Berber (berberisch ⵉⵎⴰⵣⵉⵖⵏ Imaziɣen, Schreibvariante Amazigh, Pl. Imazighen; arabisch الأمازيغ, DMG al-ʾAmāziġ oder بربر, DMG barbar) ist eine Sammelbezeichnung für die indigenen Ethnien der nordafrikanischen Länder Algerien, Libyen, Mauretanien, Marokko und Tunesien, die sich sprachlich und kulturell mehr oder weniger von den arabisierten Mehrheitsgesellschaften unterscheiden. Sie führen das Erbe der vorislamischen Völkergruppen Nordafrikas fort. Außerdem leben Berber im östlichen Mali, nördlichen Niger und in der ägyptischen Oase Siwa. Es gibt zwischen 40 und 70 Millionen Berber, wovon etwa 36 Millionen eine zu den afroasiatischen Sprachen gehörende Berbersprache (Tamaziɣt) als Muttersprache sprechen. Andere Berber haben ihre Muttersprache im Lauf der Jahrhunderte verloren und sprechen Maghreb-arabische Dialekte.

Name und Herkunft

Der Name Berber stammt vermutlich vom altgriechischen Wort βάρβαρος bárbaros ab, möglicherweise vermittelt durch das Lateinische (barbarus) oder Arabische (al-barbar, Plural barābira). Heute bezeichnen sich viele Berber als imazighen Freie, um sich in einer eigenen, in ihrer Muttersprache gefassten Volksgruppenbezeichnung wiederzufinden, und lehnen die als abwertend verstandene Fremdbezeichnung „Berber“ ab. Üblicherweise benutzen die Berbervölker die Namen der einzelnen Volksstämme (zum Beispiel Rifkabylen oder Tuareg).

Die Berber sind heterogene afroasiatisch-sprachige Ethnien, die von den historischen Bevölkerungen Nordafrikas und von Bevölkerungen des Nahen Ostens abstammen. Genetische Studien zeigen, dass heutige Nord-Afrikaner ein „Mosaik“ aus nordafrikanischen, arabischen und europäischen Wurzeln aufweisen. Genetisch repräsentieren die Berber die indigene Bevölkerung Nordafrikas. Sie sind am nächsten mit den Ägyptern, den Arabern, den Levantinern und mit Südeuropäern verwandt und können von den Populationen Subsahara-Afrikas klar abgegrenzt werden.

Geschichte

Antike

Zeugnisse über die Berber waren schon im Alten Ägypten (als Lebu, Tehenu, Temehu, Meschwesch) sowie in griechischen und römischen Quellen bekannt. Bereits auf saharanischen Felsmalereien sind frühe Einwohner der Gegend abgebildet. Als ihre Vorgänger gelten die Numider, Garamanten und Libyer. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot erwähnt sie in seinen Historien.

Berbervölker wurden zuerst in Schriften der Ägypter während der Prädynastik erwähnt. Während des Neuen Reiches kämpften die Ägypter an der Westgrenze gegen die Meschwesch (Ma) und die Libu. Etwa ab 945 v. Chr. wurden die Ägypter vom Berbervolk der Meschwesch beherrscht, welche die 22. Dynastie unter Scheschonq I. begründeten. Mit ihr begann eine lange Zeit der Berberherrschaft in Ägypten, in der die Berber die Hauptbevölkerung in der westlichen Wüste stellten.

Viele Jahrhunderte lang bewohnten die Berber die Küste Nordafrikas von Ägypten bis zum Atlantischen Ozean. Währenddessen erlebten diese Küstenregionen eine lange Reihe von Eroberern, Siedlern und Kolonisatoren: der Phönizier, die Karthago gründeten, Griechen (hauptsächlich in Kyrene), Römer, Vandalen, Alanen, Byzantiner.

