Gibbsit
Traubiges Aggregat aus grünlichgrauem Gibbsit aus der Xianghualing Mine, Präfektur Chenzhou, Hunan, China
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1962 s.p.

IMA-Symbol

Gbs

Andere Namen

Hydragillit bzw. Hydrargillit

Chemische Formel γ-Al(OH)3
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

IV/F.02
IV/F.02-010

4.FE.10
06.03.01.01
Ähnliche Minerale Chalcedon, Hemimorphit, Smithsonit, Wavellit
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m
Raumgruppe P21/n (Nr. 14, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/14.2
Gitterparameter a = 8,66 Å; b = 5,07 Å; c = 9,72 Å
β = 94,5°
Formeleinheiten Z = 8
Häufige Kristallflächen {001}, {101}, {110}
Zwillingsbildung sehr häufig nach [130] parallel zu {001}, häufig {001}, seltener nach {100} und {110}
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2,5 bis 3,5
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,40; berechnet: [2,42]
Spaltbarkeit vollkommen nach [001]
Bruch; Tenazität uneben
Farbe farblos, weiß, grau, grün, blau
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Glasglanz, Perlmuttglanz, matt
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,568 bis 1,570
nβ = 1,568 bis 1,570
nγ = 1,586 bis 1,587
Doppelbrechung δ = 0,018
Optischer Charakter zweiachsig positiv

Gibbsit, auch unter dem Synonym Hydragillit bzw. Hydrargillit bekannt, ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“. Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung γ-Al(OH)3, ist also ein Aluminiumhydroxid.

Gibbsit entwickelt nur kleine, tafelige oder durch Verzwillingung pseudohexagonale Kristalle bis etwa drei Zentimeter Größe. Meist findet er sich in Form blättriger, schuppiger, traubiger oder erdiger Mineral-Aggregate sowie krustiger Überzüge. Unverletzte Kristalloberflächen weisen einen glasähnlichen Glanz auf, Spaltflächen schimmern dagegen eher perlmuttartig und krustig-erdige Aggregate sind matt. In reiner Form ist Gibbsit farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch weiß erscheinen und durch Fremdbeimengungen eine graue, grünliche oder bläuliche Farbe annehmen, wobei die Transparenz entsprechend abnimmt.

Mit einer Mohshärte von 2,5 bis 3,5 gehört Gibbsit zu den weichen bis mittelharten Mineralen, die sich ähnlich wie das Referenzmineral Calcit (3) noch mit einer Kupfermünze oder wie Fluorit (4) leicht mit einem Taschenmesser ritzen lassen.

Aufgrund seiner Ähnlichkeit in Form und Farbe kann Gibbsit mit Chalcedon, Hemimorphit, Smithsonit und Wavellit verwechselt werden. Allerdings sind alle genannten Minerale härter als Gibbsit.

Etymologie und Geschichte

Erstmals entdeckt wurde Gibbsit bei Richmond im Berkshire County des US-Bundesstaates Massachusetts und beschrieben 1822 durch John Torrey, der das Mineral nach General George Gibbs (1776–1833) benannte, einem US-amerikanischen Mineraliensammler, dessen Mineraliensammlung im 19. Jahrhundert von der Yale University aufgekauft wurde.

Das Synonym Hydra(r)gillit ist eine Zusammensetzung aus den altgriechischen Worten ὕδωρ [hydōr] für Wasser und ἄργιλλος [árgillos] für weißer Ton oder Töpfererde.

Klassifikation

Bereits in der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Gibbsit zur Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort zur Abteilung der „Hydroxide und oxidischen Hydrate (wasserhaltige Oxide mit Schichtstruktur)“, wo er zusammen mit Bayerit, Doyleit und Nordstrandit die unbenannte Gruppe IV/F.02 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz'schen Mineralsystematik ordnet den Gibbsit ebenfalls in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“, dort allerdings in die Abteilung der „Hydroxide (ohne V oder U)“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit von Hydroxidionen und/oder Kristallwasser sowie der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung und seinem Aufbau in der Unterabteilung der „Hydroxide mit OH, ohne H2O; Lagen kantenverknüpfter Oktaeder“ zu finden ist, wo es als Namensgeber die „Gibbsitgruppe“ mit der System-Nr. 4.FE.10 und den weiteren Mitgliedern Bayerit, Doyleit und Nordstrandit bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Gibbsit in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Hydroxide und hydroxyhaltige Oxide“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied der unbenannten Gruppe 06.03.01 innerhalb der Unterabteilung der „Hydroxide und hydroxyhaltige Oxide mit (OH)3- oder (OH)6-Gruppen“ zu finden.

Kristallstruktur

Gibbsit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe P21/n (Raumgruppen-Nr. 14, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/14.2 mit den Gitterparametern a = 8,66 Å; b = 5,07 Å; c = 9,72 Å und β = 94,5° sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle.

Die Kristallstruktur von Gibbsit besteht aus Hydroxid-Doppelschichten parallel (100). In den Oktaederlücken dieser Schichten sind nach [001] Al3+-Ionen eingelagert. Zwischen den Doppelschichten wirken nur schwache Coulombsche und Van-der-Waals-Kräfte, was die Ursache für die leichte Spaltbarkeit nach [001] ist.

