Hunaland war ein Gebiet, das in der altenglischen und isländischen Dichtung des 8. bis 14. Jahrhunderts erwähnt wurde. Seine genaue Lage ist unklar. Nach den ungefähren Angaben in unterschiedlichen Quellen erstreckte es sich vom heutigen südwestlichen Schleswig-Holstein bis in westfälische Gebiete.

Etymologie und Bibliografie

Im 8. Jahrhundert erwähnt Beda Venerabilis in einer geografisch begrenzten Aufzählung das Gebiet der Hunni in einem Bereich zwischen Nord- und Ostsee:

…quarum in Germania plurimas noverat esse nationes, a quibus Angli vel Saxones, qui nunc Britanniam incolunt, genus et originem duxisse noscuntur; unde hactenus a vicina gente Britonum corrupte Garmani nuncupantur. Sunt autem Fresones, Rugini, Danai, Hunni, Antiqui Saxones, Boructuarii; sunt alii perplures iisdem in partibus populi, paganis adhuc ritibus servientes, ad quos venire præfatus Christi miles, circumnavigata Britannia…

Im altenglischen Epos Widsith wird zwischen zwei hun(n)ischen Herrschaftsbegriffen unterschieden, und zwar zum einen in Zeile 18

Ætla weóld Hûnum, Eormanríc Gotum

und zum anderen in Zeile 33

Hún Hætwerum and Holen Wròsnum

Die in dieser Zeile von einem Hún repräsentierten „Hætwere“ bezeichnen den in Niederdeutschland siedelnden Volksstamm der Chattuarier, während (wiederum im nördlichen Raum) mit dem Titel Holen Wròsnum auf einen dänischen Volksstamm verwiesen wird, der auf der Insel Vresen (südöstlich von Fünen) ansässig war. In diesem altenglischen Preislied wird außerdem zweimal ein Herrschaftsgebiet der Hundingas genannt (Zeile 23 und 81), das übrigens auch im Beowulf auftaucht. Kemp Malone versteht diesen Volksstamm als apparently an old nickname of the Langobards, later confined to the part of the tribe settled in East Holstein.

Der heilige Altfried, Bischof von Münster und Abt der Klöster Werden und Helmstedt, vermerkt (wiederum sukzessiv wie Beda) ein Hunesga/Hunusga in der Biografie Vita Liudgeri über seinen Onkel Liudger, dass dieser unter Karl dem Großen ernannt wurde zum

doctorem in gente Fresonum ab orientali parte fluminis Labeki super pagos quinque, quorum haec sunt vocabula Hugmerthi, Hunusga, Fivilga, Emisga, Fediritga et unam insulam, quae dicitur Bant.

Die um 1350 verfasste Skaldendichtung der Kormáks saga vermittelt Húnaland als ein mit Dänemark benachbartes Gebiet:

Alls metk auðar þellu
Íslands, þás mér grandar,
Húnalands ok handan 
hugstarkr sem Danmarkar;
verð es Engla jarðar 
Eir háþyrnis geira 
(sól-Gunni metk svinna 
sunds) ok Íra grundar.

Die Gesta Danorum erwähnten (um 1200) einen König Hundingus in Saxonia, ebenfalls die Edda im 13. Jahrhundert (vgl. oben die Lokalisierung von Kemp Malone). Dessen Eponym leitete sich wahrscheinlich von einem Patronym zu Hund ab, möglicherweise in Beziehung zu Kynokephale (Hundsköpfige) in der germanischen Mythologie.

In der Thidrekssaga wird das Gebiet Hunaland sowie dessen Bewohner Hunir oder Hynir genannt. Gemäß den geografischen Angaben ihrer Handschriften liegt nach William J. Pfaff das

von einem friesischen Königssohn „Attila“ eroberte hunaländische Reich im nördlichen Deutschland, welches dieser bis zu seinem Tod von dessen Soester Residenz regierte und anschließend von Thidrek übernommen wurde. Bis auf das an der Havel verortete Brandenburg liegen alle eindeutig identifizierbare Orte bzw. Schauplätze zwischen der Weser und dem Rheinland, und zwar in westlicher Ausdehnung nördlich vom Sauerland und in östlicher Richtung bis an den Harz. Der nördliche Bereich von Hunaland reicht bis in die Küstenregion von Friesland, das die Handschriften als unabhängiges Herrschaftsgebiet überliefern.