Die Phönizier drangen gemäß ihrer Seehandelskultur niemals über die Hafenstädte der Küste hinaus in das Landesinnere vor. Nur in römischer Zeit waren numidische und mauretanische Provinzen vollständig in das Römische Reich eingegliedert, wodurch dort wohnende Berber das römische Bürgerrecht erhielten. Nach 429 eroberten etwa 80.000 germanische Vandalen und Alanen Nordafrika und gründeten ein von Rom unabhängiges Reich mit Karthago als Hauptstadt.

Bereits vor der Eroberung Nordafrikas durch die Araber gliederten sich die Berbervölker in drei Großgruppen:

  1. die Luwāta im östlichen Maghreb in den Gebieten von Tripolitanien, der Kyrenaika, dem Djarid und dem Aurès-Gebirge. Zu ihnen gehörten die Hawwāra, die Aurīgh, die Nafzāwa und die Aurāba. Den Hawwāra, die die größte Gruppe bildeten, gehörten wiederum verschiedene Untergruppen an. Eine von ihnen waren die Misrāta in Tripolitanien, nach denen die heutige Stadt Misrata benannt ist.
  2. die Sanhadscha im zentralen und westlichen Maghreb. Zu ihnen gehörten die Kutāma in der kleinen Kabylei, die Zawāwa in der großen Kabylei, die Ghumāra im Rif-Gebirge, die Masmuda an der Atlantikküste Marokkos, die Dschazūla im Hohen Atlas und die Lemta in Süd-Marokko.
  3. die Zanāta, die die algerische Küste zwischen der Kabylei und Cheliff besiedelten, aber auch an verschiedenen anderen Orten zwischen Tripolitanien und dem westlichen Maghreb lebten.

Frühislamische Zeit

Die Islamisierung der Berber begann in den 660er Jahren mit den militärischen Operationen des umayyadischen Heerführers ʿUqba ibn Nāfiʿ in Tripolitanien. Den nach Westen vordringenden Arabern traten aber während der zweiten Fitna berberische Stämme aus dem Gebiet Nordostalgeriens unter Führung einer Frau entgegen, die in der zunächst mündlich überlieferten Geschichtsdarstellung als Kāhina („Priesterin“) bekannt geworden ist. Um das Jahr 698 unterstützten allerdings andere berberische Stämme den arabischen Feldherrn Hassān ibn Nuʿmān bei der Vertreibung der Byzantiner aus Karthago und den anderen Küstenfestungen Nordafrikas.

Berber spielten nun selbst eine führende Rolle in der islamischen Expansionbewegung. Tāriq ibn Ziyād, ein Berber, den der arabische Feldherr Mūsā ibn Nusair Anfang des 8. Jahrhunderts zum Gouverneur der neu eroberten Stadt Tingis (des heutigen Tanger) ernannt hatte, setzte im Frühjahr 711 in einer eigenmächtigen Aktion mit einer Armee von 7000 ausschließlich berberischen Kämpfern nach Europa über und leitete damit die islamische Eroberung und teilweise Neubesiedlung der Iberischen Halbinsel ein. Die nach dem Ende des Kalifats von Córdoba (1031) entstandenen Taifa-Königreiche lagen zumeist in der Hand von Berberdynastien. Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert dominierten die Berberdynastien der Almoraviden, Almohaden und Meriniden den Maghreb und teilweise auch Al-Andalus.

In der Folgezeit fanden die Lehren der sufritischen Charidschiten starken Zuspruch bei den Berbern. Um 739 gingen Berberstämme mit sufritischer Ausrichtung in der Region um Tanger unter ihrem Kalifen Maisara zum offenen Aufstand gegen die umayyadische Herrschaft über. Sie nahmen Tanger ein und konnten in den folgenden drei Jahren ihre Rebellion in Richtung Osten bis nach Kairuan ausweiten. Weitere sufritische Führer aus Tlemcen und Beja schlossen sich mit ihren Berberstämmen dem Aufstand an, der im Jahr 741 eine umayyadische Armee in die Flucht schlug. Erst in der zweiten Hälfte der 740er Jahre gelang es ʿAbd ar-Rahmān ibn Habīb, einem in Ifrīqiya zu dieser Zeit unabhängig herrschenden Gouverneur der Umayyaden, den Ansturm der sufritischen Berberstämme zu brechen.

