  • Hans-Joachim Krause, Richard Scharnagel: Der Tretradkran in Marktbreit am Main. Eine Betrachtung über das Hebezeug aus dem Jahr 1784, seine Tragfähigkeit und Leistung im stationären Betrieb und die Gefährdung seiner Krantreter im transienten Betrieb. Selbstverlag, Marktbreit 2004.
  • Michael Matheus:
    • Mittelalterliche Hafenkräne. In: Uta Lindgren (Hrsg.): Europäische Technik im Mittelalter 800–1400 4. Auflage. Berlin 2001, ISBN 3-7861-1748-9, S. 345–348.
    • Hafenkrane. Zur Geschichte einer mittelalterlichen Maschine am Rhein und seinen Nebenflüssen von Straßburg bis Düsseldorf. In: Trierer Historische Forschungen, Band 9. Trier 1985.
  • Andrea L. Matthies: Medieval Treadwheels. Artists’ Views of Building Construction. In: Technology and Culture, Band 33, Nr. 3, S. 510–547. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1992; ISSN 0040-165X.
  • Monika Stöckl: Feste Hafenkrane: Erhaltene Kranbauten des 15. bis 18. Jahrhunderts an Rhein, Main und Mosel. Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magister Artium. Universitätsverlag, Mainz 1986.
Commons: Hafenkräne – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. weitere Fotos etc. in der Finnieston Crane in der englischsprachigen Wikipedia
  2. 1 2 3 Michael Matheus: Mittelalterliche Hafenkräne. In: Uta Lindgren (Hrsg.): Europäische Technik im Mittelalter 800–1400 4. Auflage. Berlin 2001, ISBN 3-7861-1748-9, S. 345
  3. 1 2 Michael Matheus: Mittelalterliche Hafenkräne. In: Uta Lindgren (Hrsg.): Europäische Technik im Mittelalter 800–1400 4. Auflage. Berlin 2001, ISBN 3-7861-1748-9, S. 346
  4. Blick von Norden auf Zollhaus und Rheinkran mit herausragendem Galgenausleger, um 1800 (Memento des Originals vom 6. Oktober 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  5. Michael Matheus: Mittelalterliche Hafenkräne. In: Uta Lindgren (Hrsg.): Europäische Technik im Mittelalter 800–1400 4. Auflage. Berlin 2001, ISBN 3-7861-1748-9, S. 347
  6. Diese befinden sich in Bergen (Norwegen); Stockholm und Karlskrona (Schweden); Kopenhagen (Dänemark); Guildford und Harwich (England); Lüneburg, Stade, Rostock, Otterndorf (Wellradkran), Marktbreit, Würzburg, Oestrich, Bingen, Saarbrücken, Andernach und Trier (2) (Deutschland); Vlaardingen (Haspelkran, Niederlande); Danzig (Polen). Hierbei sind die Kräne in Karlskrona, Kopenhagen und das Danziger Krantor als Mastkräne ohne schwenkbaren Ausleger konstruiert. Vgl. Michael Matheus: Mittelalterliche Hafenkräne. In: Uta Lindgren (Hrsg.): Europäische Technik im Mittelalter 800–1400 4. Auflage. Berlin 2001, ISBN 3-7861-1748-9, S. 346
  7. Rheinkran in St. Goar 1635 von Wenzel Hollar
  8. Zürcher Hafenkran ist errichtet. In: NZZ, 17. April 2014.
  9. Vollbracht, der Hafenkran steht. In: Zürcher Tages-Anzeiger, 17. April 2014.
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