Eigenschaften

Beim Erhitzen auf über 100 °C verliert Gibbsit einen Teil seines Kristallwassers und wandelt sich in Diaspor (α-AlO(OH)) um. Weiteres Erhitzen auf etwa 300 °C treibt das restliche Kristallwasser aus.

Modifikationen und Varietäten

Gibbsit ist eine von drei Modifikationen des Aluminiumhydroxids. Die anderen beiden sind Bayerit und Nordstrandit.

Bildung und Fundorte

Gibbsit ist ein Sekundärmineral, das sich als Umwandlungsprodukt entweder durch Oxidation oder Metamorphose in Hydrothermaladern aluminiumreicher Gesteine bildet. Zusammen mit Böhmit, Diaspor, Hämatit, Goethit, Kaolinit sowie geringen Anteilen Rutil und Anatas bildet Gibbsit die Gesteine Bauxit und Laterit.

Als eher seltene Mineralbildung kann Gibbsit an verschiedenen Fundorten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Als bekannt gelten bisher (Stand 2013) rund 400 Fundorte. Neben seiner Typlokalität Richmond trat das Mineral in Massachusetts unter anderem noch im Stockbridge Valley und bei Lenox im Berkshire County auf. Des Weiteren konnte es in den Vereinigten Staaten von Amerika noch an vielen Orten in Alabama und Georgia sowie an einigen Stellen in Arizona, Arkansas, Colorado, Indiana, Kalifornien, Mississippi, Nevada, New Mexico, North Carolina, Oregon, Utah und Virginia gefunden werden.

Bekannt aufgrund außergewöhnlicher Gibbsitfunde ist unter anderem Slatoust im Ural in Russland, wo bis zu 10 cm große, tafelige Kristalle entdeckt wurden.

In Deutschland kennt man Gibbsit bisher aus der Grube „Haus Württemberg“ bei Freudenstadt und dem Steinbruch „Michelsberg“ am Katzenbuckel in Baden-Württemberg; aus der Grube Glücksrad bei Oberschulenberg in Niedersachsen; den Kupfergruben bei Marsberg und dem Grubenverbund Eisenzecher Zug bei Eiserfeld in Nordrhein-Westfalen; am Schellkopf bei Brenk, bei Bad Ems und in der Grube Friedrichssegen bei Frücht in Rheinland-Pfalz sowie im Steinbruch Bärenstein und der Grube „Deutschlandschacht“ bei Oelsnitz/Erzgeb. in Sachsen.

In Österreich fand man das Mineral unter anderem in einem Graphit-Steinbruch bei Amstall und Trandorf in Niederösterreich; am Grieswies-Schwarzkogel in der Goldberggruppe, bei Weitwörth (Oberndorf bei Salzburg) und am Untersberg in Salzburg; am Brandberg bei Leoben in der Steiermark sowie bei Zirl in Tirol.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Ägypten, Albanien, Argentinien, Australien, Belgien, Bolivien, Brasilien, China, der Demokratischen Republik Kongo (Zaire), der Dominikanischen Republik, Ecuador, Frankreich, Griechenland, Grönland, Guinea, Guyana, Indien, Indonesien, Iran, Irak, Irland, Israel, Italien, Jamaika, Japan, Kambodscha, Kamerun, Kanada, Kasachstan, Kolumbien, Kuba, Luxemburg, Madagaskar, Malaysia, Mauretanien, Namibia, den Niederlanden, Neuseeland, Nigeria, Norwegen, Peru, Polen, Rumänien, Schweden, Serbien, den Seychellen, der Slowakei, Spanien, Südafrika, Sudan, Surinam, Tschechien, Ungarn, im Vereinigten Königreich (England, Wales).

Verwendung

Das Verbundmaterial Corian (Markenname von Dupont) besteht zu etwa 66 % seines Gewichts aus sehr feinkörnigem Gibbsit als Füllstoff und zu etwa 33 % aus Polymethylmethacrylat (PMMA), das die Matrix bildet. Corian wird zur Gestaltung von nicht-porösen, fugenlosen Oberflächen in Küchen, Labors und Krankenhäusern insbesondere für Arbeitsflächen verwendet.

Siehe auch

Literatur

  • Gibbsite, In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF 70 kB)
  • Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 549 (Erstausgabe: 1891).
  • Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 480–483.
  • Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 420–421.
Commons: Gibbsite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. 1 2 3 4 Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 238.
  4. 1 2 3 Gibbsite, In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF 70 kB)
  5. 1 2 Mindat - Gibbsite (englisch)
  6. 1 2 Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie: Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 58.
  7. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. 5. vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2008, ISBN 978-3-921656-70-9.
  8. Mineralogical Record: George Gibbs (1776-1833)
  9. Rudolf Köster: Eigennamen im deutschen Wortschatz. de Gruyter, Berlin [u. a.] 2003, ISBN 978-3-11-017702-2, S. 56 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Wilhelm Pape: Handwörterbuch der griechischen Sprache. Braunschweig 1914, Band 1, S. 345 (ἄργιλλος) und Band 2, S. 1175 (ὕδωρ)
  11. Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 481.
  12. Mindat - Anzahl der Fundorte für Gibbsit
  13. Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien Enzyklopädie. Nebel Verlag GmbH, Eggolsheim 2002, ISBN 3-89555-076-0, S. 109.
  14. Fundortliste für Vicanit-(Ce) beim Mineralienatlas und bei Mindat
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