Politische Rolle im Mittelalter

Führer der sufritischen Charidschiten gründeten im Südosten des heutigen Staates Marokko 757 die Stadt Sidschilmāsa und errichteten dort ein eigenes Imamat, das über zwei Jahrhunderte in der Hand der berberischen Familie der Midrāriden blieb, die die erste berberische Dynastie im islamischen Nordafrika bildete.

In anderen Gebieten unterstützten Berber die Herrschaftsansprüche echter oder angeblicher Prophetennachkommen. Im westlichen Maghreb riefen 789 Berberstämme den Hasaniden Idrīs ibn ʿAbdallāh zum Imam aus. Ende des 9. Jahrhunderts gelang es dem ismailitischen Dāʿī Abū ʿAbdallāh asch-Schīʿī, die in der Kleinen Kabylei lebenden Kutāma-Berber für seine Lehre zu gewinnen. Sie wurden zur Hausmacht der Fatimiden, die im frühen 10. Jahrhundert das westliche Libyen, Tunesien, Ostalgerien und Sizilien eroberten. Um die Macht des Ibaditen-Führers Abū Yazīd Machlad ibn Kaidād zu brechen, der die Unterstützung der berberischen Hauwāra genoss, banden die Fatimiden ein zweites Berbervolk in ihre Machtstrukturen ein: die Sanhādscha des zentralen Algerien, deren Fürst Zīri sich eng an die Fatimiden anschloss. Als im Jahr 973 der fatimidische Kalif al-Muʿizz Kairo zu seiner Residenz machte, folgten zahlreiche Kutāma-Berber ihrem Herrn nach Ägypten und überließen die Hegemonie über den Maghreb den Sanhādscha: als fatimidische Vizekönige zogen die Berberfürsten aus dem Clan der Zīriden in die verlassenen Paläste der Fatimiden bei Kairuan ein.

Die nach dem Ende des Kalifats von Córdoba (1031) auf der Iberischen Halbinsel neu entstandenen Taifa-Königreiche lagen zumeist in der Hand von oft miteinander verfeindeten Berberdynastien.

Um die Mitte des 11. Jahrhunderts trat Ibn Yāsīn, ein Angehöriger der Sanhādscha aus dem Sūs-Tal, der die Wallfahrt nach Mekka unternommen hatte, bei den nur oberflächlich islamisierten nomadisierenden Berberstämmen der Westsahara als Missionar auf. Ibn Yāsīn predigte bei ihnen einen strengen, puritanischen Islam, der auf die Rechtsschule des Mālik ibn Anas gestützt war, und formte aus ihren Reihen den Kampfverband der Murābitūn. Ziele seiner militärischen Islamisierungskampagnen waren nicht nur die nichtislamischen, sondern auch die nur oberflächlich islamisierten bzw. heterodoxen Berber, insbesondere die Bargawata in der marokkanischen Küstenebene südlich von Rabat, bei denen ein berberischer Prophet mit einem neuen Koran in berberischer Sprache aufgetreten war; im Kampf gegen sie fand Ibn Yāsīn 1059 den Tod. Ein Nachfolger konnte den Staat der Almoraviden rasch nach Norden ausdehnen und 1070 die Stadt Marrakesch zum neuen städtischen Zentrum des westlichen Maghreb machen. Unter Yūsuf ibn Tāschfīn (reg. 1072–1106), der neben Nordwestafrika auch fast ganz Andalusien unter seiner Herrschaft vereinigen konnte, erlangte der berberische Almoravidenstaat imperiale Dimension.