Der archaische Namentypus leitete sich möglicherweise von den Hundingas ab, wohl aber im Unterschied zu den weiter südöstlichen Hunnen. Allerdings könnten auch die Flüsse Hunte (in Niedersachsen) und Hunze (in den Niederlanden) als geonymische Relikte oder Namenspaten gedeutet werden.

Lokalisierung

Hundinge wurden erwähnt

  • in Saxonia bei Jütland
    König Hundingus herrschte in Sachsen, der dänische König Helgo erschlug ihn und eroberte Jütland (Gesta Danorum)
    Der Wölsunger Helgi erschlug einen Hunding (Edda)
  • bei Froncum und Hælsingum
    das Gebiet der Hundingum war ein Herrschaftsbereich in der Nähe von Franken und Helsingern (Widsith 23)
  • nördlich von Bjarmaland
    Hundingjaland lag bei Bjarmaland im heutigen nordöstlichsten Russland am Weißen Meer. Wahrscheinlich war ein anderes Gebiet gemeint. (Sturlaugs saga starfsama)

Hunaland lag nicht im südöstlichen Ostseegebiet (Wilzenland, Russia, Pul(in)aland, Wendland) und nicht in Skandinavien (Reidgotaland, Gautland). Diese sagengeografischen Begriffe müssen überlieferungsabhängig unterschieden werden. Gemeint ist entweder ein Gebiet südlich an Jütland grenzend sowie westlich von slawischem Gebiet oder, bis etwa zum 6. Jahrhundert, ein Bereich vom heutigen Ungarn als Land der Hunnen (oder Awaren) bis zur Donau, insoweit zwischen Ostgoten, Fränkischem Reich und Gardarike (spätere Kiewer Rus).

Literatur

Anmerkungen

  1. Historia ecclesiastica gentis Anglorum V, 9
  2. Wenskus, Reinhard. " Der ‘hunnische’ Siegfried: Fragen eines Historikers an den Germanisten [*] ". Germanische Altertumskunde Online: Kulturgeschichte bis ins Frühmittelalter - Archäologie, Geschichte, Philologie, edited by Sebastian Brather, Wilhelm Heizmann and Steffen Patzold. Berlin, New York: De Gruyter, 2010, S. 693 ff.
  3. Kemp Malone (Hrsg.): Widsith. Kopenhagen 1962. S. 212.
  4. Lotte Hedeager: Iron Age Myth and Materiality: An Archaeology of Scandinavia AD 400–1000. London / New York 2011. S. 184–185.
  5. Derselbe Seite 176.
  6. Vitae Sancti Liudgeri, I, lib. I, 22. Vgl. die Textausgabe von Wilhelm Diekamp, Münster 1881. Aus dem Passus folgt für den Fluss Labeki, aus anderen Quellen auch als fluvium Lavicam zitierbar, dessen Zusammenhang bzw. Verbindung mit dem niederländischen Lauwersmeer. Die damalige Insel Bant, mit den Relikten Juist und Borkum, wird vor dem Hunsegau (im Groninger Land) und Emsgau vermutet; vgl. Michael Meyer: Ostfriesische Insel- und Küstenlandschaft. Münsterdorf 1984.
  7. Vers 8 zitiert aus dem Möðruvallabók; vgl. mit englischer Übersetzung Russell Poole: Composition Transmission Performance: The First Ten lausavísur in Kormáks saga. In: Alvíssmál, Nr. 7 (1997), S. 37–60. Siehe S. 40.
  8. Vgl. das Gebiet der Hundinge am Weißen Meer als Kynokephali, in Sturlaugs saga starfsama
  9. William J. Pfaff: The Geographical and Ethnic Names in the Þíðriks Saga. Mouton & Co. ’S-Gravenhage 1959. Seite 91:
    In Þíðriks saga, a kingdom in northern Germany, conquered by Attila, second son of the king of Frisia, who established his court at Susat (Soest), and ruled by him until his death, whereupon Þíðrikr incorporated it into his realm (…). All of the clearly identifiable localities in northern Germany except Brandina-borg (Brandenburg on the Havel) lie between the Weser and the Rhineland, north of the mountainous area known as the Sauerland in the west and the Harz in the east and exclusive of the coastal area, which belonged to the independent Frisian state.
  10. Herrscher und Herrschaftsgebiete: "Casere weold Creacum ond Cælic Finnum, Hagena Holmrygum ond Heoden Glommum. Witta weold Swæfum, Wada Hælsingum, Meaca Myrgingum, Mearchealf Hundingum. Þeodric weold Froncum, Þyle Rondingum." (Caesar herrschte über die Creaci, […], Marchealf über die Hundingi, […]), Widsith, Zeile 20–25
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