Im frühen 12. Jahrhundert durchzog der junge berberische Gelehrte Ibn Tūmart nach Studien in Córdoba, Mekka und dem Irak als Bußprediger den Maghreb. Im Jahr 1121 zog er sich in den Hohen Atlas zurück, wo er sich von seinen Anhängern als der Mahdi und unfehlbaren Imam proklamieren ließ. Im Zentrum der Lehre Ibn Tūmarts stand das Dogma von der absoluten Einzigkeit Gottes (Tauhīd). Seine Anhänger nannten sich deshalb „Einzigkeitsbekenner“ (al-muwaḥḥidūn; daher ihr europäischer Name Almohaden) und setzten sich von der sunnitischen Lehre ab. Zwar scheiterte im Jahr 1130 ein Angriff der Almohaden auf Marrakesch, bei dem Ibn Tūmart auch starb, doch gelang es seinem Nachfolger ʿAbd al-Muʾmin (reg. 1130–1163), die Almoraviden zu stürzen und eine neue Berber-Dynastie zu gründen, deren Herrschaftsgebiet ganz Nordwestafrika und Teile von Al-Andalus umfasste. Anfang des 13. Jahrhunderts lösten sich nacheinander verschiedene Territorien vom Almohadenreich. In mehreren von ihnen kamen wiederum berberische Dynastien zum Zuge: in Tunis die Hafsiden, in Tlemcen die Abdalwadiden und in Zentralmarokko die Meriniden.

Heutige Verbreitung

Berber leben heute vor allem in Marokko und in Algerien, vereinzelte Gruppen auch in Tunesien und südlich davon in der Sahara. Ihre heutigen Bevölkerungszahlen sind schwer zu bestimmen, da durch die Vermischung mit der arabischen Bevölkerung und die Arabisierungsmaßnahmen der postkolonialen Zeit Kultur und Sprache der Berber zurückgedrängt worden sind. Zahlreiche Berberstämme sprechen heute zumindest als zweite Umgangssprache maghrebinisches Arabisch. Nur ein Teil der Berber spricht ausschließlich Berbersprachen.

Sprache

Marokko

Marokkos Berberdialekte gliedern sich in drei Sprachregionen:

Daneben gibt es seit der Verfassung von 2011 das Marokkanische Tamazight als Standard- und Amtssprache.

Tamazight bezeichnet auch die Berbersprache im Allgemeinen und fungiert als Standarddialekt; Berber werden Amazigh genannt. Für die Schreibweise der überwiegend gesprochenen Sprache wurde eine moderne Version der Tifinagh-Schrift entwickelt.

Algerien

Algeriens Berber lassen sich vier Dialektfamilien zuordnen:

  • etwa zwei Drittel leben in der Kabylei und sprechen den lokalen Dialekt Thaqbaïlith,
  • eine kleine Gruppe ist in dem Gebiet vom Aurès bis zur östlichen Landesgrenze ansässig und spricht Chaouias,
  • die kleine und zerstreute berberische Minderheit im Süden des Landes spricht Mzab-Wargla,
  • die Tuareg-Nomaden in der Sahara sprechen Tuareg.

Kultur

Auf die starke gesellschaftliche Stellung der Frau in vorislamischer Zeit verweisen einige Mythen. Auch dass sich unter den Tuareg die Frauen leichter von ihren Männern scheiden lassen können als arabische Frauen, hängt mit alten matrilinearen Gesellschaftsstrukturen zusammen. Frauen besitzen teilweise mehr Entscheidungsbefugnisse als in arabischen Gesellschaften.

Im Zuge einer verstärkten Hinwendung zu einer orthodoxen Ausprägung des Islams sind im Lauf des 20. Jahrhunderts die Freiheiten verschwunden, die zuvor bestimmten Gruppen von Frauen zugestanden waren. Der Fruchtbarkeitstanz Abdaoui der Chaouia im Osten Algeriens wird jedoch noch von Frauen aufgeführt.

Gastfreundschaft ist in der Kultur der Berber tief verankert. Mit Ausnahme der Tuareg sind die Berber sesshaft; nur noch wenige leben als Teilnomaden (Transhumanten). Das berberische Nomadenvolk der Tuareg hat eine eigene, aus dem altlibyschen bzw. phönizischen Alphabet entwickelte Schrift, das Tifinagh.

Die heutigen Berber sind stark von der Kultur früherer Invasoren (Araber, Osmanen, Franzosen und Spanier) geprägt. Die Berbergruppen, die ihre Sprache und Tradition weitgehend bewahrt haben, insbesondere die Kabylen in Nordalgerien sowie die Schlöh und Rifkabylen in Marokko, waren im Allgemeinen am wenigsten fremden Einflüssen ausgesetzt.

Religion

Die Prägung durch fremde Religionen hinderte die Berber nicht, an ihrem animistischen Glauben an Naturkräfte festzuhalten. Vor der Islamisierung hatten etwa die Dscharawa und Nefuka den jüdischen und später andere Stämme den christlichen Glauben angenommen, um ihre Abneigung gegen die römische Vorherrschaft zu demonstrieren. Dass sie auch nach dem Übertritt zum Islam Elemente einer alten ethnischen Religion beibehielten, lassen Mythen, Märchen, Feldkult, die Verehrung von Wassergräben und der Geisterglaube erkennen.

Berberfriedhöfe

Typisch für die Dörfer der von Berbern bewohnten Regionen Nordafrikas sind ihre nahe dem Ort gelegenen und oft von einer Trockenmauer umgebenen Friedhöfe. Die Gräber sind durch kleine senkrechte Steinplatten gekennzeichnet, die weder den Namen des Verstorbenen noch seine Lebensdaten angeben, sondern lediglich als räumliche Markierung des Grabes selbst dienen.

Kalender

Die Berber benutzten einen eigenen traditionellen Kalender, der auf dem julianischen Kalender basiert. Er wurde höchstwahrscheinlich während der römischen Präsenz in der römischen Provinz Africa eingeführt, blieb aber nach dem Abzug der Römer und auch nach der Arabischen Expansion sowohl zur Datierung traditioneller Feste als auch für landwirtschaftliche Zwecke (auch weil der Islamische Kalender als Mondkalender dafür ungeeignet ist) in Gebrauch. Er wird deshalb auch als fellaḥi (ﻓﻼّﺣﻲ, Bauernkalender) oder ʿajamī (عجمي, „fremder“, d. h. nicht-arabischer Kalender) bezeichnet. Im Lauf der Entwicklung eines berberischen Nationalbewusstseins nahm die Bedeutung dieses Kalenders wieder zu, besonders im Zusammenhang mit der Feier des Neujahrstags („Yennayer“) im Januar. Im Januar 2018 erklärte Algerien Yennayer zu einem nationalen, stets auf den 12. Januar fallenden Feiertag. Er wird jeweils am 13. Januar auch in Marokko begangen und hat dort seit dem 4. Mai 2023 den Status eines offiziellen Feiertags. Der Neujahrstag des julianischen Kalenders ist der 14. Januar, weshalb am 13. Januar eigentlich der Vorabend (Silvester) gefeiert wird; die Verschiebung der Feier auf den 12. Januar in Algerien ist wahrscheinlich auf eine Fehlberechnung durch die für die Organisation zuständigen kulturellen Organisationen zurückzuführen Es existiert auch eine Jahreszählung, die im Jahr 950 v. Chr. beginnt, sodass das gregorianische Jahr 2023 dem Jahr 2973 des Berberkalenders entspricht. Diese Zählung wurde allerdings erst 1966 auf Betreiben der Académie Berbère in Paris eingeführt: Das Jahr 950 v. Chr. entspricht ungefähr dem Jahr der Thronbesteigung von Scheschonq I., dem 1. Pharao der 22. Dynastie (Dritte Zwischenzeit) in Ägypten. Er stammte aus Libyen und wurde deshalb von den Initiatoren als der erste prominente Berber der Geschichte betrachtet.

Literatur

Das erste in einer (libyschen) Berbersprache verfasste Schriftzeugnis datiert aus dem Jahr 149 v. Chr. Das frühe Schrifttum in berberischer Sprache aus der Zeit der Islamisierung ist weitgehend theologischer Natur. Ihre Blütezeit erreichte die berberische Literatur in der frühen Neuzeit; die kunstvollen poetischen Werke wie die von Sidi Ḥammu (Sidi Hamou) aus dem 16. oder 17. Jahrhundert wurden mündlich tradiert und sind noch heute in Marokko beliebt.

Tätowierungen

Vorwiegend unter den Frauen der Berber waren blau-grüne Tätowierungen im Gesicht, an den Unterarmen, den Handgelenken und den Waden bis ins 20. Jahrhundert hinein kulturell verankert. Die Tätowierungen bestanden aus spirituellen Schriftzeichen, tradierten Symbolen und Ornamenten. Die auch auf Verzierungen von Häusern und Alltagsgegenständen vorkommenden Muster sind Ausdruck der Verbundenheit mit Natur und Kosmos und symbolisieren Fruchtbarkeit und Schutz; sie hatten ursprünglich zumeist eine unheilabwehrende (apotropäische) Funktion. Zwischen den einzelnen Volksstämmen variierten die Ornamente.

Die Muster wurden zunächst vorgezeichnet und anschließend mit einer Nadel in die Haut gestochen. Die blaue Farbe wurde aus der Indigo-Pflanze (nila) gewonnen. Alternativ wurde Ruß oder Holzkohle verwendet. Die gestochenen Stellen wurden anschließend mit einer Pflanze eingerieben, die einen grünen Farbstoff enthält (kheddira).

Bedingt unter anderem durch den Zuzug der Berber in die Städte und dem damit einhergehenden zunehmenden Einfluss der arabischen und später der westlichen Kultur wird dieser Brauch seit dem späten 20. Jahrhundert kaum noch ausgeübt und ist heute nur noch bei älteren Frauen zu sehen.

Schmuck

Berberschmuck

Während die arabischstämmige oder arabisch geprägte Bevölkerung des nördlichen Maghreb feinbearbeiteten Goldschmuck vorzog, blieb den in früheren Zeiten geldlos lebenden Berbern teilweise massiver Silberschmuck vorbehalten. Er stellte einen wichtigen Teil der Brautgaben und des Besitzes der Frauen dar und diente sowohl als Apotropäum wie auch als Kapitalreserve für Notzeiten. Dieser von Generation zu Generation vererbte Familienschmuck wird zumal seit der Mitte des 20. Jahrhunderts nach und nach von Antiquitätenhändlern aufgekauft und nur noch selten von Berberfrauen getragen. Historische Schmuckstücke sind heute vor allem in den ethnografischen Museen der jeweiligen Länder zu sehen.

Architektur

Berberarchitektur

Die Berber des Maghreb haben eine einfache, aber in vielfacher Hinsicht höchst originelle Architektur hervorgebracht. Zu nennen sind insbesondere die wehrhaften Speicherburgen (igoudar) und Wohnburgen (tigermin) sowie die Höhlenwohnungen im Süden Marokkos und Tunesiens. Auch die Dorfbauweise (ksour) z. B. von Aït-Ben-Haddou, Tizourgane, Ghadames oder Chinguetti ist charakteristisch für die maghrebinische Berberarchitektur.

Siehe auch

Literatur

  • Fazia Aïtel: We are Imazighen: The Development of Algerian Berber Identity in Twentieth-Century Literature and Culture. University Press of Florida, 2014, ISBN 978-0-8130-4939-7 (Inhaltsverzeichnis).
  • Youcef Allioui: Timsal, enigmes berbères de Kabylie – commentaire linguistique et ethnographique. Ed. L'Harmattan, Paris 1990, ISBN 2-7384-0627-0.
  • Dalila Arezki: L'identité berbère. Séguier, Biarritz, Atlantica, Paris 2004, ISBN 2-84049-393-4.
  • Lamara Bougchiche: Langues et littératures berbères des origines à nos jours. Ibis Press, Paris 1997, ISBN 2-910728-02-1.
  • Jörg-Dieter Brandes: Die Geschichte der Berber. Von den Berberdynastien des Mittelalters zum Maghreb der Neuzeit. Casimir Katz Verlag, Gernsbach 2004, ISBN 978-3-925825-87-3.
  • Michael Brett, Elizabeth Fentress: The Berbers. People of Africa. Blackwell, Oxford 1996, ISBN 0-631-16852-4.
  • Salem Chaker: Amaziɣ (le/un) Berbère – Linguistique berbère. Etudes de syntaxe et de diachronie. Peeters, Paris 1995, ISBN 2-87723-152-6.
  • Salem Chaker: Études berbères et chamito-sémitiques. Peeters, Paris [u. a.] 2000, ISBN 90-429-0826-2.
  • Margaret Courtney-Clarke, Geraldine Brooks: Die Berber-Frauen. Kunst und Kultur in Nordafrika. Frederking & Thaler, München 1997, ISBN 3-89405-357-7.
  • Encyclopédie Berbère. Édisud, Aix-en-Provence 1984, ISBN 2-85744-201-7.
  • Ernest Gellner, Charles Micaud (Hrsg.): Arabs and Berbers: From Tribe to Nation in North Africa. Duckworth, London 1973.
  • Malika Hachid: Les premiers Berbères – entre Méditerranée, Tassili et Nil. Édisud, Aix-en-Provence 2000, ISBN 2-7449-0227-6.
  • Hsain Ilahiane: Historical Dictionary of the Berbers (Imazighen). (Historical Dictionaries of Peoples and Cultures, Band 5) Scarecrow Press, Lanham (Maryland) 2006, ISBN 978-0-8108-5452-9
  • Gabi Kratochwil: Die Berber in der historischen Entwicklung Algeriens von 1949 bis 1990. Zur Konstruktion einer ethnischen Identität. K. Schwarz Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-87997-254-0.
  • Alphonse Leguil: Contes berbères grivois du Haut-Atlas. L'Harmattan, Paris [u. a.] 2000, ISBN 2-7384-9904-X.
  • Alphonse Leguil: Contes berbères de l'Atlas de Marrakech. L'Harmattan, Paris 1988, ISBN 2-7384-0163-5.
  • Bruce Maddy-Weitzman: Contested Identities: Berbers, ‘Berberism’ and the State in North Africa. The Journal of North African Studies, Bd. 6, Nr. 3, 2001.
  • Makilam: Die Magie kabylischer Frauen und die Einheit einer traditionellen Berbergesellschaft. Kleio Humanities, Bremen 2007, ISBN 978-3-9811211-3-1.
  • Makilam: ZeichenSprache. Magische Rituale in der Kunst kabylischer Frauen. Kleio Humanities, Bremen 2007, ISBN 978-3-9811211-4-8.
  • Wolfgang Neumann: Die Berber. Vielfalt und Einheit einer traditionellen nordafrikanischen Kultur (= DuMont Dokumente). DuMont, Köln 1983, ISBN 3-7701-1298-9.
  • Kurt Rainer: TASNACHT – Teppichkunst und traditionelles Kunsthandwerk der Berber Südmarokkos. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1999, ISBN 3-201-01715-9.
  • Ulrich Rebstock: Die Ibāḍiten im Maġrib (2./8.-4./10. Jh.). Die Geschichte einer Berberbewegung im Gewand des Islam. Berlin 1983. Digitalisat
  • Gerhard Schweizer: Die Berber. Ein Volk zwischen Rebellion und Anpassung. Wiener-Verlag, Himberg bei Wien 1984, ISBN 3-7023-0123-2.
  • G. Yver: Art. Berbers. I. History, b) Before Islam. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. I., S. 1174a–1175a.
Commons: Berber – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Willi Stegner (Hrsg.): TaschenAtlas Völker und Sprachen. 1. Auflage, Klett-Perthes, Gotha 2006, ISBN 978-3-12-828123-0. S. 169.
  2. Steven L. Danver, M. E. Sharpe (Hrsg.): Native Peoples of the World: An Encyclopedia. Mesa Verde Publishing, 2013, S. 23f.
  3. Mohand Akli Haddadou: Le guide de la culture berbère. Paris Méditerranée, Paris 2000, S. 13–14.
  4. Brenna M. Henn, Laura R. Botigué, Simon Gravel, Wei Wang, Abra Brisbin: Genomic Ancestry of North Africans Supports Back-to-Africa Migrations. In: PLOS Genetics. Band 8, Nr. 1, 1. Dezember 2012, ISSN 1553-7404, S. e1002397, doi:10.1371/journal.pgen.1002397, PMID 22253600, PMC 3257290 (freier Volltext) (plos.org [abgerufen am 11. November 2022]).
  5. Lara R Arauna, David Comas: Genetic Heterogeneity between Berbers and Arabs. In: eLS. 15. September 2017, S. 1–7, doi:10.1002/9780470015902.a0027485: „1. North African populations are very heterogeneous and are composed of North African, Middle Eastern, sub-Saharan and European genetic components. 2. The Berber people are genetically diverse and heterogeneous.“
  6. Luigi Luca Cavalli-Sforza (1922–2018), Paolo Menozzi, Alberto Piazza: The History and Geography of Human Genes. Princeton University Press, Princeton 1994. S. 169–174.
  7. Andrew J. Pakstis, Cemal Gurkan, Mustafa Dogan, Hasan Emin Balkaya, Serkan Dogan: Genetic relationships of European, Mediterranean, and SW Asian populations using a panel of 55 AISNPs. In: European Journal of Human Genetics. Band 27, Nr. 12, Dezember 2019, ISSN 1476-5438, S. 1885–1893, doi:10.1038/s41431-019-0466-6 (nature.com [abgerufen am 2. Dezember 2019]).
  8. Vgl. dazu Yver: Art. Berbers. in EI² S. 1174b.
  9. Vgl. dazu T. Lewicki: Art. Misrāta in The Encyclopaedia of Islam. New Edition Bd. VII, S. 186a–187a. Hier S. 186b.
  10. Vgl. Rebstock: Die Ibāḍiten im Maġrib. 1983, S. 1–56.
  11. Vgl. T. Lewicki: Art. Hawwāra in The Encyclopaedia of Islam. New Edition Bd. III, S. 295b-299b. Hier S. 296a.
  12. Cynthia Becker: Deconstructiong the History of Berber Arts. In: Katherine E. Hoffman, Susan Gilson Miller (Hrsg.): Berbers and Others: Beyond Tribe and Nation in the Maghrib. Indiana University Press, Bloomington 2010, S. 207f
  13. Wir Juden als Berber. In: Wir-Juden.com. Abgerufen am 28. März 2021.
  14. s. Weblink: Dieter Jobst: Völkerkundliche Studie: Die Berber – Nordafrika.
  15. Happy 2968! Berber New Year becomes holiday in Algeria. In: The National News. 12. Januar 2018, abgerufen am 11. Januar 2021 (englisch).
  16. "Marokko – König erklärt Amazigh-Neujahrsfest zum Feiertag. In: maghreb-post.de. 4. Mai 2023, abgerufen am 21. Mai 2023.
  17. Id Yennayer: Yennayer (Amazigh Nieuwjaar). In: beleven.org. Abgerufen am 12. Januar 2021 (niederländisch).
  18. La fête de Yennayer: pratiques et présages (Memento vom 20. Februar 2020 im Internet Archive)
  19. Schlangen, Schakale und Skorpione – Berber-Tätowierungen in Nordafrika (Memento vom 4. Juni 2015 im Internet Archive), journal-ethnologie.de
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